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Nein zu Arbeitszeitverkürzung, ja zur Vollzeitarbeit!

Positionen der WKS zu Arbeitszeit und Arbeitsmarkt

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 29.09.2023

Inhalt

Arbeitsmarkt 2023: Arbeitskräftemangel auf allen Ebenen - und wie die Betriebe darauf reagieren

Der Arbeitskräftemangel ist zu einem durchgehenden Phänomen in der Wirtschaft geworden.

  • Noch nie gab es so viele offenen Stellen für reguläre Dienstverhältnisse in Österreich (2022: 206.500 oder +41,4%), ebenso in Salzburg: 2022: 11.808, +47% gegenüber 2021).  
  • Doch können viele dieser Stellen nicht besetzt werden, auch wenn nun einige Potenziale am Arbeitsmarkt (z. b. ältere Arbeitslose -34% in Salzburg, Langzeitarbeitslose -43%) so stark wie noch nie ausgeschöpft werden.  
  • Eine Untersuchung im Auftrag der WKÖ (Synthesis, WIFO) geht davon aus, dass sich die Situation ohne Gegensteuerung bis 2040 rapide verschlechtern wird: dann werden in der österreichischen Wirtschaft zusätzliche rund 363.000 Stellen nicht besetzt werden können, in Salzburg rund 25.000 Stellen.  
  • Der Verlust an Wertschöpfung wird laut Studie 9% an Wachstumspotenzial oder 50 Mrd. € betragen. 
  • Gleichzeitig entgehen dem Staat 150 Mrd. € an Steuereinnahmen, davon 66 Mrd. € an Sozialversicherungsbeiträgen. Schon jetzt aber wird durch den Trend zur Teilzeitarbeit die Finanzierung des Sozialsystems ausgehöhlt.

Massiver Trendwechsel am Arbeitsmarkt 

2022 erzielte Salzburg mit einer Arbeitslosenquote von 3,7 % Vollbeschäftigung (mit rund 275.000 unselbstständig Beschäftigten).

  • Gleichzeitig kam es zu einer entscheidenden Drehung am Arbeitsmarkt: Im Vorjahr wurden in Salzburg im Schnitt erstmals mehr offenen Stellen beim AMS gemeldet (11.808), als Arbeitslose vorgemerkt waren (10.231). Davon wären tatsächlich uneingeschränkt vermittelbar (d. h. ohne Gesundheitseinschränkungen) aber nur 4.910 gewesen. 
  • Der enorme Mangel an Arbeitskräften in Salzburg wird auch an der jüngsten AMS-Statistik für Salzburg deutlich. Die Zahl der offenen Stellen betrug Ende März 10.306. Von den 9.609 arbeitslos gemeldeten Personen haben 1.699 eine Einstellzusage. Somit stehen lediglich 7.910 arbeitslose Personen den 10.306 offenen Stellen gegenüber.  
  • Ähnlich stark geht auch die Schere in der Lehrlingsausbildung auf: 1.411 offenen Lehrstellen standen 2022 im Schnitt 259 sofort verfügbaren Lehrstellensuchenden gegenüber. Ein Lehrling kann in Salzburg somit aus fünf offenen Stellen auswählen. 
  • Wenig zur Lösung der massiven Lücke trägt die Rot-Weiß-Rot-Card bei: auch wenn eine Reform nun den Zugang erleichtert hat und sich die Zahl der RWR-Card-Zusagen 2022 gegenüber 2021 um 62% verbessert haben, wurden dennoch nur 471 positive Gutachten durch das AMS ausgestellt. Das sind knapp 4% der gemeldeten offenen Stellen. 


Fazit:  

  • Der Arbeitskräftemangel, ausgelöst durch demografische Verschiebungen und einen verstärkten Zug in die Tellzeitarbeit, wird immer mehr zum Wachstums- und Investitionshemmnis.
  • Wird die „größte Zukunftsfrage der Wirtschaft“ (WIFI-Chef Gabriel Felbermayr) nicht gelöst oder zumindest gemildert, drohen Wohlstandsverlust und ein Abbau der sozialen Sicherheit.
  • Alles, was die Beschäftigungssituation der Betriebe zusätzlich verschlechtert, ist zu beenden. Alles, was Beschäftigung fördert, ist verstärkt anzugehen.

