Sujet EU Panorama
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WKÖ EU-Wirtschaftspanorama 4/2020

Ausgabe 7. Februar 2020

Lesedauer: 9 Minuten

Aktualisiert am 22.09.2023

Inhaltsübersicht


Im Brennpunkt

Unternehmertum & Industriepolitik

Binnenmarkt

Innovation / Digitalisierung

Kurz & bündig

EU-Agenda



Im Brennpunkt

Raschere und gezieltere EU-Beitrittsverhandlungen bringen auch heimischen Unternehmen Vorteile

Die Zukunftsdebatte nach dem Brexit-Referendum und die innenpolitischen und geostrategischen Herausforderungen in der Westbalkan-Region haben die EU-Erweiterungspolitik auf europäischer Ebene verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Um den EU-Beitrittsprozess voranzutreiben, schlägt die Europäische Kommission jetzt u.a. eine deutlichere Fokussierung auf wesentliche Reformen, eine systematischere Einbeziehung der Mitgliedstaaten sowie sechs thematische Cluster für Verhandlungskapitel vor.

Regelmäßige Gipfeltreffen zwischen der EU und dem westlichen Balkan und mehr Kontakte auf Ministerebene sollen das Engagement auf höchster Ebene verstärken. Die Verhandlungen sollen in Zukunft zu den Clustern: wesentliche Elemente; Binnenmarkt; Wettbewerbsfähigkeit und inklusives Wachstum; grüne Agenda und nachhaltige Konnektivität; Ressourcen, Landwirtschaft und Kohäsion; Außenbeziehungen und nicht zu einzelnen Kapiteln aufgenommen werden. Ein besonderes Augenmerk soll auf der Glaubwürdigkeit liegen, da gegenseitiges Vertrauen im EU-Beitrittsprozess äußerst wichtig ist.

Export-Diagramm
© WKÖ-Factsheet Binnenmarkt

Österreich ist wirtschaftlich eng mit allen Ländern des Westbalkans verbunden und zählt zu den größten Investoren: in Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien belegt Österreich sogar Platz 1 und in Serbien den 2. Platz. Die österreichischen Exporte in die EU-Beitrittskandidaten haben sich seit 2005 fast verdoppelt (siehe Grafik).  Die Aussichten auf einen EU-Beitritt sind treibende Kraft für wirtschaftliche Reformen und die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit. Als wichtiger Investor ist für die österreichische Wirtschaft der rechtsstaatliche Schutz dort tätiger Unternehmen von großer Bedeutung. 

Die Wirtschaftskammer Österreich setzt sich daher dafür ein, dass auf europäischer Ebene eine glaubwürdige Erweiterungsstrategie fortgesetzt und die führende Rolle der EU in der Westbalkan-Region beibehalten wird. Die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien sollen unverzüglich und ohne weitere Bedingungen eröffnet werden, da beide Länder die von der EU-Kommission festgelegten Voraussetzungen erfüllt haben. Ausführlichere Informationen finden Sie in unserem EU Top Thema: EU Erweiterung

Ansprechpartnerin: Franziska Annerl


Unternehmertum & Industriepolitik

EU-Japan-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen kurbelt Handel an

Europa Japan Flagge
© WKÖ EU Representation
Am 1. Februar 2020 jährte sich das Inkrafttreten des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens (WPA) zwischen der EU und Japan zum ersten Mal. Durch Handelsabkommen wie dieses kann die EU ihre Führungsrolle bei der Gestaltung globaler Regeln ausbauen.

Das WPA zwischen der EU und Japan bietet neue Möglichkeiten für EU-Unternehmen, nach Japan zu exportieren. Es beseitigt den größten Teil der Zölle sowie regulatorische Handelshemmnisse und schafft besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen in Japan. Zudem bekennen sich die EU und Japan ausdrücklich zum Pariser Klimaschutzübereinkommen und haben sich darauf verständigt, ambitionierte Standards für nachhaltige Entwicklung umsetzen zu wollen.

