SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz

Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 20.12.2023

Lesedauer: 7 Minuten

Aktualisiert am 20.12.2023

Inhaltsübersicht

  • Gesetzliche Änderungen ab 1.1.2024
  • Verkehrte Welt am Arbeitsmarkt
  • EU-Beschäftigungsbericht 2024 stellt Österreich gutes Zeugnis aus
  • Covid treibt Krankenstände auf Rekordhöhen
  • Präsentation des Jahrbuchs Gesundheit am 9. Jänner 2024 – Fokus Smarte Gesundheit


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

nichts ist so beständig wie der Wandel (Heraklit): Zum 1.1.2024 ergeben sich viele gesetzliche Änderungen, die wir zusammengefasst haben. 33 Jahre (!), nachdem der Verfassungsgerichtshof das unterschiedliche Pensionsalter für verfassungswidrig erklärte, steigt das Frauenpensionsalter.

Wandel auch am Arbeitsmarkt: Üblicherweise wächst die Wirtschaft schneller als die Beschäftigung, seit 2022 ist es umgekehrt – mehr Beschäftigung trotz Rezession. Die Unternehmen halten Personal trotz Kostensteigerungen und schlechter Konjunktur. Das könnte sich aber ändern…

Trotz Inflation und Wirtschaftsflaute ist die Sozial- und Arbeitsmarktlage in der EU stabil. Österreich ist zwar sozial besser als der EU-Schnitt, konjunkturell aber schlechter.

Zur schlechten Konjunktur kommt die Belastung durch einen Rekord an Krankenständen, nicht nur aktuell, sondern eventuell dauerhaft.

Am 9.1.2024 wird – zum 15. Mal - das Jahrbuch Gesundheit 2023 präsentiert.

Damit beschließen wir ein schwieriges Jahr für die Wirtschaft. Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir ruhige, besinnliche Weihnachtstage und einen guten Rutsch in ein gesundes und glückliches Jahr 2024.

Rolf Gleißner, Julia Moreno-Hasenöhrl
und das gesamte Team Sozial- und Gesundheitspolitik der Wirtschaftskammer Österreich



Gesetzliche Änderungen ab 1.1.2024

Mit Jahreswechsel sowie zu Stichtagen kurz danach ergeben sich wieder viele arbeits- und sozialrechtliche Änderungen. Einige hat der Nationalrat erst am 14.12.2023 beschlossen, sodass die weitere Gesetzwerdung abzuwarten ist.

Übersicht (pdf)


Verkehrte Welt am Arbeitsmarkt

Das Arbeitsmarktforschungsinstitut Synthesis analysierte die Auswirkung der Konjunktur auf Beschäftigung und Arbeitskräftenachfrage 2023 und 2024. Das ungewöhnliche Ergebnis: Die Beschäftigung wächst, obwohl die Wirtschaft schrumpft. 

Die ö Wirtschaft stagniert bzw. schrumpft seit fünf Quartalen. Trotz dieser Konjunkturschwäche wächst die Beschäftigung 2023 um 44.700 Personen und soll 2024 um weitere 30.000 wachsen. Die Personalnachfrage der Unternehmen bleibt weiterhin hoch. Die Zahl der dem AMS gemeldeten offenen Stellen liegt noch immer deutlich über dem Vorkrisenjahr 2019.

Produktivität je Mitarbeiter und je Stunde rückläufig 

Normalerweise wächst die Wirtschaft stärker als die Beschäftigung, weil die Produktivität je Mitarbeiter steigt. Seit 2022 ist es aber umgekehrt! Unternehmen halten bzw. erhöhen trotz Rezession ihr Personal. Dadurch sinkt 2023 die Personen- und Stunden-Produktivität erheblich.

Wirtschaftliches Wachstum und betrieblicher Personalbedarf
© AMS/Synthesis Forschung

Wir arbeiten zwar im Schnitt kürzer als vor COVID. In den letzten acht Quartalen kam es aber – entgegen dem Langfristtrend - zu keiner Arbeitszeitverringerung, im Gegenteil. In den ersten drei Quartalen 2023 ist laut Statistik Austria auch das Arbeitszeitvolumen um 1,8% gestiegen. Das Beschäftigungswachstum seit 2022 lässt sich somit nicht mit Arbeitszeiteffekten erklären.

