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WKÖ-Analyse: Neue Liste der kritischen Rohstoffe der EU und Implikationen für die Wirtschaft

September 2017: Publikation der Stabsabteilung Wirtschaftspolitik

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 19.03.2024

Für alle Stufen der physischen Produktion und der nachgelagerten Dienstleistungen ist ein verlässlicher und freier Zugang zu Rohstoffen notwendig und unerlässlich, um den Lebensstandard zu halten bzw. ausbauen zu können.

Als kritische Rohstoffe werden jene Rohstoffe bezeichnet, welche von hoher ökonomischer Bedeutung sind, bei welchen jedoch kein freier und fairer Zugang zu Rohstoffen auf dem Weltmarkt sowie keine dauerhafte Versorgung aus Rohstoffquellen innerhalb Europas gegeben ist. Verschärfend können darüber hinaus geringe Substitutionsmöglichkeiten und geringe Recyclingmöglichkeiten wirken.

Die von der Europäischen Kommission überarbeitete Liste der kritischen Rohstoffe zeigt eine größere Anzahl an kritischen Rohstoffen als noch 2014.


Welche Rohstoffe sind aus Sicht der Europäischen Kommission kritisch?  

Die Liste der kritischen Rohstoffe der EU enthält nicht-energetische und nicht-landwirtschaftliche kritische Rohstoffe. Die Einstufung der Rohstoffe erfolgt primär über die wirtschaftliche Bedeutung des Rohstoffes und über das bewertete Versorgungsrisiko.

Die neue Liste der kritischen Rohstoffe für die EU enthält (nach 14 kritischen Rohstoffen im Jahr 2011 und 20 kritischen Rohstoffen im Jahr 2014) nun 27 kritische Rohstoffe: 

Antimon, Baryt*, Beryllium, Wismut*, Borate, Kobalt, Kokskohle, Flussspat, Gallium, Germanium, Hafnium*, Helium*, Indium, Magnesium, Natürlicher Graphit, Kautschuk*, Niob, Phosphatgestein, Phosphor*, Scandium*, metallisches Silicium, Tantal*, Wolfram, Vanadium*, Platin Gruppen Metalle, Schwere Seltene Erden, Leichte Seltene Erden 

(Die unterstrichenen mit * markierten Rohstoffe sind neu im Vergleich zum Assessment 2014.)


9 NEUE kritische Rohstoffe auf EU Liste. 27 sind es insgesamt


Durch technologischen Fortschritt, der unter anderem auf besseren Materialien beruht, werden immer mehr unterschiedliche Rohstoffe eingesetzt. Viele dieser heutzutage eingesetzten Rohstoffe, die nun von der EU-Kommission als kritisch eingestuft wurden, kommen in Österreich nicht in derzeit konkurrenzfähig abbauwürdigen Mengen und Konzentrationen vor (Ausnahme, Wolfram, Grafit).

Einige der legierungsfähigen kritischen Rohstoffe können aufgrund der hohen
Anzahl der Legierungen mit geringen Massenanteilen derzeit noch nicht sortenrein zurückgewonnen werden und gehen daher für das weitere Recycling verloren.

Aus diesen Gründen ist es wesentlich, in Österreich das Recycling, bei welchem Österreich schon jetzt vielfach eine der führenden Rollen in Europa innehat, weiter auszubauen.

Bisher nur Gold und Erdöl politisch wichtig

In der Vergangenheit wurden fast ausschließlich nur die „großen“ Rohstoffe wie Gold und Erdöl politisch wahrgenommen. In den entwickelten Ländern äußert sich die politische Relevanz der kritischen Rohstoffe dahingehend, dass, trotz teilweise verfügbarer Lagerstätten, der Abbau in anderen Staaten - oft vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern - mit geringen Umwelt- und Sozialstandards erfolgt.

Dies führte zu länderspezifischen Mono- bzw. Oligopol-Stellungen bei der primären Produktion verschiedenster Rohstoffe. Die politische Instabilität einiger dieser Länder und die Einführung restriktiver Handelspolitiken (wie Exportquoten, Exportzölle oder double pricing) sowie Spekulationen führen oft zu Versorgungsengpässen und starken Preisschwankungen.

Aus diesem Grund wurde 2011 von der europäischen Kommission eine Liste an nicht-energetischen und nicht-landwirtschaftlichen kritischen Rohstoffen erarbeitet, welche 2014 erstmals überarbeitet wurde und 2017 einer erneuten Überarbeitung unterzogen wurde.

