SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz

Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 28.2.2024

Lesedauer: 8 Minuten

Aktualisiert am 28.02.2024

Inhaltsübersicht

  • EU-Richtlinie bringt arbeitsrechtliche Änderungen
  • Was tun, um die Ukrainer besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren?
  • Gesundheit: Erhebliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen
  • Kaum Jugendarmut in Österreich
  • ORF - Eco zu Rekord-Krankenständen
  • Zitat

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ums Arbeitsrecht war es zuletzt eher still. Die Umsetzung der Richtlinie über transparente Arbeitsbedingungen, die der Nationalrat am 28.2. beschlossen hat, bringt nun einige Änderungen. Diese greifen zwar nicht sehr in die betriebliche Praxis ein, aber: In Verbindung mit der EU-Richtlinie zu Lieferketten und demnächst der Lohntransparenz-Richtlinie muss man feststellen: Vom Plan der Europäischen Kommission, die Bürokratie abzubauen, ist (noch) nichts zu spüren, im Gegenteil.

Wenig zu spüren sind auch Fortschritte bei der Erwerbsintegration der Vertriebenen aus der Ukraine. Dabei sind die Hürden und die Lösungen bekannt.

Weniger bekannt sind die Unterschiede zwischen Frau und Mann, was Erkrankungsrisken und -verläufe betrifft. Diese sollte man künftig viel stärker berücksichtigen.

Und ein EU-Vergleich zeigt wieder einmal: Es gibt kaum Jugendarmut in Österreich.

Alles Gute!

Rolf Gleißner



EU-Richtlinie bringt arbeitsrechtliche Änderungen

Nach längerer „Flaute“ im Arbeitsrecht bringt die Umsetzung der Richtlinie über transparente Arbeitsbedingungen Neuerungen bei Dienstzetteln, Nebenbeschäftigungen, in der Weiterbildung und bei der Begründung von Kündigungen. 

Am 28.2. hat der Nationalrat das entsprechende Gesetzespaket beschlossen, das voraussichtlich Mitte/Ende März 2024 in Kraft treten wird. Die Umsetzung entspricht weitgehend der EU-Vorgabe. Eine gravierende, aber zwingende Folge aus der EU-Richtlinie ist eine Verwaltungsstrafe, die Arbeitgebern künftig droht, die weder einen schriftlichen Arbeitsvertrag noch einen Dienstzettel ausstellen. Die Strafdrohung gilt aber nur für Arbeitsverhältnisse, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes neu abgeschlossen werden. Sie unterliegt keiner Kumulation und kann durch (nachträgliche) Ausstellung abgewendet werden.

Dienstzettel enthält mehr Informationen 

Im Detail muss der Dienstzettel für echte Arbeitsverhältnisse künftig zusätzlich noch folgende Informationen aufweisen (§ 2 Abs 2 AVRAG):

  • Hinweis auf das einzuhaltende Kündigungsverfahren,*
  • Sitz des Unternehmens,
  • kurze Beschreibung der zu erbringenden Arbeitsleistung,
  • gegebenenfalls die Vergütung von Überstunden und jedenfalls Art der Auszahlung des Entgelts,*
  • gegebenenfalls Angaben zu Bedingungen für die Änderung von Schichtplänen,*
  • Name und Anschrift des Sozialversicherungsträgers,
  • Dauer und Bedingungen einer vereinbarten Probezeit,*
  • Gegebenenfalls den Anspruch auf eine vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung.*

Bei den mit * gekennzeichneten Angaben genügt ein Verweis auf das Gesetz, den Kollektivvertrag oder betriebsübliche Reiserichtlinien. 

Das Muster für einen Dienstzettel finden Sie auf wko.at.* 

In zwei Fällen kann eine Nebenbeschäftigung untersagt werden, nämlich wenn sie mit Arbeitszeitbestimmungen unvereinbar ist und wenn sie der Tätigkeit im bestehenden Arbeitsverhältnis abträglich ist.

Arbeitgeber muss zwingende Bildungsmaßnahmen finanzieren 

Neu ist die explizite Regelung, dass Aus-, Fort- und Weiterbildung vom Arbeitgeber zu bezahlen ist und Arbeitszeit darstellt. Das aber nur, wenn die Bildungsmaßnahme Voraussetzung für die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist – auf Grund von Gesetz, Verordnung, Norm der kollektiven Rechtsgestaltung oder Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber muss aber keineswegs eine Ausbildung vor Beginn des Arbeitsverhältnisses finanzieren und auch dann nicht, wenn die Kosten von Dritten übernommen werden (zB vom AMS). Schon bisher galt, dass die berufliche Fortbildung dann Arbeitszeit darstellt, wenn sie vom Arbeitgeber vorgeschrieben wird. Auch dann, wenn sie außerhalb des Arbeitsortes zB in den Räumlichkeiten des Fortbildungsdienstleisters stattfindet.