Tendenziell steigt die Fluktuation in Zeiten schwacher Konjunktur. Entgegen diesem Muster ist die Zahl der Aufnahmen und Beendigungen von Arbeitsverhältnissen 2023 im Vergleich zu 2022 und 2019 gesunken.

Unternehmen „horten“ Arbeitskräfte

Eine Erklärung der gegenläufigen Arbeitsmarkttrends ist, dass sich Unternehmen angesichts des Arbeitskräftemangels der letzten Jahre und des Rückgangs der Zahl der Berufseinsteiger ihr Personal halten, auch wenn dieses nicht ausgelastet ist (Labour Hoarding).

Aufgrund von Sondereffekten steigt das Arbeitskräftepotenzial 2023 massiv um 52.300. Das liegt an der massiven Einwanderung mit Fluchthintergrund in den Jahren 2021 und 2022  (Ukrainevertriebene, Personen aus Syrien, Afghanistan und Tschetschenien). Diese Personen werden erst nach Asylverfahren und Spracherwerb, somit zeitverzögert, in der Arbeitsmarktstatistik erfasst. Die Zahl inländischer Arbeitskräfte sinkt hingegen.

Fazit: Noch halten die Unternehmen ihr Personal trotz geringer Auslastung. Das kann sich aber ändern, wenn die Arbeitskosten infolge der Lohnabschlüsse abrupt steigen und konjunkturell kein Licht am Ende des Tunnels abzusehen ist. 

https://www.ams-forschungsnetzwerk.at/downloadpub/2023-AMS-Quartalsprognose4_2023-2024.pdf


von Mag. Maria Kaun



EU-Beschäftigungsbericht 2024 stellt Österreich gutes Zeugnis aus

Die Europäische Kommission überwacht im Joint Employment Report den Fortschritt bei den EU-Zielen für Beschäftigung, Qualifikationen und Armutsreduktion. Die Lage ist trotz Inflation und Wirtschaftsflaute stabil. 

Die Wirtschaft in der EU soll 2023 nur um 0,8% wachsen – der Arbeitsmarkt ist aber stabil: Die Beschäftigungsquote der EU erreichte im zweiten Quartal 2023 75,4% (Ö 77,3%), die Arbeitslosenrate ist derzeit wie vor einem Jahr bei 6% (Ö 5,1%). Interessant ist, dass die neuen EU-Staaten durchwegs wenige Arbeitslose verzeichnen, Schweden und Finnland die dritt- bzw. fünfthöchsten Raten (hinter Spanien und Griechenland). Herausforderungen bestehen insbesondere für Geringqualifizierte und Personen mit Migrationshintergrund.

EU-weit Mangel an Arbeitskräften 

EU-weit fehlen Arbeitskräfte: Die Stellenvakanzrate lag im 2. Quartal 2023 bei 2,7% und damit deutlich über dem Durchschnitt von 1,7% für den Zeitraum 2013-19. Engpässe finden sich vor allem in Sektoren wie Gesundheitswesen, MINT, Bauwesen und bestimmten Dienstleistungsberufen.

Verschärft wird der Mangel durch einen EU-weiten Trend zu faktisch kürzerer Arbeitszeit. Der Bericht empfiehlt daher die Förderung unterrepräsentierter Gruppen wie Frauen, junger und älterer Arbeitnehmer sowie von Menschen mit Migrationshintergrund. Ebenso wichtig ist die Förderung der Mobilität innerhalb der EU, die Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittländern und die Lenkung legaler Migration in Berufe mit Engpässen. Der neue EU-Talente-Pool kann dazu beitragen.

Armutsrisiko leicht gesunken 

Die Löhne sind in der EU 2022 mit 4,8% deutlich unter der Inflationsrate gestiegen. Trotz Inflation ist aber die Anzahl von Menschen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, EU-weit 2022 um 279.000 gesunken. Um das EU-Ziel bis 2030 zu erreichen – nämlich 15 Mio Menschen im Vergleich zu 2019 aus der Armut zu holen - müssen jedoch weitere Anstrengungen unternommen werden. 

Österreich schneidet in den meisten Kategorien überdurchschnittlich ab. Der soziale Schutz ist gut ausgeprägt, die Armutsraten deutlich unter dem EU-Schnitt. Der Anteil der Erwachsenen mit grundlegenden digitalen Fähigkeiten ist hoch (63,3% im Vergleich zu 54% in der EU). Und die Österreicher sind bei Teilzeit „Vizeeuropameister“: Hinter den Niederlanden hat Österreich mit 30%, bei Frauen mit 50,3% die höchsten Teilzeitquoten in der EU – in beiden Ländern übrigens zu über 90% freiwillig. 

