SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz

Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 28.4.2023

Lesedauer: 8 Minuten

Aktualisiert am 05.08.2023

Inhaltsübersicht

  • WKÖ wird aktiv im internationalen „war for talents“
  • COVID bremste Arbeitskräftemobilität in der EU
  • Christa Schweng - eine starke Stimme in Europa
  • Starke Gesundheit in Betrieben
  • Soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit geht anders
  • Warum wir jetzt handeln müssen
  • Neuer Leitfaden zur Beschäftigung von Geflüchteten


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Zum Tag der Arbeit eine gute und eine schlechte Nachricht: Rekordbeschäftigung, aber die Zahl der Arbeitslosen steigt voraussichtlich – weil sich die Konjunktur eintrübt und erstmals Vertriebene aus der Ukraine in die Statistik eingehen. Doch der Arbeitskräftemangel bleibt und wird sich schon allein aus demografischen Gründen verschärfen.

Lösungen sind gefragt: Die WKÖ setzt sich zuerst für die Ausschöpfung des Inlandspotenzials ein. Zum zweiten ist der EU-Arbeitsmarkt zu nützen, wobei wir uns aber nichts vormachen dürfen: Diese beiden Hebel allein werden nicht ausreichen, um den Arbeitskräftebedarf zu decken. Daher ist die WKÖ nun selbst aktiv im internationalen „war for talents“. 

Die meisten Herausforderungen betreffen die ganze EU. Christa Schweng, bis Ende April Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA), war und ist eine starke Stimme für nachhaltige Lösungen. 

Die Nationale Strategie Gesundheit zielt darauf ab, Gesundheit im Betrieb zu fördern. Jetzt gibt es Produkte für die Praxis.  

Anbei weiters Gastkommentare von Julia Moreno und Rolf Gleißner in Presse und Kurier sowie der neue Leitfaden zur Beschäftigung von Geflüchteten.

Alles Gute!

Rolf Gleißner


WKÖ wird aktiv im internationalen „war for talents“

WKÖ-Fachkräfte-Offensive (IFO) soll Fachkräfte nach Österreich holen

Da nicht nur in Österreich, sondern in allen Industriestaaten Arbeitskräfte fehlen, ist international bereits ein Wettbewerb um die besten Köpfe im Gang. Bisher hat Österreich sich daran kaum beteiligt. Die Wirtschaftskammer will das ändern. 

Die Eintrübung der Konjunktur ändert nichts daran: Der Arbeitskräftemangel ist der größte Bremser der Wirtschaft und wird sich noch verschärfen, denn die Ursache, die Demografie, ist vorhersehbar. Beim Inlandspotenzial gibt es noch Reserven – unter den Arbeitslosen, bei den 1,2 Mio Teilzeitbeschäftigten -, doch diese reichen nicht aus. Was den Zugang ausländischer Fachkräfte betrifft, brachte die letzte Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte wesentliche Verbesserungen, die bereits wirken: So wurden im ersten Quartal 2023 1.900 Rot-Weiß-Rot-Karten bewilligt, ein Anstieg von 50%. Doch auch das reicht nicht: Deutschland und andere Länder werben aktiv um Fachkräfte im Ausland. Österreich hat als kleines, nicht klassisches Einwanderungsland Aufholbedarf. 

Aktiv in sechs Fokusländern für 12 Fokusberufe 

Genau hier setzt die Internationale Fachkräfte-Offensive (IFO) der WKÖ an. Durch gezielte Maßnahmen in sechs Fokusländern sollen Fachkräfte gewonnen werden. Nach den Kriterien Demografie, Bildungssystem und (kulturelle) Nähe zu Österreich wurden Brasilien, Philippinen, Indonesien, Kosovo, Albanien und Nordmazedonien ausgesucht. Die Aktivitäten beziehen sich auf 12 Berufe mit besonderem Arbeitskräftemangel in den Bereichen IT, Handwerk, Elektro, Pflege und Tourismus. 

