© Michael M. Vogl

Selbstverwirklichung fördert Qualität

Im Herzen der Salzburger Altstadt, in der Getreidegasse 30, betreibt Christina Roth im 1. Stock ihre Lederwaren-manufaktur. Sie hat als junge Selbstständige schon einen ­bunten beruflichen Karriereweg hinter sich gebracht.  

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Aktualisiert am 25.04.2024

Zwei Masterstudien in Wirtschaft und ein Job als Projektmanagerin beim Getränkehersteller Red Bull lagen vor der Entscheidung, ins Taschnerhandwerk zu wechseln. Chris Holzer spricht mit der ambitionierten gebürtigen Steirerin über Spirit und Sinngestaltung in der beruflichen Selbstständigkeit.

Wir führen das Interview in Ihrer Werkstatt. Man kann seinen Berufsweg schwer planen. Wie hat sich das bei Ihnen entwickelt?

Meine erste Karriere war geplant. Nach den beiden Studien habe ich in der Praxis gelernt und bin gewachsen. Ich konnte Erfahrungen im Ausland machen. Das alles kann ich nun in der Selbstständigkeit gut brauchen. Das Lederhandwerk habe ich durch Zufall entdeckt, habe aber sofort eine Liebe dafür entwickelt. Diese Profession betreibt in Österreich kaum noch jemand. Es wäre schade gewesen, das nicht weiterzuverfolgen. Ich bin mit Ende 20 noch einmal in die Berufsschule gegangen, habe die Gesellenprüfung nachgeholt und jetzt bin ich da. Ich glaube, dass New Work sein kann, „back to the roots“ zu gehen. Man merkt, dass viele Leute ein Bedürfnis haben, etwas mit ihren Händen zu tun. Einfache Arbeiten können sehr erfüllend sein. Ich nutze moderne digitale Kommunikationsformen, um den Menschen das Handwerk näherzubringen. Ich bin nun CFO (Finanzen), CMO (Marketing) und CEO (Firmenleitung) gleichzeitig und räume auch die Werkstatt auf.

In der Selbstständigkeit kann man die beste Umgebung für sein Potenzial schaffen.

Sie haben viel investiert für die Sinnqualität im Job?

Ich mache in Summe sehr viel von dem, was ich gerne mache. Es finden sich dabei die Menschen, die ein „Match“ für einen sind, ich kann auf Kundenwünsche eingehen.  Am Papier betrachtet, war der Umstieg vom Projektmanagement ins Taschnergewerbe erstmal ein Rückschritt. Ich habe in der Ausbildung nichts verdient und noch extra Geld in die Hand genommen. Aber Ledergalanteriewaren zu erzeugen ist ein Kulturgut, das nicht in Vergessenheit geraten darf, und es zu erhalten stiftet nachhaltig Sinn. Junge Menschen sollen sehen, dass erfolgreiche Karrieren nicht ausschließlich durch Uniabschlüsse zu erzielen sind. Was heutzutage Spaß macht, modern und digital unterwegs zu sein, kann man in jedem Beruf machen, auch in traditionellen Handwerksberufen. Gerade Frauen werden in Unternehmen, wenn es um das Thema Selbst- bzw.  Weiterverwirklichung geht, mitunter eingeschränkt und behindert.

In der Selbstständigkeit kann man die bestmögliche Umgebung für sein Potenzial und Spaß schaffen. Ich persönlich brauche zur Konzentration viel Ruhe, da sperre ich schon einmal die Türe zum Geschäft zu. Kurzfristig vielleicht nachteilig, aber langfristig erfolgreich. 

Ihnen gefällt Internationalität?

Ich bin zu Ledermeister Tsu-yoshi Yamashita gefahren, einem der drei besten auf der Welt. Ich konnte drei Wochen lang in seiner Werkstatt berührende Erfahrungen machen. Japaner haben die Achtung vor dem Tier, vor dem Mensch, vor der Natur verinnerlicht. In der Arbeit steckte viel Zen. Egal, wie stressig es war, um 13 Uhr wurde Pause gemacht, und es wurde Tee getrunken. Diese Erfahrungen, auch die Perfektion, alles in jedem Stich umzusetzen, fließen bei mir nun in die tägliche Arbeit ein. Wir nähen noch von Hand mit der traditionellen Sattlernaht. Diese Fähigkeit kann ich in Workshops vermitteln. Mit Partnern aus den Niederlanden und einer international angesehenen Lernplattform gestalte ich Online-Kurse für Lederhandwerk.