Beschäftigung von Menschen mit Behinderung – Anreize statt Strafen
Argumente der WKÖ
Die Wirtschaftskammer Österreich bekennt sich zu einer nachhaltigen Integration von behinderten Menschen in die Berufswelt. Betriebe beschäftigten mehr als 100.000 Menschen mit Behinderung.
Damit das Sozialsystem finanziert werden kann, müssen möglichst viele Personen am Arbeitsmarkt aktiv und damit Beitragszahler sein. Das gilt vor allem auch für Menschen mit Behinderung, deren Anteil aufgrund der Alterung der Gesellschaft steigen wird.
Arbeitsmarkt
Rund 15% der Österreicher haben eine dauerhafte Behinderung. Genaue Zahlen gibt es zu den begünstigten behinderten Menschen (Merkmale u.a.: Grad der Behinderung von mindestens 50%, nicht in Ausbildung, maximal 65 Jahre): Ihre Zahl hat sich seit 1990 nahezu verdoppelt (ein Grund ist die steigende Beschäftigungsquote). 2020 gibt es 121.889 begünstigte behinderte Menschen in Österreich. Von den begünstigten behinderten Menschen waren 3.709 selbständig, 59.925 unselbständig beschäftigt und 14.588 arbeitslos.
Die Arbeitslosenquote von begünstigt behinderten Menschen lag 2020 bei 8,4 % und somit unter dem Gesamtdurchschnitt von 9,9 %.
Nach der Erhebung von Eurostat befindet sich Österreich unter den Ländern mit einer Erwerbstätigenquote von über 60 %. Das ist ein Spitzenwert, denn im EU-Schnitt sind nur 47 % der behinderten Menschen zwischen 15 und 65 Jahren beschäftigt.
Pflichtzahl und Ausgleichstaxe
Unternehmen mit mindestens 25 Arbeitnehmern sind verpflichtet, je 25 Arbeitnehmer einen begünstigt behinderten Arbeitnehmer einzustellen. Viele Betriebe beschäftigen zu wenige behinderte Personen, erreichen also ihre „Pflichtzahl“ nicht, und müssen dafür Ausgleichstaxe zahlen. Das liegt vor allem daran, dass zu wenige begünstigte behinderte Menschen am Arbeitsmarkt verfügbar sind, als dass alle Betriebe ihre Quote erfüllen können. Betriebe finden oft keine geeigneten Kandidaten, insbesondere in Branchen mit begrenzten Einsatzmöglichkeiten (Bau, Verkehr, etc.).
Manche Betriebe beschäftigen auch Mitarbeiter mit Behinderung, die diese Behinderung aber nicht deklarieren.

Die Ausgleichstaxe wird jährlich valorisiert und beträgt 2022 zwischen 276,- und 411,- Euro pro Monat. 2019 wurden € 162.546.155 an Ausgleichstaxe vorgeschrieben. Der damit finanzierte Ausgleichstaxfonds fördert die berufliche Integration von behinderten Menschen. Es gibt 101.703 Pflichtstellen, davon sind 62.891 besetzt.
Welche Rolle spielt der besondere Kündigungsschutz für Behinderte?
Der besondere Kündigungsschutz für Menschen mit Behinderung hat in der Vergangenheit deren Anstellung erschwert, was auch von Behindertenvertretern kritisiert wurde. Begünstigte Behinderte können nur gekündigt werden, wenn der Behindertenausschuss im Sozialamt zustimmt. Zwar hat die Wirtschaft durchgesetzt, dass seit 2011 dieser besondere Kündigungsschutz erst nach 4 Jahren Betriebszugehörigkeit gilt (vorher schon nach 6 Monaten). Das war aber nur eine halbherzige Lockerung, da es einige Ausnahmen von dieser „Probezeit“ gibt und auch in den ersten 4 Jahren die Auflösung im Vergleich zu Nicht-Behinderten erschwert ist: Das ergibt sich aus dem besonderen Diskriminierungsschutz und der Berücksichtigung sozialer Aspekte.
Aus diesen Gründen, die besonders stark Gruppen mit Nachteilen trifft, hat die Lockerung 2011 nicht unmittelbar zu mehr Beschäftigung von behinderten Menschen geführt.
Anträge auf Zustimmung bzw. nachträgliche Zustimmung zur Kündigung

Bis 2011 war das Bundessozialamt für die Gewährung der Integrationsbeihilfe für Arbeitgeber, die behinderte Menschen beschäftigen, zuständig. Nun wird diese Förderung von den regionalen Geschäftsstellen des AMS ausgezahlt. Die regional unterschiedliche und teilweise restriktive Handhabung ist nicht hilfreich bei der Steigerung der Beschäftigung.
Behindertengleichstellung & Barrierefreiheit

Bundesweit wurden 2020 270 Schlichtungsverfahren durchgeführt, wovon 33 % mit Einigung und 49 % ohne Einigung abgeschlossen wurden. Bei 18 % wurde der Antrag zurückgezogen.
Förderungen
Förderungen und Beihilfen aus den Mitteln des Ausgleichstaxfonds können sowohl Dienstgeber als auch Dienstnehmer erhalten. Sie dienen der Erleichterung beim Eintritt in das Erwerbsleben und der Sicherung und Erhaltung bestehender Arbeitsplätze.
Derartige Individualförderungen sind in folgenden Bereichen möglich:
- Arbeit und Ausbildung (technische Arbeitshilfen, Schulungskosten, Ausbildungsbeihilfen, Übernahme von Gebärdensprachdolmetschkosten etc.)
- Lohnförderung (Entgelt- und Arbeitsplatzsicherungszuschuss; seit 2019 auch Inklusionsförderung/InklusionsförderungPlus und Inklusionsbonus für Lehrlinge)
- Mobilität (Orientierungs- und Mobilitätstraining, Anschaffung eines Assistenzhundes, Mobilitätszuschuss, Erlangung der Lenkerberechtigung, Erwerb eines Kraftfahrzeugs etc.)
- Selbstständige Unternehmer (Hilfe zur wirtschaftlichen Selbständigkeit, Überbrückungszuschuss für Selbständige bei behinderungsbedingten Mehraufwänden und zur Barrierefreiheit von Unternehmen)
Maßnahmen, um die Beschäftigung behinderter Menschen zu verbessern
- Der Diskriminierungsschutz im Zusammenhang mit der Beendigung eines Dienstverhältnisses soll für alle Arten der Beendigung gelten und der besondere Kündigungsschutz nach § 8 BEinstG dafür gänzlich entfallen.
- Bis 2003 galten für bestimmte Branchen niedrigere Pflichtzahlen (z.B. 1:40 statt 1:25). Diese sollten wieder eingeführt werden.
- Unternehmen sollen einen Rechtsanspruch auf Förderung für die Anstellung von behinderten Menschen erhalten.
- Verbesserung der Rahmenbedingungen bei der Vergabe von Förderungen für behinderte Unternehmer und eine bundesweit einheitliche Förderung der Persönlichen Assistenz.
- Der Arbeitgeber soll einen Anspruch auf die Information haben, ob sein Mitarbeiter eine Behinderung aufweist.
Wir empfehlen Unternehmen, Behinderte einzustellen, weil
- sie motivierter sind als andere,
- der Mangel an Fachkräften bald zunimmt,
auch der Anteil der Kunden mit Einschränkungen zunimmt – schon aufgrund der Alterung.
Autorin: Mag. Pia-Maria Rosner-Scheibengraf
März 2022