Zum Bericht: COM_2023_904_1_EN_ACT_part1_v6.pdf (europa.eu)


von Mag. Christa Schweng



Covid treibt Krankenstände auf Rekordhöhen

Die Zahlen zeigen: Wir sind nicht nur jetzt in einer Covid- und Infektions-Welle. Der ganze „Meeresspiegel“ an Krankenständen ist dauerhaft höher als vor Covid. 

Pro Woche gehen derzeit mehr als 300.000 Krankschreibungen bei der ÖGK ein. Das bedeutet, dass mehr als jeder zehnte Mitarbeiter im Krankenstand ist – dabei werden bei der ÖGK nur die Fälle registriert, die von einem Arzt krankgeschrieben werden.

Hauptursachen sind laut ÖGK Atemwegserkrankungen, grippale Infekte, Influenza und Covid. Vor allem die Covid-Kurve geht steil nach oben. Seit Beginn der Messungen wurde im Abwassermonitoring keine so hohe Virenfracht gemessen. Allerdings ist der Anteil der schweren Fälle wesentlich niedriger als in den vergangenen Jahren. Derzeit werden rund 1.200 Menschen in ö Krankenhäusern wegen Covid behandelt.

Erkrankungen sind bitter für die Betroffenen, aber auch für Kollegen, die einspringen müssen, und für Betriebe, die die Arbeitsleistung bei vollen Kosten verlieren. Mehrkosten bzw. Verluste entstehen durch Überstunden von Kollegen, verlorene Wertschöpfung, etc. Sie dürften bei grob 250 Euro je ausgefallenem Arbeitstag liegen.

Seit 2022 höhere Krankenstände als vor Covid 

Gravierender als die aktuelle Belastung ist aber, dass seit 2022 insgesamt deutlich mehr Krankenstände anfallen als vor Covid. So meldete die ÖGK für Jänner bis Oktober 2023 bereits 5 Mio Fälle, womit der bisherige Rekordwert von 5,7 Mio 2022 heuer sicher überschritten wird. Während die Österreicher vor Covid 20 Jahre lang 12-13 Tage krank waren, waren sie 2022 15 Tage im Krankenstand und 2023 noch mehr. Auch die deutschen Krankenkassen berichten von Steigerungen um bis zu 22% im Vergleich zu 2022.

Covid-Viren-Fracht laut Abwassermonitoring

Covid-Viren-Fracht laut Abwassermonitoring
© Abwassermonitoring Österreich

Ursachen für die Rekordwerte 

„Unter Betrachtung der Entwicklung in den 1920er Jahren mit Influenza gehe ich davon aus, dass es in den kommenden Jahren immer kleinere Covid-19-Erkrankungswellen geben wird – derzeit ist Covid noch virulent und verändert sich auch immer wieder, sodass es noch nicht zu einer perfekten Abwehrlage kommt. Zudem war durch die Schutzmaßnahmen in den vergangenen Jahren die Infektionslage durch grippale Infekte und Influenza nicht so intensiv, damit wurde das Immunsystem weniger trainiert und ist anfälliger für Infektionen“, sagt Dr. Andreas Krauter, Chefarzt der ÖGK. Er empfiehlt die aus der Pandemie bekannten Maßnahmen: „Maske tragen bei Menschenansammlungen, Händedesinfektion, Abstand halten und Räume lüften. Und natürlich das Impfen gegen Influenza und Covid, das zumindest schwere Verläufe und Folgeerkrankungen verhindert.“

 

von Mag. Christina Marx



Präsentation des Jahrbuchs Gesundheit am 9. Jänner 2024 – Fokus Smarte Gesundheit

Das Jahrbuch Gesundheit wird 15. Das Jubiläum bietet spannende Diskussionen und Impulse zum Motto: Smarte Gesundheit. KI-Systeme als Partner im Gesundheitssystem.
Am Podium: 
Florian Tursky – Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation (angefragt)
Peter Lehner – Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger
Gertraud Leimüller – Geschäftsführerin winnovation und leiwand.ai
Romana Ruda – Geschäftsführerin Future Health Lab
Hier geht es zur Anmeldung für den Livestream, (von 10h bis 11:30) 
(bis 8. Jänner möglich)




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