Die Wirtschaftskammer arbeitet dabei vielfach mit der Austrian Business Agency und dem Ministerium für Arbeit und Wirtschaft zusammen - ein Memorandum of Understanding wurde bereits unterzeichnet. Letztlich soll durch das WKÖ Projekt IFO die – derzeit komplizierte - Kundenreise von Unternehmen und Fachkräften durch folgende Aktivitäten wesentlich erleichtert werden:  

  • In Jobmessen werden bereits Unternehmen und ausländische Fachkräfte online oder vor Ort zusammengeführt.
  • Der Arbeitsstandort Österreich soll künftig beworben werden. Dazu wird die Dachmarke „Your Future Made in Austria“ aufgebaut.
  • Eine Hürde für die Rot-Weiß-Rot-Karte sind ausländische Ausbildungen, die oft mit inländischen schwer vergleichbar sind. Daher werden Ausbildungsstätten identifiziert, deren Qualifikation das AMS für die Rot-Weiß-Rot-Karte anerkennt. Zudem werden Tools entwickelt, damit Unternehmen (auch nicht formale) Kompetenzen von ausländischen Bewerbern feststellen können.
  • Zu dem Zweck kooperiert die WKÖ mit ausländischen Ausbildungsstätten und Behörden und schließt Vereinbarungen ab.
  • Teil von IFO sind branchenspezifische Pilotprojekte – so kamen bereits erste Pflegekräfte aus den Philippinen.
  • Unternehmen und Fachkräften werden mit Beratung, Service, Info-Material, mit Leitfäden und Lernstrecken auf www.wise-up.at unterstützt.
  • Private Geschäftsmodelle und Personalvermittler werden unterstützt.
  • Im Inland sollen das Verfahren zur Erlangung der Rot-Weiß-Rot-Karte und die Anerkennung ausländischer Ausbildungen erleichtert und beschleunigt werden.

Fazit: Qualifizierte Zuwanderung ist kein Selbstläufer und funktioniert nicht über Nacht. Es wird Jahre dauern, bis „Straßen“ für internationale Talente nach Österreich gebaut sind. Immerhin haben Wirtschaftskammer, ABA und das Arbeitsministerium damit begonnen. 

Weitere Infos unter: Internationale Fachkräfte-Offensive - WKO.at


von Jakob Pühringer, MA



COVID bremste Arbeitskräftemobilität in der EU 

Österreich zieht viele EU-Arbeitskräfte an 

Der Bericht der Europäische Kommission zur innereuropäischen Arbeitskräftemobilität zeigt interessante Trends während der Pandemie auf. Weil in der ganzen EU die Arbeitskräfte fehlen, wird der Arbeitskräftemangel dadurch kaum reduziert. 

Stabil 10,2 Mio EU-Bürger im erwerbsfähigen Alter leben in einem anderen Mitgliedstaat. Die Zahl der Übersiedlungen in einen anderen Mitgliedstaat gingen aufgrund von COVID und Beschränkungen um ca. 14% zurück. 30% der „EU-Migranten“ leben in Deutschland, den höchsten Anteil hat Luxemburg mit 42% der Gesamtbevölkerung. Insgesamt leben mehr als 57% aller EU-Migranten in Deutschland, Spanien oder Italien. Österreich liegt mit 588.000 Personen und einem Anteil von 15% an der Erwerbsbevölkerung weit über dem EU-Schnitt. Die wichtigsten Herkunftsländer sind Rumänien (27% aller EU-Migranten), Polen (12%) und Italien (10%). 

Abbildung 1 EC Annual Report on Intra-EU Labour Mobility 2022
© Eurostat

Abbildung 1 EC Annual Report on Intra-EU Labour Mobility 2022

1,7 Mio Menschen so genannte Grenzgänger haben Wohnsitz und Dienstort in verschiedenen EU-Ländern. 70% sind Männer, 46% arbeiten am Bau. Sie ballen sich in bestimmten Regionen, etwa in der Centrope-Region (Österreich, Ungarn, Slowakei und Tschechien). Die meisten Ströme gehen in einkommensstarke Länder wie Österreich, Luxemburg, Deutschland und die Schweiz.

Verringert die Mobilität den Arbeitskräftemangel?

