Beschäftigung von Menschen mit Behinderung – Anreize statt Strafen

Argumente der WKÖ

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 19.01.2024

Die Wirtschaftskammer Österreich bekennt sich zu einer nachhaltigen Integration von behinderten Menschen in die Berufswelt. Betriebe beschäftigten mehr als 100.000 Menschen mit Behinderung.

Damit das Sozialsystem finanziert werden kann, müssen möglichst viele Personen am Arbeitsmarkt aktiv und damit Beitragszahler sein. Das gilt vor allem auch für Menschen mit Behinderung, deren Anteil aufgrund der Alterung der Gesellschaft steigen wird. 

Arbeitsmarkt 

Rund 15% der Österreicher haben eine dauerhafte Behinderung. Genaue Zahlen gibt es zu den begünstigten behinderten Menschen (Merkmale u.a.: Grad der Behinderung von mindestens 50%, nicht in Ausbildung, maximal 65 Jahre): Ihre Zahl hat sich seit 1990 nahezu verdoppelt (ein Grund ist die steigende Beschäftigungsquote). 2022 gibt es 121.617 begünstigte behinderte Menschen in Österreich. Von den begünstigten behinderten Menschen waren 64.177 erwerbstätig und 57.440 nicht erwerbstätig.

Der Bestand an arbeitslosen behinderten Personen ist gesunken (2022: 11.876 Personen, 2021: 13.876 Personen).

In Österreich sind 52,8 % der Menschen mit Behinderung erwerbstätig, während es im EU-Schnitt nur 50,8 % sind.

Pflichtzahl und Ausgleichstaxe

Unternehmen mit mindestens 25 Arbeitnehmern sind verpflichtet, je 25 Arbeitnehmer einen begünstigt behinderten Arbeitnehmer einzustellen. Viele Betriebe beschäftigen zu wenige behinderte Personen, erreichen also ihre „Pflichtzahl“ nicht, und müssen dafür Ausgleichstaxe zahlen. Das liegt vor allem daran, dass zu wenige begünstigte behinderte Menschen am Arbeitsmarkt verfügbar sind, als dass alle Betriebe ihre Quote erfüllen können. Betriebe finden oft keine geeigneten Kandidaten, insbesondere in Branchen mit begrenzten Einsatzmöglichkeiten (Bau, Verkehr, etc.).

Manche Betriebe beschäftigen auch Mitarbeiter mit Behinderung, die diese Behinderung aber nicht deklarieren.

Einstellpflichtige Dienstgeber

Pflichtzahl und Ausgleichstaxe
© Sozialministerium

Die Ausgleichstaxe wird jährlich valorisiert und beträgt 2024 zwischen 320,- und 477,-Euro pro Monat. 2022 wurden 176,8 Mio an Ausgleichstaxe vorgeschrieben. Der damit finanzierte Ausgleichstaxfonds fördert die berufliche Integration von behinderten Menschen. 

Welche Rolle spielt der besondere Kündigungsschutz für Behinderte? 

Der besondere Kündigungsschutz für Menschen mit Behinderung hat in der Vergangenheit deren Anstellung erschwert, was auch von Behindertenvertretern kritisiert wurde. Begünstigte Behinderte können nur gekündigt werden, wenn der Behindertenausschuss im Sozialamt zustimmt. Zwar hat die Wirtschaft durchgesetzt, dass seit 2011 dieser besondere Kündigungsschutz erst nach 4 Jahren Betriebszugehörigkeit gilt (vorher schon nach 6 Monaten), das war aber nur eine halbherzige Lockerung, da es einige Ausnahmen von dieser „Probezeit“ gibt und auch in den ersten 4 Jahren die Auflösung im Vergleich zu Nicht-Behinderten erschwert ist: Das ergibt sich aus dem besonderen Diskriminierungsschutz und der Berücksichtigung sozialer Aspekte. 

Aus diesen Gründen, die besonders stark Gruppen mit Nachteilen trifft, hat die Lockerung 2011 nicht unmittelbar zu mehr Beschäftigung von behinderten Menschen geführt.

Anträge auf Zustimmung bzw. nachträgliche Zustimmung zur Kündigung

Anträge auf Zustimmung bzw. nachträgliche Zustimmung zur Kündigung
© Sozialministerium

Bis 2011 war das Bundessozialamt für die Gewährung der Integrationsbeihilfe für Arbeitgeber, die behinderte Menschen beschäftigen, zuständig. Nun wird diese Förderung von den regionalen Geschäftsstellen des AMS ausgezahlt. Die regional unterschiedliche und teilweise restriktive Handhabung ist nicht hilfreich bei der Steigerung der Beschäftigung.

Behindertengleichstellung & Barrierefreiheit 

Schlichtungsverfahren 2022

Behindertengleichstellung & Barrierefreiheit
© Sozialministerium

Bundesweit wurden 2022 361 Schlichtungsverfahren durchgeführt, wovon 30 % mit Einigung und 41 % ohne Einigung abgeschlossen wurden. Bei 29 % wurde der Antrag zurückgezogen.