Wie gehen die Betriebe intern mit der schwierigen Situation um? 

Die Betriebe in Salzburg versuchen laut einer aktuellen Umfrage der WKS (mit 1.072 Unternehmer:innen aus allen Sparten und Größenklassen) auf mehrfache Weise das Problem zu mildern:

  • Mehr als 80% reagieren mit einer Bezahlung über den KV-Sätzen bzw. mit Lohn- und Gehaltserhöhungen (Tourismus: 83,8%, Industrie 90%). 
  • Mehr als die Hälfte der Betriebe (52,1%) kommt dem Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten nach.  
  • Über 33% setzen auf den Ausbau von freiwilligen Sozialleistungen. 
  • Fast 30% sagen, dass die fehlenden Arbeitskräfte durch Überstunden ausgeglichen werden müssen. 
  • Fast 22% setzen auch auf die vermehrte Beschäftigung von Pensionist:innen
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© WKS

Nein zu weiterer Arbeitszeitverkürzung!

Die Debatte über eine verpflichtende 4-Tage-Woche (mit Arbeitszeitverkürzung bis zu 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich) ist ein Konzept aus der Vergangenheit, als zu viele Arbeitslose zu wenig offenen Stellen gegenüberstanden.

Heute ist die Situation aufgrund demografischer Verschiebungen genau umgekehrt — und sie muss vor der generellen Entwicklung des Arbeitsvolumens betrachtet werden!

Folgende Argumente sind zu berücksichtigen:

  • Schon jetzt sinkt in Österreich die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden, sei es durch den vermehrten Zugang in die Teilzeit oder durch Abbau von Überstunden, die viele Mitarbeiter:innen nicht mehr erbringen wollen. 
  • 2022 leistete jeder Erwerbstätige im Schnitt um rund 1,5 Stunden weniger als 2019 (Quelle: Statistik Austria, WKÖ). 
  • Das entspricht umgerechnet einem Verlust von 200.000 Arbeitskräften, mit ein Grund für die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften! 
  • Die Entwicklung hält seit längerem an: Seit 2010 bis 2021 ist die Dauer der tatsächlichen Arbeitszeit um 7% gesunken. 
  • Bei der durchschnittlichen Zahl an Arbeitsstunden pro Kopf liegt Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern lediglich auf Rang 16.  

Gleichzeitig sinkt die Produktivität, bzw. wächst nur mehr unterdurchschnittlich im Vergleich zu anderen EU-Ländern. Österreich verliert den Anschluss an die anderen EU-Länder:

  • Zwischen 2010 und 2023 wuchs die Arbeitsproduktivität in der EU im Schnitt um 9,1%, in Österreich nur mehr um 2,4%. 
  • Österreich ist damit Schlusslicht unter den Ländern mit einer noch positiven Produktivitätsentwicklung. 
  • Ebenso wächst die Erwerbsbevölkerung nicht mehr so stark wie im EU-Schnitt: In der EU nahm die Teilnahme am Arbeitsmarkt zwischen 2010 und 2021 um 3,8% zu. Österreichs Erwerbsbevölkerung (der Teil der Bevölkerung, der tatsächlich einer Beschäftigung nachgeht), wuchs nur mehr um 0,9%.  

Damit ist schon jetzt Österreichs Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr,  

  • weil die Produktivität trotz gestiegener Beschäftigung sinkt, 
  • weil aus verschiedenen Gründen (mehr Teilzeit, mehr Work-Life-Balance, fehlende Reformen in der Arbeitsmarktpolitik) nicht genügend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, 
  • und weil daher weitere Expansionsschritte in der Wirtschaft eher unterbleiben werden, sollte sich die Situation nicht verbessern.  