Innerhalb der EU-Erwerbsbevölkerung von rund 210 Mio Menschen sind nur 10 Mio, also rund 5% EU-Migranten. Der eher geringe Anteil deutet auf fortbestehende Hürden hin, seien sie sprachlich, rechtlich oder kulturell. Tendenziell sind die mobilen Arbeitskräfte besser qualifiziert als die einheimische Bevölkerung. 

Die Europäische Arbeitsmarkbehörde (ELA) hat festgestellt, dass, nachdem die Demografie und die langjährige Geburtenflaute ganz Europa betrifft, auch mehr oder weniger alle EU-Staaten dieselben Mangelberufe und kaum Überschussberufe aufweisen. Die innereuropäische Mobilität reduziert den Arbeitskräftemangel also insgesamt kaum, sondern verschiebt eher den Arbeitskräftemangel von den Ziel- zu den Herkunftsstaaten. 

Fazit: Das Potenzial der innereuropäischen Mobilität ist bei weitem nicht ausgeschöpft, sodass diese den Arbeitskräftemangel nicht entscheidend reduziert. Die Europäische Kommission empfiehlt den Staaten daher Maßnahmen, um die Beschäftigung zu erhöhen, etwa beim Pensionsantrittsalter, bei Frauen, Teilzeitbeschäftigten, gesundheitlich Beeinträchtigten und bei der legalen Migration aus bestimmten Drittstaaten. 

 

von Mag. Peter Dohr, EU Representation



Christa Schweng - eine starke Stimme in Europa

An der Spitze des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses in einer herausfordernden Zeit


Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist ein beratendes Organ der EU. Er umfasst Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und andere Interessengruppen (Landwirte, Verbraucher, NGOs) und repräsentiert die Zivilgesellschaft bzw. die Sozialpartnerschaft auf EU-Ebene.


2020 wurde mit Christa Schweng aus der WKÖ erstmals eine Wirtschaftsvertreterin aus Österreich zur Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) gewählt. Ende April 2023 endet ihr Mandat, in das intensive Arbeit und Erfolge in vielen wirtschaftsreleventen Themen fielen. 

Ein wirtschaftlich prosperierendes, sozial inklusives und ökologisch nachhaltiges Europa waren Christa Schwengs Arbeitsschwerpunkte, ihr Motto "United for the Future of Europe". Dabei stand die Bewältigung der Folgen zuerst der COVID-Pandemie, dann von Russlands Krieg in der Ukraine im Mittelpunkt. Schweng brachte Vorschläge aus der Zivilgesellschaft ein in rund 300 bilateralen Terminen und Konferenzauftritten, 120 Medienkontakten und zahlreichen Plenardebatten mit insgesamt 90 Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.

Konkret rückte die Präsidentin den Arbeitskräftemangel in Europa in den Fokus sowie die Notwendigkeit, Skills, Aus- und Weiterbildung stärker am Arbeitsmarkt auszurichten. In der Folge hat die EU 2023 zum „Jahr der Kompetenzen“ ausgerufen. Schweng setzte sich erfolgreich für gezielte Investitionen in den digitalen und grünen Wandel aus EU-Mitteln ein (Wiederaufbau- und Resilienzfazilität). Fortschritte gab es auch bei der Annäherung der Westbalkanstaaten an die EU, einem besonderen Anliegen Österreichs. Bereits eine Woche vor der Entscheidung der EU-Staats- und Regierungschefs hatte der EWSA in einer Resolution dazu aufgerufen, der Ukraine den Beitrittskandidatenstatus zu gewähren.

Einsatz für Arbeitskräftesicherung und grünen Wandel mit der Wirtschaft 

Im Hinblick auf den grünen Wandel stellte der EWSA unter der Führung von Schweng klar, dass dieser nur mit und nicht gegen die Wirtschaft gelingen kann. Die vom EWSA gemeinsam mit der EU- Kommission initiierte Plattform Kreislaufwirtschaft zeigt auf, dass die ökologischen Herausforderungen nur mit der Innovationskraft von Unternehmen zu meistern sind. In den letzten 2,5 Jahren verdoppelte sich die Zahl der best practices auf dieser Plattform auf rund 800. 2022 riefen EWSA, Kommission und andere Partner die "EU Organic Awards" ins Leben, die an Institutionen und Unternehmen gehen, die nachhaltig wirtschaften und Bio-Produkte forcieren. Der EWSA ist für die Preiskategorien KMU, Einzelhandel und Restaurants verantwortlich. 

