SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz

Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 30.10.2023

Lesedauer: 7 Minuten

Aktualisiert am 30.10.2023

Inhaltsübersicht

  • Startschuss für Anwerbung von Fachkräften aus den Philippinen
  • Pensionen: Wir verfrühstücken die Zukunft
  • Normalarbeitszeit: Österreich nur 19. von 27 EU-Ländern
  • Veranstaltungstipp: Navigieren in der Ära der KI - Die Zukunft der Kreativwirtschaft
  • Zukunft.Frauen – Bewerbung 24. Durchgang
  • Neues Buch von Dr. Erhart Prugger: „Sozialfall Sozialstaat – was jetzt zu tun ist“

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

trotz schlechter Konjunktur: Der Arbeitskräftemangel ist gekommen, um zu bleiben. Das Inlandspotenzial reicht nicht. EU-weit gilt dasselbe. Daher ist ein internationaler Wettbewerb um Talente im Gang. Dank der Fachkräfteoffensive von Wirtschaftskammer, ABA und Arbeitsministerium spielt Österreich hier mit: Kürzlich wurde ein Abkommen zur Anwerbung von Fachkräften auf den Philippinen unterzeichnet. Denn Österreich und die Philippinen sind Gegensätze, die sich ergänzen.

Gekommen, um zu bleiben, ist auch der massive Finanzbedarf des Pensionssystems. Es ist laut Rechnungshof und internationalen Rankings nicht nachhaltig, trotz des ab 2024 steigenden Frauenpensionsalters.

Dauerhaft ist auch die Debatte zur Arbeitszeit, wo Österreich laut aktueller Studie bestenfalls im EU-Schnitt liegt.

Im neuen Buch „Sozialfall Sozialstaat“ analysiert Erhart Prugger neun Sozialstaatslügen und zeigt Lösungen auf.

Schließlich machen wir aufmerksam auf eine Veranstaltung zu KI sowie auf den neuen Durchgang des Programms Zukunft.Frauen.

Alles Gute!

Rolf Gleißner


Startschuss für Anwerbung von Fachkräften aus den Philippinen

Win-win-Situation - zwei Länder ergänzen sich

Österreich und die Philippinen sind demografisch und wirtschaftlich Gegenpole, kulturell aber verwandt. Daher sind die Philippinen in der Poleposition für die Internationale Fachkräfte-Offensive (IFO) der WKÖ. 

Am 23.10. unterzeichneten Staatssekretärin Kraus-Winkler gemeinsam mit WKÖ-Generalsekretär Kopf in Manila ein Abkommen „On the Recruitment of Qualified Professionals“. Das Abkommen zielt unter anderem darauf ab, philippinische Fachkräfte, die in Österreich arbeiten wollen, zu unterstützen, den Beschäftigungsstandort Österreich zu bewerben, Deutschkurse vor Ort auszubauen, Qualifikationen beiderseitig anzuerkennen sowie irreguläre Migration zu vermeiden. Als nächsten Schritt plant das Philippinische Department of Migrant Workers, ein eigenes Migrant Workers Office in Wien einzurichten und einen Labor Attaché zu entsenden, um zukünftig die philippinischen Fachkräfte in Österreich zu betreuen

Österreichs Interessen sind klar: Trotz schlechter Konjunktur verzeichnet die Wirtschaft dreimal so viele offene Stellen wie vor 10 Jahren. Der Fachkräftemangel wird sich verschärfen – 50 Jahre Geburtenflaute bringen zeitverschoben eine langfristige Arbeitsmarktflaute. Bei allen Maßnahmen im Inland ist Österreich daher angewiesen auf qualifizierten Zuzug aus dem Ausland.

Geburtenflaute in Österreich, Geburtenboom auf den Philippinen 

Der Gegensatz zu den Philippinen könnte nicht größer sein: Das Land ächzt unter einem Bevölkerungswachstum, das Wirtschaft und Ressourcen überfordert: 1960 lebten hier 28,5 Mio Einwohner, heute bereits 118 Mio auf einer Fläche dreieinhalbmal so groß wie Österreich. Zuviele, als dass die philippinische Wirtschaft allen gute Jobs bieten könnte. Denn das Land ist aufstrebend, aber arm, das BIP ist nur so groß wie das österreichische. Es ist daher im Interesse der Philippinen, dass Arbeitskräfte auch im Ausland arbeiten und mit ihren Rücküberweisungen die Wirtschaft stärken. 17,6 Mrd USD überwiesen Auslands-Philippinos von Jänner bis Juni 2023 in die Heimat, das sind ca. 9% des BIP.