Ein Arbeitnehmer, der die obigen Rechte (Aushändigung eines Dienstzettels, Nebenbeschäftigung oder Aus-, Fort und Weiterbildung) geltend macht, darf als Reaktion darauf weder gekündigt, entlassen noch auf andere Weise benachteiligt werden. Wird ein Arbeitnehmer wegen Geltendmachung der obigen Rechte gekündigt, kann er die Kündigung bei Gericht anfechten. Es gilt ein Motivkündigungsschutz (105 Abs 5 ArbVG). In diesen Fällen muss der Arbeitgeber – wenn der Arbeitnehmer es schriftlich verlangt -  die Kündigung schriftlich begründen. Tut er dies nicht, bleibt die Kündigung dennoch wirksam. Das Ziel dieser Regelung ist, dass der Arbeitnehmer das Risiko einer potenziellen Anfechtungsklage besser einschätzen kann.

 

Quelle: Initiativantrag vom 31.1.2024
Allgemeines bürgerliche Gesetzbuch, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz u.a., Änderung (3871/A) | Parlament Österreich


von Dr. Ingomar Stupar


Was tun, um die Ukrainer besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren?

Die Integration der Ukrainer in den heimischen Arbeitsmarkt verläuft nach wie vor zögerlich. Das zeigt eine aktuelle Sonderauswertung des Arbeitsministeriums. Obwohl die Hürden klar sind, lassen Lösungen auf sich warten.

Derzeit halten sich ca. 80.000 Ukrainer in Österreich auf, davon rund 50.000 im erwerbsfähigen Alter. Von diesen 50.000 sind aber nur 12.000 in Beschäftigung und 5.000 beim AMS gemeldet. Seit Sommer 2023 gibt es keinen Fortschritt (s Diagramm)! Abgesehen von einer kleinen Zahl selbständig Erwerbstätiger (rund 400 Vertriebene) ist der Rest, also etwa 30.000 Personen, weder in Beschäftigung noch in AMS-Betreuung. 

Ukrainer in Beschäftigung oder beim AMS gemeldet
© WKÖ Quelle: AMS/Amis Datenbank

Die Auswertung des Arbeitsministeriums zeigt starke regionale Unterschiede: Den vom Tourismus geprägten Bundesländern Tirol, Vorarlberg und Salzburg gelingt die Integration der Ukrainer gut: Spitze ist Tirol mit einer Beschäftigungsquote von 64,9%, auch Vorarlberg (61,1%) und Salzburg (59,9%) liegen gut.

Tourismusländer und Oberösterreich erfolgreich

Allerdings ist auch das Industriebundesland Oberösterreich mit einer Quote von 61,3% erfolgreich und lässt damit strukturell ähnliche Bundesländer wie Steiermark und Niederösterreich, die unter 30% (!) liegen, weit hinter sich. Woran liegt das?

Im Gegensatz zu den anderen Bundesländern nimmt in Oberösterreich die Mehrheit der Vertriebenen die Unterstützung des AMS in Anspruch. Weil dem Land Oberösterreich der Kontakt der Personen in Grundversorgung zum AMS wichtig ist, enthält sein Grundversorgungsrecht eine sogenannte „Bemühungspflicht“. D.h. die Personen müssen mit dem AMS kooperieren, d.h. dessen Angebote nutzen und sich um geeignete Jobs bemühen. Daher gelingt die Integration der Ukrainer hier besser, besonders in der Industrie, aber auch in Tourismus und Handel, in der öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung.

Beschäftigungsquote im internationalen Vergleich niedrig 

Trotz der guten Ergebnisse im Westen ist die österreichweite Beschäftigungsquote mit rund 25% objektiv niedrig – die meisten EU-Länder sind erfolgreicher. Dabei sind die Hürden in Österreich bekannt: Zwei Drittel der Personen halten sich im Osten auf, insbesondere in Wien, wo die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch ist wie im Rest. Niederösterreich, Kärnten und Salzburg erlauben etwa weiterhin nur einen Zuverdienst von 110 Euro neben der Grundversorgung, obwohl bundesweit höhere Grenzen vereinbart sind. Zudem gibt es nur eine Grundlage für den Verbleib der Ukrainer bis März 2025. Dadurch fehlt die Sicherheit für eine längerfristige Erwerbsintegration und Ausbildung nicht nur für Vertriebene, sondern auch für Arbeitgeber.

Fazit: Der Status der Grundversorgung ist nur für eine Übergangszeit gedacht. Asylberechtigte haben Anspruch auf Sozialhilfe, sind aber dafür zur Arbeit verpflichtet. Dieser Status wäre für die Erwerbsintegration besser geeignet - sofern die Arbeitspflicht konsequent durchgesetzt wird. Zur schnelleren Integration der Ukrainer braucht es dringend:

  • eine bessere Verteilung der Vertriebenen auf alle Bundesländer, insbesondere auf jene mit geringer Arbeitslosigkeit,
  • eine Bemühungspflicht nach Vorbild Oberösterreich, damit Personen zwingend mit dem AMS kooperieren,
  • die Möglichkeit, bei Arbeitsaufnahme noch eine Zeitlang in der Grundversorgung zu bleiben und
  • eine dauerhafte Bleibeperspektive. 

