EU-Umsetzung der Aarhus Konvention

Auf EU-Ebene sind zwei Richtlinien in Vorbereitung. Eine weitere ist bereits kundgemacht.

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Aktualisiert am 13.03.2023

Die Konvention von Aarhus wurde 1998 in der dänischen Stadt Aarhus unterzeichnet und soll den Zugang zu Umweltinformationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung sowie den Zugang von NGOs zu Behörden, Verfahren und Gerichten auf UN Ebene sicher stellen. Mit 16 notwendigen Ratifikationen trat die Aarhus Konvention am 30.10.2001 in Kraft. Auf EU-Ebene sind derzeit zwei Richtlinien in Vorbereitung, eine weitere ist bereits kundgemacht.

 


Aarhus-Konvention - Stand der Umsetzung

Die Umsetzung der Aarhus-Konvention bringt Neuerungen im Umweltinformationsrecht, insbesondere aber eine verstärkte Öffentlichkeitsbeteiligung bei Genehmigungsverfahren von UVP- und IPPC-Anlagen.

Die sogenannte Aarhus-Konvention - benannt nach der Stadt in Dänemark, in der sie unterzeichnet worden ist - wurde Juni 1998 als UN/ECE-Konvention beschlossen und trat am 30. Oktober 2001 in Kraft.

Zentrale Intention der Konvention ist es, die Beteiligung der Öffentlichkeit an umweltrelevanten Genehmigungsverfahren zu intensivieren und damit das Umweltbewusstsein der Bevölkerung zu stärken.

Die Erreichung dieses Ziels sieht die Konvention über 3 Säulen vor:

Erste Säule: Erleichterter Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über Umweltdaten

Eine entsprechende EU-Richtlinie wurde bereits verabschiedet (RL 2003/4/EG vom 28.1.2003).

Zweite Säule: Forcierung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltrelevanten Genehmigungsverfahren

Danach ist die "betroffene Öffentlichkeit" verstärkt am Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahren gem. UVP-RL sowie am Genehmigungsverfahren für sogenannte "IPPC-Anlagen" zu beteiligen.

Die entsprechende Umsetzungs-RL ist fertig, aber noch nicht verabschiedet.

Dritte Säule: Zugang zu Gerichten (access to justice)

Der Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einer unabhängigen Prüfungsinstanz soll unabhängig von einem Genehmigungsverfahren der "betroffenen Öffentlichkeit" eingeräumt werden, um Verwaltungsakte (und Unterlassungen) anzufechten, die bei Verstößen gegen Umweltvorschriften gesetzt (bzw unterlassen) worden sind.

Die EU-Kommission (GD Umwelt) hat dazu im April 2002 ein Arbeitspapier vorgelegt.

Die EU hat die Aarhus-Konvention bereits unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Zur Vorbereitung ihrer Umsetzung wurden folgende Richtlinien erarbeitet:

Zur 1. Säule: Erleichterter Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen:

Am 14.2.2003 trat eine neue Richtlinie über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen (RL 2003/4/EG) in Kraft. Sie ersetzt die RL 90/313/EWG über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (in Österreich umgesetzt durch das Umweltinformationsgesetz) und soll den Erfahrungen mit der Anwendung der genannten Richtlinie, der Rechtsprechung des EuGH, den neuen Kommunikationstechnologien und der Aarhus-Konvention über den Zugang zu Umweltinformationen Rechnung tragen. Die RL stellt eine Umsetzung der 1. Säule der Aarhus-Konvention dar.

In Erfüllung ihrer zwei Hauptintentionen - der Erleichterung des Zugangs der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und der Forcierung der Verbreitung von Umweltinformationen durch die Behörden - sieht die RL insbesondere folgende Neuerungen vor:

Erweiterung des Behördenbegriffs

Der Behördenbegriff wird erweitert: Als auskunftspflichtige Behörden gelten nun auch private Personen oder Institutionen, die von öffentlichen Organen mit Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Umwelt beauftragt wurden.

Wie bisher sind die Umweltinformationen jedermann auf Antrag zugänglich zu machen, ohne dass ein Interesse daran geltend gemacht werden muss.

Neue Definition der Umweltinformationen

Auch die Definition der "Umweltinformationen" wird ausgedehnt; ua fallen nun auch Maßnahmen wie Politiken, Pläne und Programme, die sich auf die genannten Umweltbereiche beziehen, darunter.

Verkürzung der Erledigungsfrist

Die Frist zur Erledigung eines Antrags auf Umweltinformationen wird gegenüber der geltenden Rechtslage halbiert. So hat die Behörde spätestens innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags dem Auskunftsbegehren zu entsprechen. Diese Frist ist im Falle besonders umfangreicher oder komplexer Informationen auf längstens 2 Monate ausdehnbar.