Österreich und Philippinen sind also demografisch und wirtschaftlich grundverschieden, kulturell aber ähnlich: Die Philippinos sind überwiegend katholisch, und Österreich hat einen guten Ruf, unter anderem aufgrund der Abkommen zur Anwerbung von Pflegekräften in den 70er und 80er Jahren. Rund 6.300 Philippinos leben bereits in Österreich. Nicht zuletzt verdankt das Land seinen Namen einem Habsburger – dem spanischen König Philipp II.

Potenzial nicht nur in der Pflege, auch in Technik und IT 

Aus diesen Gründen sind die Philippinen eines von sechs Fokusländern der Internationalen Fachkräfteoffensive der WKÖ. Bekannt ist das Land für die Pflegekräfte, die in der ganzen Welt tätig sind. Erste Pflegekräfte sind bereits in Österreich eingetroffen. Vor allem aufgrund ihrer guten Hochschulen bieten die Philippinen aber auch Potenzial in Technik-, Handwerks- und IT-Berufen. Die Vermittlung von Personal ist allerdings nur über philippinische Vermittlungsagenturen möglich. Die Reise nach Manila diente daher auch der Vernetzung von österreichischen Unternehmen und Personaldienstleistern mit Partnern vor Ort.

Die anderen Fokusländer sind Albanien, Kosovo, Nordmazedonien, Indonesien und Brasilien, von wo zuletzt Sieger eines IT-Wettbewerbs kamen.

Zu Brasilien:
https://www.profil.at/wirtschaft/fachkraeftemangel-in-der-it-oesterreich-holt-die-brasilianer/402616434 

Berichterstattung auf den Philippinen:
https://www.youtube.com/watch?v=lUm7PzLh8Uc


von Mag. Dr. Rolf Gleißner



Pensionen: Wir verfrühstücken die Zukunft

Erneut schlechte Noten für das heimische Pensionssystem: Der Rechnungshof sieht umfassenden Handlungsbedarf, in punkto Nachhaltigkeit fällt Österreich immer weiter zurück, die Ausgaben schießen nach oben, Gegenmaßnahmen sind nicht in Sicht. 

Kürzlich präsentierte der Finanzminister das Budget für 2024. Wieder einmal steigen die Pensionsausgaben massiv an. Der Beitrag zu Privatpensionen und die Ausgaben für die Beamtenpensionen machen 29,5 Milliarden Euro und damit ein Viertel der Gesamtausgaben des Bundes (123,5 Milliarden Euro) aus. Allein der Zuwachs bei den Pensionsausgaben 2022-2027 wird laut Strategiebericht des Finanzministeriums 12 Milliarden Euro betragen und damit mehr als die gesamten Ausgaben für Familien oder Bildung. Teure Pensionszuckerl und der Pensionsantritt der Babyboomer treiben die Kosten, die durch den (viel zu späten) Anstieg des Frauenpensionsalters ab 1.1.2024 kaum gebremst werden.

Budgetausgaben 2022 und 2027
© WKÖ

Österreich bei Nachhaltigkeit international an letzter Stelle 

Dass diese Entwicklung das Gegenteil von nachhaltig ist, zeigt sich am jährlich ermittelten Global Pension Index des britischen Mercer Instituts: In der Kategorie „Nachhaltigkeit“ belegt das österreichische Pensionssystem unter 47 Ländern den letzten Platz. In der Gesamtbewertung liegt unser Pensionssystem nur mehr am 40. Rang.

Auch der Rechnungshof sieht in seinem aktuellen Bericht zum Pensionssystem „umfassenden Handlungsbedarf“. Er kritisiert die zahllosen Systemeingriffe ohne klare Strategie. So wurden die Pensionen seit 2005 nur zweimal (!) entsprechend dem Gesetz angepasst. Die Eingriffe haben das System insgesamt verteuert. Was Maßnahmen betrifft, sieht der Rechnungshof die Anhebung des faktischen und auch des gesetzlichen Pensionsantrittsalters als eine „wichtige Handlungsoption“.

Stattdessen wurden zuletzt beschlossen der Aufschub der Angleichung des Frauenpensionsalters (die Österreich als letztes EU-Land vornimmt), die volle Aufwertung aller Pensionen (wer am 1.12. in Pension geht, erhält am 1.1. 9,7% mehr) und die außertourliche Pensionsaufwertung für Personen, die 2024 in Pension gehen. 

Fazit: Die Politik handelt nach dem Motto „Geben ist seliger denn nehmen“. Aber im Pensionssystem setzt das (üppige) Geben ein massives Nehmen voraus. Doch kaum jemand interessiert, dass junge und künftige Generationen das bezahlen und der Spielraum für Zukunftsinvestitionen dahinschmilzt.

