Industrietag bei Senoplast.
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Industrie fordert: Energiepreiskrise bewältigen, Anreize zur Mehrarbeit setzen!

„Wir werden die schwierige Situation meistern. Dazu braucht es mehr denn je die richtigen Rahmenbedingungen. Doch geht hier leider nur wenig weiter, insbesondere auf EU-Ebene. Die Politik muss in die Gänge kommen!“. Diesen Appell richtet Dr. Peter Unterkofler, Obmann der Sparte Industrie in der WKS und IV-Präsident Salzburgs, an die politischen Kräfte.  

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Aktualisiert am 19.09.2023

Salzburgs Industrie sieht sich einer höchst ambivalenten Lage ausgeliefert. Das erste Halbjahr 2022 stand auch für die Salzburger Industrie noch im Zeichen eines Aufschwungs. Dieser ist jedoch ab der zweiten Jahreshälfte rapide eingebrochen. „Die Salzburger Industrie rutscht derzeit immer mehr in eine Rezession“, fasst Peter Unterkofler die Situation zusammen.

So rechnet das WIFO für 2023 mit einer Rezession in der Industrie bzw. mit einem Rückgang der industriellen Wertschöpfung um 2%. Das bestätigt indirekt auch das jüngste IV-Konjunkturbarometer für Österreichs Industrie: Nur noch jedes 20. Industrieunternehmen rechnet für das nächste Halbjahr mit einem günstigen Geschäftsverlauf, jedes zweite aber mit einer erheblichen Verschlechterung. Rund 20% gegen auch davon aus, dass sie ihren Beschäftigtenstand nicht halten können. Ähnlich sind die Verhältnisse auch in Salzburg gelagert. Schon seit einiger Zeit ist auch in Salzburg ein Rückgang in den Auftragseingängen zu sehen. Erste Unternehmen aus dem produzierenden Sektor haben bereits Kurzarbeit angemeldet.


Mehrfachkrise fordert Industriebetriebe wie noch nie

Ursache für die konjunkturelle Abwärtsbewegung sind die Verwerfungen aus einem Zusammentreffen von Pandemiefolgen, Ukraine-Krieg, Inflation, explodierenden Energiekosten und Mitarbeitermangel. „Die Mehrfachkrise geht schon bald an die Substanz der Unternehmen“, warnt der Industrie-Spartenobmann. 2023 werde eine sehr schwierige Phase für die Industrie.

Vor diesem Hintergrund trafen sich am Dienstag, 15. 11., die Spitzenvertreter:innen der Salzburger Industrie zum traditionellen „Industrietag“ der Sparte Industrie, diesmal bei Senoplast in Piesendorf im Pinzgau. 

„Ohne Unterstützung durch bessere Rahmenbedingungen und wirksamere Maßnahmen droht eine Kernschmelze im industriellen Mittelstand Salzburgs und Österreichs. Eine schleichende De-Industrialisierung als schwerwiegendste Konsequenz der multiplen Krisenlage würde Wohlstandsverluste für alle bedeuten“, macht Dr. Unterkofler auf die Folgen aufmerksam, wenn nicht gegengesteuert wird.

Spartenobmann Dr. Peter Unterkofler
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„Es droht eine schleichende Deindustrialisierung in Österreich.“

Für einen einheitlichen Energie-Binnenmarkt

Vor allem die Energiefrage stellt die Industrie vor enorme Probleme. Hier müsse auf mehreren Ebenen das mittlerweile „dysfunktionale System“ der Strompreisbildung repariert werden, zumal auch auf längere Sicht eher nicht mit billiger Energie zu rechnen ist. Was allerdings zu enormen Wettbewerbsverzerrungen führt, sind nicht nur die niedrigen Energiepreise außerhalb der EU. Auch innerhalb der EU ergeben sich unterschiedliche Strompreise, da mittlerweile die einzelnen EU-Länder jeweils auf eigene Lösungen setzen. „Mehr denn je brauchen wir einen einheitlichen Energie-Binnenmarkt“, ist Unterkofler überzeugt, „denn so wie es aussieht, hat Österreich immer den höchsten Preis.“   

Industrie braucht wettbewerbsfähige Energiepreise

Die Forderungen der Industrie zielen auf eine neue Marktordnung im Energiebereich.