Die Methodologie wurde bei der Überarbeitung 2017 verbessert, Vergleichbarkeit ist aber weiterhin gegeben: Wirtschaftliche Bedeutung und Versorgungsrisiko sind weiterhin die zwei Hauptparameter. Verbesserungen gab es im Bereich Außenhandel (Importabhängigkeit und Exportrestriktionen bei der Berechnung des Versorgungsrisikos). Substitution wird nun sowohl bei der wirtschaftlichen Bedeutung als auch dem Versorgungsrisiko berücksichtigt. Neu ist darüber hinaus die detaillierte Berücksichtigung von Verwendungen der Rohstoffe in industriellen Anwendungen bei der Berechnung der wirtschaftlichen Bedeutung. 

Liste der kritischen Rohstoffe für die EU 2017 anhand der wirtschaftlichen Bedeutung und des Versorgungsrisikos

Liste der kritischen Rohstoffe für die EU 2017 anhand der wirtschaftlichen Bedeutung und des Versorgungsrisikos
© WKÖ

Chrom, Kokskohle und Magnesit sind nach dem Assessment 2017 nicht mehr
kritisch. Da Kokskohle (in der Grafik gelb dargestellt) jedoch nach der Auswertung der Daten sehr nahe an der Grenze zum Schwellenwert für die wirtschaftliche Bedeutung steht, wird sie vorerst weiter in der Liste genannt. Wenn sie bei der nächsten Überarbeitung (2020) die Kriterien wieder nicht erfüllt, wird sie jedoch auch aus der Liste gestrichen.

All diese Stoffe haben unterschiedliche spezifische physikalische und chemische Eigenschaften und sind daher oft schwer bis kaum in Produkten und Prozessen zu ersetzen. Weiters unterscheiden sich die Stoffe in der Art des Vorkommens in der Erdkruste und in den Stoffflüssen. Der jeweilige Stofffluss determiniert die weitere Möglichkeit der Rezyklierfähigkeit. 

Kritische Rohstoffe werden primär in der Stahl- und Nichteisenmetallindustrie, Glas- und keramischen Industrie, chemischen Industrie sowie in der nachgelagerten  Anlagenbau-, Elektro- und Maschinenbauindustrie benötigt. Letztere sind auch im Bereich der „green technologies“ (z.B. Windräder, Photovoltaik und Elektroautos) von kritischen Rohstoffen abhängig. In weiterer Folge sind aber auch Dienst-
leistungssektoren und der private Konsum von Rohstoffen abhängig. 

Nach dem Wortlaut der Mitteilung der EU-Kommission soll die Liste der kritischen Rohstoffe Anreize schaffen für die Produktion der genannten Metalle durch Recycling und, wenn nötig, durch neue Bergbauaktivitäten.

Die Liste wird von der EU-Kommission als Unterstützung bei der Verhandlung von Handelsabkommen, für Verhandlungen über Handelsbarrieren, für die Festlegung von Forschungs- & Entwicklungsförderungen sowie für die Umsetzung der 2030 Sustainable Development Agenda der UN angesehen. Weiters wird die effiziente Verwendung und das Recycling der kritischen Rohstoffe im Aktionsplan des Kreislaufwirtschaftspaktes der EU weiter forciert.


Die kritischen Rohstoffe sind schwer bis kaum in Produkten und Prozessen zu ersetzen.




Industrie, aber auch Dienstleistungen und privater Konsum sind von Rohstoff-Versorgung abhängig.



Wesentlich ist die Aussage, dass auch Rohstoffe, die derzeit nicht auf dieser Liste aufscheinen, wichtig für die EU sind, da sie am Beginn der Wertschöpfungskette stehen. Die Verfügbarkeit kann sich durch Handelsströme und Entwicklungen in der Handelspolitik sowie auf Grund von geopolitischen Unsicherheiten schnell ändern. Daher ist die Diversifikation der Versorgungskanäle sowie die Erhöhung der Recyclingraten für alle Rohstoffe wichtig.

Die Mitteilung wird nun an das Europäische Parlament und den Rat gesendet, die in den nächsten Monaten die Möglichkeit haben, darauf formell Stellung zu nehmen. 

Fazit

Physische Rohstoffe sind die Basis für die Produktion und in weiterer Folge für den Konsum. Die zunehmende Kritikalität einzelner Rohstoffe beeinflusst jetzt und in Zukunft immer mehr den Lebensstandard wie auch die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Wirtschaftsräume.