Global Pensions Index
https://www.mercer.com/insights/investments/market-outlook-and-trends/mercer-cfa-global-pension-index/

Bericht des Rechnungshofs
https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/2023_29_Nachhaltigkeit_Pensionssystem.pdf


von Mag. Nina Haas



Normalarbeitszeit: Österreich nur 19. von 27 EU-Ländern

Top bei freien Arbeitstagen 

Kritisiert werden häufig die langen Arbeitszeiten von Vollzeitbeschäftigten. Dabei liegt Österreich laut einer Eurofound-Studie nur im unteren Mittelfeld der EU. Ein Grund sind die vielen Urlaubs- und Feiertage. 

Alle zwei Jahre analysiert die EU-Agentur Eurofound die gesetzliche und kollektivvertragliche Arbeitszeit in den Mitgliedstaaten. Laut der aktuellen Studie Working time in 2021-2022 beträgt die jährliche Normalarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten in Österreich 1.714 Stunden. Dabei wurden eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden, ein Urlaubsanspruch von 5 Wochen und 11 Feiertage angenommen.

Österreich liegt damit genau im EU-Schnitt von 1.714 Stunden, unter den 27 EU-Staaten allerdings nur an 19. Stelle. Denn in Schwergewichten wie Frankreich und Deutschland wird kürzer gearbeitet. Mit 36 freien Tagen liegt Österreich über dem EU-Schnitt von 33,3 Tagen. Dabei werden bei den 36 Urlaubs- und Feiertagen die 6.Urlaubswoche, die langjährige Mitarbeiter haben, sowie Heiligabend und Silvester, die in vielen KV Feiertage sind, gar nicht mitgezählt.

Jahresarbeitszeit in Stunden
© WKÖ

Fazit: Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung lässt sich auch mit dem internationalen Vergleich nicht rechtfertigen, im Gegenteil. Bei der tatsächlichen Arbeitszeit liegen wir unter dem EU-Schnitt, berücksichtigt man auch die vielen Teilzeitbeschäftigten, arbeiten wir im Schnitt sogar deutlich kürzer als der Rest der EU.

Link zur Studie: Working time in 2021–2022


von Dr. Ingomar Stupar



Veranstaltungstipp: Navigieren in der Ära der KI - Die Zukunft der Kreativwirtschaft

Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Kreativ- und Marketingbranche unaufhaltsam. ÖGB, WKÖ und der Digifonds der AK laden ein zum Thema Transformation, konkret:

  • Algorithmen im Marketing bewerten
  • Ethik und Verantwortung betonen
  • Diskussionen und Networking mit Branchenexperten.

Zeit:  31.01.2024 – 09:00 – 12:30h
Ort: ÖGB, Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien, Wilhelmine-Moik-Saal (1. Stock)
Details und Registrierung: https://www.palmproject.at/os1



Zukunft.Frauen – Bewerbung 24. Durchgang

Das Führungskräfteprogramm "Zukunft.Frauen" unterstützt bestens qualifizierte Frauen mit einer konkreten Weiterbildung und einem starken Netzwerk auf dem Weg in die erste Führungsebene, ins Top-Management, in den Vorstand und in den Aufsichtsrat. Die gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft (BMAW), der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und der Industriellenvereinigung (IV) wurde nach norwegischem Vorbild entwickelt. Jeder Durchgang besteht aus acht halbtägigen Modulen mit Themenblöcken und Kamingesprächen.

Die Bewerbungsfrist für den 24. Durchgang (Beginn im März 2024) läuft noch bis 14. November 2023.

Nähere Informationen & Details finden Sie unter www.zukunft-frauen.at.




Neues Buch von Dr. Erhart Prugger: „Sozialfall Sozialstaat – was jetzt zu tun ist“

Der österreichische Sozialstaat, bislang Garant für soziale Sicherheit und sozialen Frieden, ist in eine Schieflage geraten: Das soziale Netz erodiert schon jetzt bedenklich. Werden die Jungen für unsere „Vollkasko-Mentalität“ zahlen müssen?

Dieses Buch will wachrütteln, indem es anhand von neun aktuellen „Sozialstaatslügen“ – von den Pensionen über das Gesundheits- bis zum Bildungssystem - den akuten Handlungsbedarf aufzeigt. Der Autor Dr. Erhard Prugger ist zuständig für Sozialpolitik in der WKOÖ, Vorsitzender der Landesstelle OÖ der AUVA sowie Lektor an der Fachhochschule für Soziales.

Details und Bestellung unter: https://www.trauner.at/shop/sozialfall-sozialstaat





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