  • Notwendig ist eine vorübergehende Entkopplung der Strompreisbildung von den Gaspreisen durch Einführung eines Preisdeckels für jenes Gas, das zur Verstromung benötigt wird, etwa nach dem spanischen Modell, bei dem den Stromerzeugern die Differenz zwischen Preisdeckel und Marktpreis bei Gas abgegolten wird. Trotz dringender Forderungen einiger Mitgliedstaaten sowie auch der WKÖ enthält der jüngste Vorschlag der EU-Kommission wieder keinen direkten Ansatz zur Entkoppelung von Strom- und Gaspreis.
  • Sollte jedoch Deutschland sein anders geartetes Modell eines Gaspreisdeckels einführen, der auch die Wirtschaft miteinbezieht, muss Österreich mitziehen, da es sonst zu enormen Wettbewerbsverzerrungen zum Schaden des Wirtschaftsstandortes Österreichs führt.
  • Eine Reparatur des Energiekostenzuschusses ist notwendig: Die Verkürzung des Antragszeitraums auf acht Monate, sowie die Einschränkung auf nur einen Teil des tatsächlichen Energieverbrauchs sind im Wettbewerb mit unseren europäischen Nachbarn gravierende Nachteile. Die Bedingung eines negativen Betriebsergebnisses in den höheren Förderstufen bedeutet zudem, dass vielfach die Förderungen erst dann ankommen, wenn es zu spät ist. Die Geltungsdauer des Energiekostenzuschusses muss weiters über 2022 hinaus verlängert werden.
  • Weitere Instrumente wie die Strompreiskompensation oder die Förderung der Gasdiversifizierung sind nicht endgültig umgesetzt.

„Es ist klar, dass wir in der EU auf Dauer nicht mit Subventionen alles abfedern können. Es braucht daher ein neues Marktdesign mit wettbewerbsfähigen Energiepreisen“, tritt Unterkofler für eine grundsätzliche Lösung ein. Dies umfasst auch massive Investitionen in erneuerbar Energie, eine Ertüchtigung der Leitungssysteme, einen Ausbau der Energiespeicherung und eine Beschleunigung der dazu notwendigen Verfahren. Peter Unterkofler: „Es braucht einen Vorrang des Klimaschutzes vor den zahlreichen Einsprüchen etwa aus Naturschutzgründen!“

LH Haslauer
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„Das Land wird Betriebe beim Strompreis entlasten!“


Leistung muss sich lohnen

Ein mindestens so wohlstandsgefährdendes Problem wie die Energiekosten ist die derzeitige Lage am Arbeitsmarkt. „Der Fach- und Arbeitskräftemangel spitzt sich immer mehr zu und wird als gläserne Decke die zukünftige Entwicklung des Landes massiv behindern, es sei denn, die Politik macht endlich ihre Hausaufgaben.“ Die neue Rot-Weiß-Rot-Card sei zwar hilfreich, decke aber nur einen kleinen Teil des Mangels ab. Ebenso ist eine Reform der Arbeitslosenversicherung wünschenswert, diese müsse aber die richtigen Anreize für eine Arbeitsaufnahme setzen, nicht das Arbeitslosengeld noch weiter erhöhen.

In der demografischen Problemlage der nächsten Jahre müssen jetzt vielmehr alle möglichen Potenziale gehoben werden. „Und es müssen Anreize für eine freiwillige Mehrleistung gesetzt werden. Mit sinkender Produktivität und dem Trend zur 30-Stundenwoche werden wir weder den Wohlstand halten noch die schweren Krisen bewältigen, in denen wir stecken!“, betont der Salzburger Industrieobmann. Die wichtigsten Vorschläge der Industrie: 

  • Steuerfreistellung von 20 Überstunden – wer mehr leistet, soll auch belohnt werden!
  • Länger arbeiten muss sich lohnen — für einen Leistungsbonus im Alter: Entfall der Pensionsversicherungsbeiträge für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen beim Arbeiten nach Erreichen der Regelpensionsalters, sowie die Halbierung der steuerlichen Bemessungsgrundlage.
  • Dem Trend zu Teilzeit gegensteuern durch Attraktivierung der Vollarbeitszeit: Einführung eines steuerlichen Freibetrags bei Vollzeitarbeit.