Aktive Informationspflicht der Behörden

Die Behörden haben nicht nur eine Auskunftspflicht hinsichtlich der bei ihnen vorhandenen oder für sie bereit gestellten Umweltinformationen, sie sind darüber hinaus auch zu einer aktiven und systematischen Verbreitung von Umweltinformationen in der Öffentlichkeit, insbesondere unter Anwendung moderner Technologien angehalten. Die Mitgliedstaaten haben dafür Sorge zu tragen, dass Umweltinformationen zunehmend in elektronischen Datenbanken der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Darunter sind nicht nur Informationen über Politiken, Pläne und Programme mit Bezug zur Umwelt, oder etwa Umweltzustandsberichte zu verstehen, sondern auch Informationen über Genehmigungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben und über Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Weiterhin Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen

Weiterhin ist der Schutz von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen vorgesehen: danach kann ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt werden, wenn die Bekanntgabe von Daten Auswirkungen auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse hätte; wie bisher hat eine Interessensabwägung stattzufinden.

Gebührenverordnung

Die Behörden können für die Bereitstellung von Umweltinformationen angemessene Gebühren erheben. Dazu wird spezifiziert, dass eine Gebührenverordnung zu veröffentlichen und den Antragstellern zugänglich zu machen ist. Bei einer Informationsverweigerung dürfen keine Gebühren verrechnet werden.

"Zugang zu Gerichten"

Eine gravierende Änderung gegenüber der geltenden Rechtslage stellt der im Artikel 6 (in Entsprechung der Aarhus-Konvention) eingeführte "Zugang zu Gerichten" dar. Danach ist einem Antragssteller, der geltend macht, dass sein Antrag nicht beachtet, fälschlicherweise abgelehnt oder unzulänglich beantwortet worden ist, der Zugang zu einem verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren einzuräumen.

Die neue Richtlinie macht eine Anpassung des Umweltinformationsgesetzes notwendig und ist bis 17.2.2005 umzusetzen.

Zur 2. Säule: Forcierung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Genehmigungsverfahren:

Seit 15. Jänner 2003 liegt die konsolidierte Fassung der RL "über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der RL 85/337/EWG (UVP-RL) und 96/61/EG (IPPC-RL) in Bezug auf Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten" vor. Mit Veröffentlichung der RL ist in Kürze zu rechnen, die Umsetzungsfrist beträgt 2 Jahre.

Die Richtlinie sieht im Wesentlichen folgende Neuerungen vor:

Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Erstellung von umweltbezogenen Plänen und Programmen:

Die Richtlinie listet taxativ jene Pläne und Programme auf, die davon betroffen sein sollen, wie Pläne gemäß der Abfalldeponierichtlinie, gemäß der Richtlinie über die Kontrolle der Luftqualität, gemäß der Verpackungsrichtlinie u.a. Die RL gilt nicht für Pläne und Programme, die der SUP-RL (RL 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme) unterliegen.

Die Öffentlichkeit ist über solche Pläne und Programme ausreichend zu informieren. Es ist ihr das Recht einzuräumen, sich dazu zu äußern; die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung sind bei der Entscheidung gebührend zu berücksichtigen.

Forcierte Öffentlichkeitsbeteiligung bei qualifizierten Genehmigungsverfahren

Als Novum wird der Begriff der "Betroffenen Öffentlichkeit" – mit weitreichenden Konsequenzen – eingeführt". Darunter ist jene Öffentlichkeit zu verstehen, die von der Entscheidung (über Erteilung einer Genehmigung etc) betroffen oder wahrscheinlich betroffen ist oder auch nur ein Interesse daran hat. Ausdrücklich legt die RL fest, dass Nichtregierungsorganisationen (NGOs) , die sich für den Umweltschutz einsetzen, jedenfalls ein Interesse haben und somit per definitionem unter diese Kategorie fallen.

Informationspflichten

Der Richtlinienvorschlag sieht eine aktive Informationspflicht des Genehmigungswerbers bzw der Behörde über alle im Laufe des Verfahrens aufscheinenden Informationen an die Öffentlichkeit vor.

Begriff NGOs:

Sowohl die Konvention als auch der Richtlinienvorschlag überlassen es den Mitgliedsstaaten, den Begriff der "nichtstaatlichen Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen" näher zu definieren.

Die RL sieht zur Verstärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung Änderungen der UVP- und der IPPC-RL vor:

a) Änderungen der UVP-Richtlinie

In der UVP-Richtlinie und demgemäss auch im österreichischen UVP-G 2000 ist bereits eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen. Gemäß des Richtlinienvorschlags zur Umsetzung der Aarhus-Konvention wären jedoch folgende Änderungen der UVP-Richtlinie (in der Folge auch des UVP-G 2000) notwendig:

  • Einbau von NGOs in das Genehmigungsverfahren (das würde Parteistellung von NGOs bedeuten)
  • der Änderungstatbestand müsste geändert/angepasst werden, da der Richtlinienvorschlag einen anderen Änderungstatbestand als die UVP-Richtlinie und das österr. UVP-Gesetz vorsieht.