 

von Mag. Gabriele Straßegger



Gesundheit: Erhebliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Der erstmals nach zehn Jahren erschienene Frauengesundheitsbericht zeigt, dass frauenspezifische Daten in Österreich vielfach fehlen. Frauen werden zwar älter als Männer, verbringen aber 20 Jahre in mäßiger bis schlechter Gesundheit. Es gibt Bedarf an differenzierten Informationen und Angeboten.

Frauen haben aufgrund ihres Körpers, Hormonhaushalts und Stoffwechsels andere Erkrankungsrisiken und -verläufe als Männer. Viele Erkrankungen treten daher bei Frauen häufiger oder seltener und mit anderen Symptomen auf als bei Männern. Früherkennung, Diagnosen, Arzneimittelverabreichung und Therapien sind allerdings nach wie vor häufig auf den männlichen Körper abgestimmt – mit entsprechenden Nachteilen für Frauen.

Der Frauengesundheitsbericht des Gesundheitsministeriums behandelt Themen wie Körper- und Selbstbilder von Mädchen und Frauen, sexuelle Gesundheit, Menstruationsgesundheit, Wechseljahre und Menopause, gynäkologische Versorgung, reproduktive Selbstbestimmung, psychische Gesundheit, Gewalt gegen Mädchen und Frauen und den Zugang zu Gesundheitsinformationen und -angeboten. Ebenso werden sozioökonomische und gesellschaftliche Einflüsse auf die Gesundheit von Frauen beleuchtet.

Daten zur Frauengesundheit fehlen

In Medizin und Forschung wurde und wird oft vom Mann als Norm ausgegangen. Da in Österreich Daten fehlen, stammen viele Daten im Bericht aus dem Ausland. Frauen in Österreich leben im Schnitt um fünf Jahre länger als Männer. Von ihren 84 Lebensjahren verbringen Frauen aber nach Selbsteinschätzung rund 20 Jahre in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit. Von den 45.952 Todesfällen von Frauen im Jahr 2021 entfielen 11,8% auf ischämische Herzkrankheiten, 7,7% auf andere Herzkrankheiten, 5,5% auf zerebrovaskulären Krankheiten (z.B. Schlaganfall).

Frauengesundheit steht auch in starker Assoziation zu psychischer Gesundheit. Frauen leiden zwei- bis dreimal so lang im Laufe ihres Lebens an Depression wie Männer, wobei die Dunkelziffer bei Männern hoch sein dürfte. Auch Gewalt gegen Frauen und Mädchen wirkt sich maßgeblich auf die Gesundheit aus. Höchstens ein Drittel der Betroffenen meldet solche Fälle.

Unterschiede zwischen Geschlechtern auf allen Ebenen berücksichtigen

Die objektiven Unterschiede zwischen Frauen und Männern wurden bisher zu wenig berücksichtigt. Die Gesundheitsversorgung muss hier künftig stärker differenzieren. Das fängt an bei der differenzierten Auswertung von Gesundheitsdaten. Auch Forschung, Prävention, Gesundheitsinformationen und -angebote sollten stärker die Unterschiede zwischen Frau und Mann berücksichtigen.

Um die Gesundheitskompetenz von Frauen zu verbessern, sollte man etwa bei der Schwangerschaft ansetzen, wo Frauen gut erreicht werden können. Der Eltern-Kind-Pass wäre in diesem Sinne auszubauen.

Das sollte sich auch in der Ausbildung der Gesundheitsberufe niederschlagen. In anderen Ländern analysieren so genannte „Clinical Coder“ die Patientenakte, erfassen Daten und medizinische Leistungen. In Österreich fehlt noch das Berufsbild Datenassistent.

Frauengesundheitsbericht 2022 (PDF, 2 MB)

Gesundheitsausschuss: Hearing zu Frauengesundheitsbericht 2022 zeigt Notwendigkeit frauenspezifischer Versorgung (PK0120/14.02.2024) | Parlament Österreich


von Mag. Maria Cristina de Arteaga



Kaum Jugendarmut in Österreich

Österreich verzeichnet laut Eurostat gemeinsam mit Slowenien und Luxemburg den geringsten Anteil an absolut armen jungen Menschen. 1,1% der Menschen zwischen 15 und 29 Jahre gelten in Österreich als „materiell erheblich depriviert“, können also bestimmte Güter oder Leistungen wie Auto, Urlaub, jeden zweiten Tag Fleisch, etc. nicht finanzieren. Der EU-Schnitt lag 2022 bei 6,1%. Deutschland liegt mit 6,3% darüber, Schlusslicht ist Rumänien, wo jeder vierte junge Mensch sich grundlegende Ausgaben nicht leisten kann.

https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/w/ddn-20240223-1



ORF - Eco zu Rekord-Krankenständen

https://tvthek.orf.at/profile/Eco/11523082/Eco-vom-01-02-2024/14211780/Was-uns-die-Rekord-Krankenstaende-kosten/15565967


Märchenprinzen, die sagen, wir können alle 32 Stunden arbeiten, und es wird toll im Land, oder wir können uns einsperren, und es wird toll im Land, das sind halt mehr Märchenerzähler als Prinzen.






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