Wiener Wirte
© Florian Wieser

Schwere Kost(en) für Wirte

Die Preiserhöhungen in der Gastronomie haben der Branche den Vorwurf der Preistreiberei eingebracht. Für Wiens Wirte ist der Schritt aber notwendig, um überleben zu können.

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Aktualisiert am 05.08.2023

Post von seinem Energieversorger trieb Philipp Pertl, Chef des Restaurants „Fladerei” im Simmeringer Einkaufszentrum Huma eleven, jüngst den Schweiß auf die Stirn. Der Inhalt liegt ihm immer noch schwer im Magen. Satte 11.000 Euro Nachforderung ergab die Jahresabrechnung der Wien Energie. Inklusive der gleichzeitig fälligen Vorauszahlung für das laufende Jahr soll Pertl demnächst rund 17.000 Euro an das Energieversorgungsunternehmen überweisen. Noch weiß er nicht genau, wie er damit umgehen soll - „das Gespräch mit Wien Energie suchen und auf eine gute Lösung hoffen”, sagt der Junggastronom. Erst im Mai 2022 hat Pertl sein Lokal eröffnet - als Franchisenehmer eines Systemgastronomiekonzepts, das auf gefüllte Fladen und Bier setzt. Den Schritt in die Selbstständigkeit hatte er in der Corona-Zeit geplant, es war wohl durchdacht und durchkalkuliert. Womit Pertl aber nicht gerechnet hatte, war die rasante Teuerung, die vergangenes Frühjahr so richtig einsetzte. Nahrungsmittel, Getränke, Mieten, zugekaufte Dienstleistungen und vor allem Energie - überall hat es in den letzten Monaten saftige Preiserhöhungen gegeben.

„Wir sind laufend gefordert, hart kalkulieren zu müssen.”

Alleine bei Lebensmitteln betrug die Teuerung zuletzt (Mai 2023) fast 15 Prozent. Mehl, das neben Gemüse, Fleisch, Wurst, Käse und Schinken für Pertls „Fladerei” eine wichtige Grundzutat darstellt, war zwischenzeitig sogar doppelt so teuer wie im Jahr 2021. Ähnliches gilt für Zucker, Nudeln und Speiseöl. Diesen Mai wurden dann noch die Mitarbeiterlöhne um durchschnittlich 9,3 Prozent erhöht. Das alles schlägt voll auf die Kalkulation der Wirte durch. Pertl musste seine Preise um neun bis zehn Prozent erhöhen - weniger als die Kostenerhöhungen, denen er selbst ausgesetzt ist, betont er. „In vollem Ausmaß kann man die Kostensteigerungen gar nicht weitergeben, das würden die Kunden nicht akzeptieren.”

Tourismus ist ein gewichtiger Sektor im österreichischen Warenkorb

Mit seiner Preisanpassung bewegt sich Gastronom Pertl durchaus im Bereich der Inflationsrate. Diese ist im Juni erstmals seit einem Jahr wieder auf unter neun Prozent gesunken, liegt mit acht Prozent aber weiterhin deutlich über dem Durchschnittswert der Eurozone (5,5 Prozent) und auch höher als in Deutschland (6,4 Prozent). Dass die Gastronomie die Inflation bei uns stärker beeinflusst als in anderen Ländern der Eurozone, liegt an der Zusammensetzung des Warenkorbs. In Österreich ist der Tourismus darin weit stärker gewichtet als etwa in Deutschland. Wird das Bier im Wiener Gasthaus also um fünfzig Cent teurer, so schlägt das hierzulande viel stärker auf die Inflationsrate durch als bei den Nachbarn.