Gemäß dem Richtlinienvorschlag sind Änderungen von Vorhaben, die per se eine gleiche Kapazität wie das Vorhaben aufweisen, jedenfalls UVP-pflichtig. Im geltenden UVP-G 2000 ist vorgesehen, dass bei Änderungen ab einem Ausmaß von 50 % in einer Einzelfallprüfung über die UVP-Pflicht zu entscheiden ist. Nach derzeitiger Rechtslage kann daher auch bei einer 100%igen Kapazitätsausweitung und darüber möglicherweise keine UVP-Pflicht vorliegen, und zwar dann, wenn die Einzelfallprüfung ergibt, dass mit dem Vorhaben keine wesentlichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt verbunden sind. Durch die Anpassung an die Aarhus-Konvention wird dieser Ermessensspielraum der Behörde eingeschränkt.

Das bedeutet, dass Anlagenänderungen bzw -erweiterungen, die gem. UVP-G 2000 derzeit nicht UVP-pflichtig sind, nach Umsetzung der RL eine UVP-Pflicht auslösen könnten.

"Zugang zu Gerichten"

Die RL verlangt, dass den Mitgliedern der Öffentlichkeit (auch NGO´s) der Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen unparteiischen Stelle einzuräumen ist, damit diese die verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Rechtsmäßigkeit von Entscheidungen bzw Unterlassungen anfechten können.

Als geeignete Stelle für diese Rechtsmittelbefugnisse käme in Österreich neben dem Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) der Umweltsenat in Frage, der die Kriterien der "unabhängigen Rechtsmittelinstanz", die sowohl die Konvention als auch der Richtlinien- Vorschlag vorschreibt, erfüllt.

b) Änderungen der IPPC-Richtlinie

Die RL nimmt eine Kronkretisierung der Definition "wesentliche Änderungen" vor, wonach eine Änderung jedenfalls dann als wesentlich anzusehen ist, wenn die Änderung oder Erweiterung für sich genommen den Schwellenwert des Anhang 1 erreicht. Bisher galt lt. IPPC-RL eine Änderung dann als "wesentlich", wenn sie (nach Auffassung der zuständigen Behörde) erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder die Umwelt haben kann. Die Definition der "wesentlichen Änderung" ist deshalb von so zentraler Bedeutung, da an sie eine Genehmigungspflicht gemäß IPPC-Regime geknüpft ist.

Besonders gravierend ist, dass die betroffene Öffentlichkeit nicht nur an den Verfahren zur Erteilung von Genehmigungen, sondern auch an der Aktualisierung der Genehmigung bzw der Genehmigungsauflagen zu beteiligen ist, wenn die durch die Anlage verursachte Umweltverschmutzung so stark ist, dass die in der Genehmigung festgelegten Emissionsgrenzwerte überprüft oder neue vorgesehen werden müssen.

"Zugang zu Gerichten"

Während bei UVP-Anlagen der Umweltsenat als Rechtsmittelinstanz zur Verfügung steht, käme bei IPPC-Anlagen nur der Verwaltungsgerichtshof in Frage. Ob dieser unter das Kriterium des "unabhängigen Gerichts", wie von der Konvention gefordert, fällt, war zu prüfen. Gemäß eines Gutachtens des österreichischen Verfassungsdienstes ist der Verwaltungsgerichtshof geeignet, die Voraussetzungen der Aarhus-Konvention zu erfüllen.

Ausblick

Es wird maßgeblich darauf zu achten sein, dass die neuen Vorgaben der Aarhus-Konvention und der EU-Richtlinien so umgesetzt werden, dass damit möglichst keine Verzögerungen der betroffenen Genehmigungsverfahren verbunden sind und im Sinne der Rechtssicherheit und Kalkulierbarkeit die bestehenden Rechtsvorschriften so weit wie möglich gewahrt bleiben. Hier ist also ganz besonders eine Umsetzung mit Augenmaß gefordert.

Zur Komplettierung des "Aarhus-Pakets" ist noch die Umsetzung der 3. Säule ("access to justice") ausständig, durch die ein gewaltiger Bürokratisierungsschub zu erwarten ist. Auch hier wird es maßgeblich auf die konkrete inhaltliche Ausgestaltung ankommen, wobei insbesondere verhältnismäßige Regelungen und die Hintanhaltung missbräuchlicher Anwendungen einzufordern sind.

Elisabeth Furherr
 

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