In den ersten zehn Monaten seit Umsetzung stiegen die EU-Exporte nach Japan um 6,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dies übertrifft das Wachstum der letzten drei Jahre, das durchschnittlich 4,7 Prozent betrug. Die japanischen Ausfuhren nach Europa stiegen um 6,3 Prozent. Das WPA ist ein wichtiges Signal für offene Märkte und einen fairen und regelbasierten Handel. Österreichische Unternehmen und ihre Beschäftigten erhalten einen verbesserten Zugang zum japanischen Markt − das ist gut für Wachstum, Jobs und Wohlstand.

Ansprechpartnerin: Sophie Windisch


Binnenmarkt

Verweise auf Vorteile eines Lebensmittels für die Gesundheit müssen wissenschaftlich abgesichert sein

Hinweise auf Verpackungen auf positive Auswirkungen eines Nährstoffs oder Lebensmittels auf die Gesundheit müssen laut Europäischem Gerichtshof wissenschaftlich belegt sein. Konkret geprüft wurde die Bewerbung eines Nahrungsergänzungsmittels mit der Angabe „…für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“ auf der Vorderseite der Verpackung.

In seinem Urteil C-524/18 bestätigt der EuGH, dass gemäß EU Verordnung jeder Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels auf die Gesundheit wissenschaftlich bewiesen und von einer speziellen gesundheitsbezogenen Angabe begleitet sein muss. Diese Anforderung sei nicht erfüllt, wenn die Vorderseite der Umverpackung lediglich den allgemeinen, unspezifischen Verweis enthält, während die spezielle gesundheitsbezogene Angabe nur auf der Rückseite erscheint und es keinen ausdrücklichen Hinweis auf einen Bezug zwischen den beiden Angaben gibt.  

Ansprechpartnerin: Claudia Golser

Steuerpolitik in der EU – Rechtssicherheit und bürokratische Erleichterungen schaffen

Die Kommission hat ihren Jahresbericht „Steuerpolitik in der EU: Umfrage 2020“ veröffentlicht. Dieser soll zeigen, wie die Steuersysteme der EU-Staaten bei der Bekämpfung von Steuermissbrauch, der Förderung nachhaltiger Investitionen bzw. der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie der Verringerung von Ungleichheiten abschneiden.

Laut Bericht ist die Besteuerung mehr als nur die Erzielung von Einnahmen, sie spielt ebenso eine zentrale Rolle bei der Gestaltung einer gerechteren Gesellschaft. Die richtige Steuerpolitik kann auch zur Unterstützung des grünen Übergangs beitragen. Der Bericht gibt auch einen Überblick über die jüngsten Steuerreformen auf EU- bzw. nationaler Ebene. Österreich beschloss beispielsweise, seine Steuerverwaltung als Reaktion auf Entwicklungen wie Digitalisierung und Globalisierung zu modernisieren und die Befolgungskosten durch die Einführung leichter verständlicher, standardisierter Dienste zu senken.

Die WKÖ unterstützt das Ziel der EU, einen fairen steuerlichen Rahmen zu gestalten. Wichtig ist dabei, dass bei neuen Maßnahmen die Kosten nicht den Nutzen übersteigen und administrative Vereinfachungen für Unternehmen sowie Rechtssicherheit geschaffen werden.

Ansprechpartnerin: Sophie Windisch

Evaluierung der Mehrwertsteuerregelung für Reisebüros – ist diese zweckmäßig?

Mit einem Fahrplan startet die Kommission ihre Evaluierung der Mehrwertsteuerregelung für Reisebüros. Dabei soll geprüft werden, ob die Regeln nach wie vor angemessen sind.

Im Rahmen der Überprüfung soll unter anderem beurteilt werden, ob und inwieweit die Sonderregelung für Reisebüros zweckmäßig ist: Erfüllt sie ihr Ziel, die Vorschriften für diesen Sektor zu vereinfachen und stellt sie sicher, dass die Mehrwertsteuer von dem EU-Land erhoben wird, in dem die Waren oder Dienstleistungen verbraucht werden? Zudem soll auch analysiert werden, inwieweit Wettbewerbsverzerrungen eine Rolle spielen. Rückmeldungen zum Fahrplan sind bis 3. März 2020 möglich. Im Anschluss soll eine breitere öffentliche Konsultation folgen.