Vor diesem Hintergrund wäre eine verpflichtende 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich mehrfach kontraproduktiv: 

  • Der Faktor Arbeit, ohnedies schon enorm mit Steuern und Sozialabgaben belastet, würde sich rapide verteuern —  ein Personalabbau wäre eher die Konsequenz als die weitgehend unbelegte Behauptung, die Produktivität werde sich bei „weniger arbeiten“ quasi automatisch erhöhen. 
  • Eine Reduktion der Arbeitszeit mit Lohnausgleich kommt einer Stundenlohnerhöhung gleich und somit auch einer Erhöhung der Lohnstückkosten — die Wettbewerbsposition Österreichs würde verschlechtert, gleichzeitig die Inflation befeuert.  
  • Eine lineare Verteilung der Arbeit auf mehrere Köpfe funktioniert nicht, da schon jetzt Arbeitskräfte fehlen. Auch lassen sich bestimmte Arbeitsformen nicht einfach teilen. Der Arbeitskräftemangel würde sich somit noch verstärken. 


Fazit:
Eine Arbeitszeitverkürzung löst kein Problem, sondern schafft neue, gravierende Defizite. Sie ist ein „Job-Killer“ und bewirkt das Gegenteil von dem, was behauptet wird. 


WKS - Forderung: Keine verpflichtende Arbeitszeitverkürzung!

Im Einvernehmen mit den Salzburger Unternehmer:innen lehnt die WKS alle Schritte zu einer weiteren generellen Arbeitszeitverkürzung entschieden ab!

Es kann und darf keine Verpflichtung dazu geben. Wenn Unternehmen diese im Einvernehmen mit den Mitarbeiter:innen einführen wollen, obliegt dies dem Unternehmen – es darf aber kein verpflichtendes Korsett für alle geben! 

Unternehmer:innen lehnen Arbeitszeitverkürzung ab

Die Meinung der Unternehmer:innen dazu ist laut der zitierten neuen Umfrage der WKS jedenfalls eindeutig:

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© WKS
  • Eine beeindruckende Mehrheit von 90,8% Unternehmen spricht sich gegen einen Rechtsanspruch auf eine 4-Tage-Woche mit Arbeitszeitverkürzung und vollem Lohnausgleich aus.
  • Während von Arbeiterkammer und ÖGB immer wieder Gründe für die 4-Tage-Woche genannt werden und diese als attraktive Beschäftigungsform ins Treffen geführt wird, ist sie als verpflichtendes Modell in der Realität der Unternehmen weder gewünscht noch umsetzbar. 

Kein Verständnis für Arbeitszeitverkürzung bei Unternehmen in Salzburg

Im Gegenteil: Die Teilnehmer:innen an der Umfrage konnten auch zusätzlich ihre Meinung äußern. Aus den rund 100 Ergänzungen geht klar eine Ablehnung hervor.

  • „Bei Einführung der 4-Tagewoche schließen wir unser Unternehmen.“
  • „In einem Unternehmen mit wenig Mitarbeitern, bei welchem man eine Servicebereitschaft für Kunden hat, ist das nicht möglich. Wir schwitzen schon jetzt, wenn eine Person in Urlaub geht oder krankheitsbedingt ausfällt.“
  • „In der aktuellen Situation fehlt mir jegliches Verständnis für die Diskussion um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. In Zeiten geburtenschwacher Jahrgänge, längerer zu erwartender Lebenszeit ist die einzige Antwort mehr bzw. länger zu arbeiten.“
  • „Lohnnebenkosten sind viel zu hoch, um weitere Mitarbeiter zur Umsetzung der 4-Tage-Woche einzustellen. Arbeitskräftemangel macht dies noch schwieriger!“
  • „Lohnnebenkosten reduzieren! Leistung belohnen! Anreize schaffen. Momentan geht`s in die Gegenrichtung.“
  • „Mit den Forderungen der Gewerkschaft fährt die österreichische Wirtschaft gegen die Wand. Die Inflation in Österreich wird massiv befeuert, und die Wettbewerbsfähigkeit zum Ausland ist nicht mehr gegeben. Der Export wird damit ebenfalls massiv einbrechen!“