Gespart wird, wo geht

Stark gestiegene Einkaufspreise sind auch für Thomas Peschta, Inhaber des traditionsreichen Gasthauses Peschta in Hütteldorf, eine Herausforderung. Bier sei innerhalb von sechs Monaten zweimal um je zehn Prozent teurer geworden. „Das den Kunden zu vermitteln, war eine schwierige Sache”, sagt er. Die explodierenden Gaspreise versuchte er, mit Umstellungen in der Küche und Einsparungen in allen Bereichen abzufedern. „Wir haben vieles auf Druckkochtöpfe umgestellt, um die Zubereitungszeiten zu reduzieren”, erzählt er. Auch die Photovoltaikanlage am Dach, die immerhin ein Sechstel seines jährlichen Strombedarfs deckt, und sein guter Stromvertrag machen sich jetzt bezahlt. Peschta ist kürzlich einer Einkaufsgenossenschaft beigetreten. „Das hat mir viel geholfen, ich habe mir zwei, drei Prozent beim Wareneinsatz ersparen können”, betont er. Doch nun schlagen die höheren Mitarbeiterlöhne zu Buche. „Damit man mich nicht falsch versteht - ich gönne es den Mitarbeitern, und höhere Löhne steigern auch die Attraktivität der Branche. Aber es sind wieder Kosten, die auf den Preis draufgehen”, sagt der Gastronom, der „Gottseidank auf überwiegend verständnisvolle Kunden” zählen kann.

Wirte zählen auf Verständnis der Gäste

Die Wiener wüssten, dass auch die Gastronomen der Teuerung nicht auskommen, sagt auch Markus Grießler, Tourismus-Obmann in der WK Wien. „Deshalb ist die Akzeptanz von moderaten Preiserhöhungen sicherlich gegeben. Es sieht ja jeder, dass die Preise für Nahrungsmittel und Energie stark gestiegen sind. Und so versteht auch jeder, dass das den Preisdruck auf die Gastronomie erhöht.” Dass die Wirte bereit sind, auch Kostensenkungen weiterzugeben, zeigt das Beispiel des Bier- und Burger-Lokals „Hawidere” in Rudolfsheim-Fünfhaus. Auch dort mussten im letzten Jahr die Verkaufspreise wegen gestiegener Energie- und Rohstoffpreise erhöht werden. Nun kündigte das Unternehmen per Aussendung an, die Verkaufspreise um bis zu 8,8 Prozent senken zu wollen, weil ein günstigerer Energieliefervertrag, der Einsatz energieeffizienterer Geräte und Energiesparmaßnahmen die eigenen Kosten wieder reduziert haben.

Frequenz gut, Trinkgeld sinkt

Ein aktueller Blick in die Wiener Restaurants vermittelt den Eindruck, dass die meisten Wiener ihren Wirten die Treue halten. Im Sommer gut frequentiert sind vor allem die Schanigärten - deren schönste die WK Wien soeben ausgezeichnet hat. Dennoch merkt man, dass die Gäste sparen, sagt Peschta - in seinem Lokal eher beim Essen als beim Trinken. „Es wird öfter aufs Dessert oder den Kaffee verzichtet.” Auch beim Trinkgeld werde eindeutig weniger ausgegeben, „vor llem, wenn mit Karte gezahlt wird.” Von einem fixen Trinkgeldzuschlag hält der Gastronom aber wenig. „Bei uns bleibt das eine freiwillige Zugabe des Gastes.”

Leitungswasser macht auch Kosten

Auch Philipp Pertl lehnt einen fixen Trinkgeldzuschlag ab. Das Glas Leitungswasser - ein weiteres Gastro-Aufregerthema – ist bei ihm dagegen seit kurzem nicht mehr gratis. „Das hat ja überhandgenommen. Ganze Tische haben nur noch Leitungswasser bestellt”, so der „Fladerei”-Chef. Mit 80 Cent pro Viertelliter- Glas liegt er ohnehin unter den Kosten, die die WK Kärnten für das Servieren eines Glases Leitungswasser berechnet hat. Peschta hat Verständnis für Kollegen, die das so handhaben. Bei ihm ist Leitungswasser aber weiterhin gratis. „Wir sind ein Dienstleistungsbetrieb, das gehört zum Service. Und wenn jemand das dritte Glas Wasser zum kleinen Espresso bestellt, dann löse ich das mit Charme.”

Wasser
© wkw/Berechnung: FG Gastronomie Kärnten