Die WKÖ, die für einfache, unbürokratische sowie harmonisierte Regeln eintritt, wird sich in den Evaluierungsprozess einbringen. 

Ansprechpartnerin: Sophie Windisch


Innovation / Digitalisierung

EU-Budget: Österreichs Unternehmen profitieren von Schwerpunkten Forschung, Entwicklung und Innovationen

Die Verhandlungen über das nächste langjährige EU-Budget laufen: Ratspräsident Charles Michel trifft derzeit bilateral Europas Staats- bzw. Regierungschefs, um die Positionen auszuloten. Diese liegen teils sehr weit auseinander. Bis zum EU-Sondergipfel am 20. Februar soll mehr Klarheit herrschen.

Laut Kompromissvorschlag der finnischen EU-Ratspräsidentschaft sollen die EU-Staaten von 2021 bis 2027 1,07 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens zum Gemeinschaftshaushalt beitragen. Die Herausforderungen des nächsten EU-Haushalts liegen aus WKÖ-Sicht auf der Ausgaben- und nicht auf der Einnahmenseite: Die Ausgaben müssen verstärkt auf einen europäischen Mehrwert ausgerichtet werden. Bereiche mit dem höchsten europäischen Mehrwert sind aus WKÖ-Sicht insbesondere Forschung, Entwicklung und Innovation und grenzüberschreitende Initiativen wie die Connecting Europe Facility.

Unterstützung von F&E und Innovation ist der leistungsfähigste Hebel, mit dem die EU die Wettbewerbsfähigkeit und ihre Forschungs- und Innovationsleistung in Wissenschaft und Wirtschaft vorantreiben kann. Eine ausreichende Dotierung des EU-Forschungsrahmenprogramms Horizon Europe ist zentral: Wünschenswert wären hier zumindest 120 Milliarden Euro statt den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen 100 Milliarden. Ausführlichere Informationen finden Sie im EU Top Thema Finanzierung der EU

Ansprechpartnerin: Katja Schager


Kurz & bündig

Einfacher reisen durch neue Regeln für EU-Kurzaufenthaltsvisa

Seit 2. Februar gelten neue EU-Regeln für Kurzaufenthaltsvisa. Sie sollen den Millionen von Reisenden, die jedes Jahr die EU als Touristen oder Geschäftsreisende besuchen, die Beantragung eines Visums erleichtern. Mehrfachvisa mit langer Gültigkeit sind für Vielreisende in Zukunft einfacher zu erhalten. Die Visagebühr wird jedoch von 60 auf 80 Euro angehoben. Die EU-Visaregelungen decken Kurzaufenthaltsvisa für den gesamten Schengen-Raum ab. Derzeit müssen Bürger aus 105 Nicht-EU-Ländern dafür ein Visum beantragen.

Internationale Lösungen bei Besteuerung der digitalen Wirtschaft gesucht

Die internationale Gemeinschaft möchte bis Ende 2020 eine Lösung für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft finden.

Laut OECD-Erklärung des Inclusive Framework on BEPS, das über 130 Länder und Jurisdiktionen für Verhandlungen über internationale Steuervorschriften zusammenfasst, sollen die Arbeiten an dem „einheitlichen Ansatz“ weitergehen. Er umfasst zwei Säulen: Eine Säule behandelt die größeren Herausforderungen und die Verteilung der Besteuerungsrechte.

Die zweite Säule beschäftigt sich mit Maßnahmen zur Gewährleistung eines Mindestbesteuerungsniveaus. Die laufenden Arbeiten werden in einem neuen OECD-Steuerbericht beim nächsten Treffen der G20-Finanzminister und Zentralbankgouverneure am 22. und 23. Februar in Riad, Saudi-Arabien, vorgestellt. Um Wettbewerbsverzerrungen sowie Rechtsunsicherheit zu verhindern, sollten langfristige internationale Lösungen gefunden werden. 