Ebenso tritt Unterkofler für eine qualifizierte Zuwanderung, bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten und für eine neue gesellschaftliche Debatte zur Wertigkeit von Leistung ein: „Wir dürfen die leistungsbereiten Menschen nicht steuerlich bestrafen und wir müssen Anreize für mehr Arbeiten setzen. Die Krise verschwindet nicht durch mehr Work-Life-Balance.“

Badelt
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„Wir denken nur über Kurzfristprobleme nach und sehen die Langzeitfolgen zu wenig!“



Sorge um Staatsfinanzen und Wettbewerbsfähigkeit

„Die Wirtschaft schaltet auf einen niedrigeren Gang zurück“, erklärte der frühere WIFO-Chef und nunmehrige Vorsitzende des Fiskalrates, Christoph Badelt, in seiner Keynote. „2023 ist daher mit einer Stagnation zu rechnen, in der Industrie mit einer Rezession, aber nicht mit einer Rezession in der Gesamtwirtschaft“, lautet die Prognose Badelts. Doch sei die Unsicherheit bei Prognosen derzeit so hoch wie noch nie. Faktoren, die alles ändern könnten, seien der weitere Verlauf des Ukraine-Krieges und der Corona-Pandemie, vor allem aber die Versorgungslage bei Energie.

Dennoch führe das Ranking der wichtigsten Hindernisse in der Wirtschaft nicht die Energiefrage an, sondern der Mangel an Arbeitskräften. 25% der Betriebe sind dadurch eingeschränkt. 20% beklagen nach wie vor Probleme in der Lieferkette und beim Materialbezug, und 15% leiden unter der mangelnden Nachfrage.

Sorge bereitet dem Präsidenten des Fiskalrates die mittelfristige Budgetentwicklung. Er sehe zu wenig Ansätze für eine nachhaltige Stabilisierung der öffentlichen Haushalte. Zwar habe man die kalte Progression teilweise abgeschafft, gleichzeitig habe man aber auch die Dynamisierung der Sozialleistungen beschlossen – und das ohne Gegenfinanzierung. Ebenso gelte es, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu sichern, besonders im Hinblick auf die Energieversorgung. Badelt: „Wenn hier nichts geschieht, ist bald ein wesentlicher Teil der Wirtschaft dahin!“

„Können uns anpassen — mit Hilfe der Politik“

Trotz vielfacher Problemlagen ist der Obmann der Sparte Industrie der WKS zuversichtlich. „Wir haben starke, gesunde Industriebetriebe, die auch in den vergangenen beiden Jahren hohe Widerstandskraft gezeigt haben. Die Industrie ist zudem der Hauptakteur im Bereich Forschung und Entwicklung. Wir können und werden uns an die neuen Gegebenheiten anpassen — doch das wird nicht ohne Hilfe einer neuen Standortpolitik gehen!“, ist Unterkofler überzeugt.

2023 könne daher nur dann ein Jahr des Aufschwungs werden, wenn Österreich seine standortpolitischen Defizite beseitigt, die Energiefrage im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft klärt und Fortschritte bei Produktivität und Fachkräfte-Aktivierung erzielt. Peter Unterkofler: „Die Politik muss jetzt den Fokus auf die wirtschaftliche Gesundung und die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes legen. Dann können wie es schaffen.“

Die Salzburger Industrie in Zahlen:

  • 6,9 Mrd. Euro abgesetzte Produktion (2021)
  • 64 % Exportintensität (2021)
  • 6,0 % Investitionsquote (2021)
  • 300 Mill. € F&E-Ausgaben (2019)
  • 58.400 unselbständig Beschäftigte inkl. servoindustrieller Sektor (ÖNACE B – F, 2021)
  • 695 Lehrlinge (9,5 % der Salzburger Lehrlinge, 2021)
  • 416 aktive Fachgruppenmitglieder (2021)
Bildergalerie: Industrietag 2022