Förderungen 

Förderungen und Beihilfen aus den Mitteln des Ausgleichstaxfonds können sowohl Dienstgeber als auch Dienstnehmer erhalten. Sie dienen der Erleichterung beim Eintritt in das Erwerbsleben und der Sicherung und Erhaltung bestehender Arbeitsplätze.

Individualförderungen können gewährt werden für:

  • Arbeit und Ausbildung (barrierefreie Arbeitsplatzadaptierungen, Zuschuss zur barrierefreien Ausbildung, Unterstützungsangebote für schwerhörige und gehörlose Menschen, Schulungskosten etc.)
  • Lohnförderungen (Entgelt- und Arbeitsplatzsicherungszuschuss, Inklusionsförderung/plus/Frauen, Inklusionsbonus für Lehrlinge, Überbrückungszuschuss für Selbständige mit Behinderungen)
  • Mobilitätsförderungen (Orientierungs- und Mobilitätstraining, Anschaffung eines Assistenzhundes, Mobilitätszuschuss, Erlangung der Lenkerberechtigung, Erwerb eines Kraftfahrzeugs etc.)
  • Förderungen für Unternehmer mit Behinderung (zur Gründung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit sowie zur Sicherung einer bereits bestehenden selbständigen Erwerbstätigkeit bei vorübergehenden behinderungsbedingten existenzbedrohenden Situationen

Bewilligte Förderungen 2022

Arbeit und 
Ausbildung

MobilitätFörderung
Selbständige
Gesamt 
Bgld32335 367
Kntn39769 808
2142.2268 2.448
3692.1954 2.568
Sbg475312 580
Stmk1911.28841.483 
Tirol1461.088 1.234
Vbg504771 528
Wien3351.3565 1.696
Ausland1010 
Bundesweit1.42310.2752411.722

Lohnkostenförderungen unterstützen Unternehmen, für Menschen mit Behinderungen einen Arbeitsplatz bzw. Ausbildungsplatz zu schaffen und das neue Arbeitsverhältnis nachhaltig abzusichern.

Laufende Lohnförderungen 2022 

BgldKntnSlbgStmkTirolVbgWienBundesweit
3679112.0121.0046732.0851.5578771.20810.695

Betriebsservice 

Das Betriebsservice widmet sich einer intensiven Kooperation und Vernetzung mit Betrieben und stellt ein maßgeschneidertes Beratungs- und Serviceangebot rund um die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen bereit. Ziel ist die nachhaltige Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen für diese Zielgruppe in Betrieben aller Branchen und unabhängig von der Betriebsgröße. 

Der Fokus verstärkt auf die Bedürfnisse der Betriebe gelegt.

Durch 

  • ein systematisches proaktives Zugehen auf Unternehmen auf Augenhöhe,
  • durch gezielte Netzwerkarbeit und Beziehungspflege,
  • durch bedarfsgerecht gezielte Information und Sensibilisierung zum Thema „Arbeit und Behinderung“,
  • durch umfassende Beratung über die zahlreichen Förderungsangebote, Vorteile und den Mehrwert bei Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen bis hin zu einer intensiven Begleitung beim Recruiting im Betrieb 

sollen Unternehmen verstärkt als Partner gewonnen und zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen motiviert werden. Mehr Infos unter http://www.betriebsservice.info/ 

Als weitere Projekte und Maßnahmen am Arbeitsmarkt bietet das Sozialministeriumservice Qualifizierungsprojekte mit dem Ziel die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen zu erleichtern und Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz. 

Maßnahmen, um die Beschäftigung behinderter Menschen zu verbessern 

  • Der Diskriminierungsschutz im Zusammenhang mit der Beendigung eines Dienstverhältnisses soll für alle Arten der Beendigung gelten und der besondere Kündigungsschutz nach § 8 BEinstG dafür gänzlich entfallen.
  • Bis 2003 galten für bestimmte Branchen niedrigere Pflichtzahlen (z.B. 1:40 statt 1:25). Diese sollten wieder eingeführt werden.
  • Unternehmen sollen einen Rechtsanspruch auf Förderung für die Anstellung von behinderten Menschen erhalten.  
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen bei der Vergabe von Förderungen für behinderte Unternehmer und eine bundesweit einheitliche Förderung der Persönlichen Assistenz.
  • Der Arbeitgeber soll einen Anspruch auf die Information haben, ob sein Mitarbeiter eine Behinderung aufweist.

Wir empfehlen Unternehmen, Behinderte einzustellen, weil

  • sie motivierter sind als andere,
  • der Mangel an Fachkräften bald zunimmt,
  • auch der Anteil der Kunden mit Einschränkungen zunimmt – schon aufgrund der Alterung.

  

Autorin: Mag. Pia-Maria Rosner-Scheibengraf

Jänner 2024