EU-Agenda: Terminübersicht


Sitzung der Europäischen Kommission 

Voraussichtliche Themen der Sitzung am 11. Februar 2020:

  • Orientierungsdebatte zur europäischen Verteidigung

Europäisches Parlament - Ausgewählte Themen des Plenums der kommenden Woche

10. Februar 

  • Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter
  • Prioritäten der EU für die 64. Tagung der Kommission der Vereinten Nationen für die Rechtsstellung der Frau
  • KMU und bessere Rechtsetzung

11. Februar

  • Anschluss des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Sozialistischen Republik Vietnam
  • Investitionsschutzabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Sozialistischen Republik Vietnam andererseits

12. Februar

  • Illegaler Handel mit Heimtieren in der EU

Ausgewählte Fälle des Europäischen Gerichtshofes 

Mittwoch, 12. Februar: 

Mündliche Verhandlung vor dem Gerichtshof in der Rechtssache C‑264/19 Constantin Film Verleih gegen YouTube und Google 

Auskunftsanspruch gegen YouTube bei widerrechtlich hochgeladenen Filmen 

Für das Hochladen von Videos auf YouTube man sich registrieren, d.h. seinen Namen, eine E-Mail-Adresse und ein Geburtsdatum angeben. Außerdem muss man in die Speicherung von IP‑Adressen einwilligen. Ist das Video länger als 15 Minuten, muss man zudem eine Telefonnummer angeben.

Constantin Film Verleih verlangt von YouTube und deren Muttergesellschaft Google Auskunft über die E‑Mail-Adressen, die Telefonnummern und diejenigen IP-Adressen, die für das widerrechtliche Hochladen von zwei Filmen und für den letzten Zugriff auf die Nutzerkonten verwendet wurden. Der deutsche Bundesgerichtshof ersucht den EuGH in diesem Zusammenhang um Auslegung der Richtlinie 2004/48 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (siehe auch Pressemitteilung des BGH Nr. 19/2019). Am 12. Februar findet die mündliche Verhandlung vor dem EuGH statt. 
Weitere Informationen 

Donnerstag, 13. Februar: 

Mündliche Verhandlung vor dem Gerichtshof in der Rechtssache C‑287/19 DenizBank 

Missbrauchsrisiko bei kontaktlosem Zahlen ohne PIN-Code 

Der österreichische Verein für Konsumenteninformation beanstandet vor den österreichischen Gerichten verschiedene Klauseln in den Kundenrichtlinien der DenizBank. Diese sehen vor, dass der Kunde das Risiko eines Missbrauchs seiner Bankomatkarte zum Bezahlen von Beträgen von bis zu 25 Euro ohne Eingabe des PIN-Codes (NFC-Funktion) trägt und die Bank keine Erstattungspflicht trifft. Außerdem wird der Kunde darauf hingewiesen, dass eine Sperre für solche Kleinbetragszahlungen bei Abhandenkommen der Karte nicht möglich sei.

Ferner sehen die Kundenrichtlinien eine allgemeine Zustimmungsfiktion für Änderungen vor: Die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Kundenrichtlinien gilt als erteilt, wenn er nicht rechtzeitig widerspricht. Der mit dem Rechtsstreit in dritter Instanz befasste Oberste Gerichtshof hat dem EuGH in diesem Zusammenhang eine Reihe von Fragen zur Auslegung der Zahlungsdiensterichtlinie 2015/2366 vorgelegt. Am 13. Februar findet die mündliche Verhandlung vor dem EuGH statt. 
Weitere Informationen


Ausgewählte laufende Konsultationen 

Allgemeine und berufliche Bildung

Bankwesen und Finanzdienstleistungen

Landwirtschaft und ländliche Entwicklung

Transport & Verkehr

Umwelt, öffentliche Gesundheit

Wettbewerb




REDAKTION: 
Franziska Annerl, Franziska.Annerl@eu.austria.be, EU Representation der WKÖ

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