Unter der Präsidentschaft wurden zahlreiche interne Reformen umgesetzt, aber auch Initiativen, um dem EWSA mehr Sichtbarkeit und Einfluss zu verschaffen. So schloss man ein Arbeitsübereinkommen mit Kommissionspräsidentin von der Leyen ab, das dem EWSA das Recht gibt, sich zu ausgewählten Themen bereits vor Verabschiedung neuer Kommissionsinitiativen einzubringen. Auch in der Konferenz zur Zukunft Europas arbeitete der EWSA intensiv mit. So wurde ein Wettbewerbsfähigkeits-Check europäischer Politikmaßnahmen durchgesetzt und letztlich der EWSA als Institution gestärkt. 

Die EWSA-Spitze wechselt nun turnusmäßig zur Arbeitnehmergruppe und wird mit Oliver Röpke vom ÖGB erneut von der österreichischen Sozialpartnerschaft besetzt. Christa Schweng bleibt in der EWSA-Arbeitgebergruppe aktiv. 

Abschlussrede von Präsidentin Schweng European Parliament Webstreaming page (europa.eu)




Starke Gesundheit in Betrieben

Am 28.4. ist Welttag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Arbeit ist ein wichtiger Gesundheitsfaktor, bei dem Betriebe und Mitarbeiter unterstützt werden sollen. Zu dem Zweck haben Arbeits- und Gesundheitsministerium bereits 2019 gemeinsam mit der Sozialversicherung, dem Fonds Gesundes Österreich und den Sozialpartnern den Startschuss für die Nationale Strategie Gesundheit im Betrieb gesetzt. Die Strategie wird in den Bereichen ArbeitnehmerInnenSchutz, Betriebliche Gesundheitsförderung und Betriebliches Eingliederungsmanagement umgesetzt - die sich in einem gemeinsamen Verständnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement (BGM) widerspiegeln. 

Jetzt gibt es mit Informationsfolder,Erklärvideo und BGM-Check für Betriebe Produkte für die Praxis. Das Arbeitsprogramm 2023 sieht vor die Weiterentwicklung des BGM-Checks, Qualifizierungsmaßnahmen für Berater, eine Machbarkeitsstudie, eine Institutionen-Charta, weitere Partnerschaften & Kooperationen sowie verstärkte Öffentlichkeitsarbeit.



Soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit geht anders

Mehr Pensionisten, weniger Kinder, weniger Erwerbstätige, die noch kürzer arbeiten. "Da reicht Volksschule Sauerland, um zu wissen: Wir müssen was machen", sagte einst Müntefering/SPD. Das gilt auch für Österreich, schreibt Rolf Gleißner im Kurier. 

https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7052522186951069696/



Warum wir jetzt handeln müssen

Österreich altert und der Mangel an Arbeitskräften wird sich ausweiten. Dies betrifft letztlich uns alle und zwingt uns zum Handeln, schreibt Julia Moreno in der Presse. 

https://www.diepresse.com/6263330/warum-wir-jetzt-handeln-muessen



Neuer Leitfaden zur Beschäftigung von Geflüchteten

Die Wirtschaftsuniversität erstellte in Kooperation mit WKÖ und Industriellenvereinigung eine Broschüre zur Beschäftigung von Menschen mit Fluchterfahrung. Diese informiert und unterstützt Betriebe, die Geflüchtete beschäftigen (wollen). 

https://www.wko.at/service/unternehmensfuehrung-finanzierung-foerderungen/Refugee-Talents_2023_WU.pdf




Impressum
Wirtschaftskammer Österreich
Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien
Abteilung für Sozial- und Gesundheitspolitik
Leiter: Mag. Dr. Rolf Gleißner
Telefon: +43 (0)5 90 900 4286
sp@wko.at
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