Mercosur
© BUTENCOW/STOCK.ADOBE:COM

Mercosur hat ein Imageproblem – zu unrecht

Freihandelsabkommen bringen zahlreiche Vorteile für Betriebe und Konsumenten. Aktuell wird das Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay kontrovers diskutiert. Die „Salzburger Wirtschaft“ hat darüber mit Marco Garcia, dem Wirtschaftsdelegierten von Argentinien, Paraguay und Uruguay gesprochen.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 18.10.2023


Welche Chancen bietet der Mercosur-Raum für Salzburger Unternehmen?

Der Mercosur ist ein Markt mit rund 260 Millionen Einwohnern – also ca. die Hälfte der heutigen EU. Lateinamerika ist, im Gegensatz zu Afrika oder Asien, durch die Sprache (nur Spanisch und Portugiesisch) ein extrem homogener Raum, der eine Marktbearbeitung viel leichter macht, als es in den anderen genannten Regionen der Fall ist. Der Mersocur ist zudem eine ressourcenreiche Region. Viele aktuelle Probleme, die wir durch den Klimawandel und den Ukraine-Russland-Krieg haben, könnten wir mit Mercosur lösen, denn es gibt hier viele Möglichkeiten für grünen Wasserstoff, Rohstoffe für den Bau (Holz) und potenzielle Fachkräfte mit einem starken Europabezug.

Warum wäre ein Mercosur-Handelsabkommen wichtig?

Mercosur ist mehr als nur ein Handelspakt, es ist ein Assoziierungsabkommen, dass den Grundgedenken der EU, durch Handel Frieden stiften, zum Ziel hat. Es geht nicht darum, Rohstoffe billigst für die europäische Industrie zu bekommen, sondern die Mercosur-Länder verstärkt in die europäische Wertschöpfungskette unter ökologisch und sozialen nachhaltigen Rahmenbedingungen einzubinden.  Wenn wir der Dominanz von China die Stirn bieten wollen, wenn wir nicht wollen, dass wirtschaftlich schwache Länder in die Arme von China getrieben werden, und dort Rohstoffe von China rücksichtslos abgebaut werden, muss es ein Anliegen sein, für ein Mercosur-Abkommen zu stimmen. Denn wenn wir dagegen sind, bleibt diesen Ländern nur die Alternative, mit China zusammenzuarbeiten. China ist heute schon präsent und gerne bereit, alle Rohstoffe, die sie dort bekommen, zu günstigsten Bedingungen abzubauen.

Marco Garcia ist Wirtschaftsdelegierter in Buenos Aires.
© WKO Marco Garcia ist Wirtschaftsdelegierter in Buenos Aires.

Wie erklärt sich das schlechte Image von Mercosur?

Nach der intensiven Phase der Globalisierung und der Erkenntnis, dass nicht alles Gold ist was glänzt, kommen wir jetzt in die Phase des wirtschaftlichen Cocooning, wo wir das Glück wieder bei uns zu Hause suchen. In diesem Zusammenhang gibt es viel Halbwissen, was sehr gefährlich ist. Halbwissen lässt sich schnell für Propagandathemen einspannen. Hier können viele Ängste geschürt werden. Patagonien (Argentinien + Chile) ist die beste Region der Welt durch die konstanten und kräftigen Winde, um Grünen Wasserstoff zu produzieren. Es wird kein einziger Bauer sterben, weil Agrarprodukte aus Mercosur in Österreich angeboten werden, ganz im Gegenteil, es wird die Gastronomie und den Einzelhandel bereichern und eine breitere Angebotspalette bieten. In einem Tourismusland wie Österreich ist das sehr wichtig.  Wenn man sich anschaut, wo Österreichs Wohlstand entsteht, dann sieht man, dass dies stark durch den Export gelingt. 2022 lag die Exportquote bei 60,8%. Das gelingt aber nur dann, wenn österreichischen Firmen durch Freihandelsabkommen der Weg in neue Märkte geebnet wird. Würden wir nur vom österreichischen Markt abhängig sein, würden wir bei weitem nicht unseren Lebensstandard halten können. Der Beitritt zur EU war auch nicht ganz schmerzfrei für Österreich, aber wir haben uns geöffnet und sind wettbewerbsfähiger geworden. Dank dem Verhandlungspotenzial der EU werden österreichischen Firmen neue Märkte geöffnet. Und beim EU-Mercosur-Assoziierungsabkommen wäre es dasselbe. Die EU hat dieses Abkommen sehr sensibel ausverhandelt.

Wie ist der aktuelle Status quo – wie geht es mit den Verhandlungen weiter?

Das Kernthema des Vertragswerkes - was Handel und Zoll betrifft - ist bereits fertig und könnte von allen Vertragspartnern sofort unterschrieben werden. Hier gibt es Einigkeit sowohl in der EU als auch bei den Mercosur-Staaten, die den Vertrag ehestmöglich unterzeichnen wollen. Es ist Europa mit Ländern wie Österreich, die Zusatzprotokolle aus dem Umweltschutz und aus dem sozialen Bereich einfordern und damit den Abschluss weiter verzögern. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist sehr bemüht, den Vertrag noch heuer unter Dach und Fach zu bringen. Der Lateinamerikatag am 18. September in der WKO Wien wird Mercosur speziell thematisieren und versuchen, das emotional aufgeladene Thema auf eine sachliche Ebene zu bringen. Wir würden uns über eine starke Beteiligung freuen.