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Reduzieren und Kompensieren

Weniger CO² verursachen ist auch für Wiener Unternehmen eine entscheidende Zukunftsfrage. Immer mehr Betriebe kaufen CO²-Zertifikate und geben sich „grün”. Doch was bringt das eigentlich?

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 17.10.2023

Die EU will bis 2050 klimaneutral werden, Wien schon bis 2040. Dafür sind gewaltige Investitionen notwendig. Und noch mehr: Ein anderes Denken ist gefragt, eine angepasste Lebensweise, eine klimafreundliche Mobilität, ressourcenschonendes Produzieren, Kreislaufwirtschaft. Ein Kernziel ist dabei, deutlich weniger CO2-Emissionen zu verursachen als bisher, um die weitere Erderwärmung zu stoppen.

Unternehmen haben dabei eine entscheidende Rolle - als Entwickler neuer Technologien, als Investoren, aber auch als Verursacher von Emissionen. Immer mehr Betriebe setzen aktiv auf Emissionsvermeidung, kaufen CO2-Zertifikate und vermarkten beides. Alles nur „Greenwashing” oder ein echter Beitrag?

Es kommt darauf an, wie man es angeht, sagen Wiener Experten. Etwa die Nachhaltigkeitsmanagerin Katharina Kotynkowiecz. Die 28-Jährige arbeitet in der Wiener Agentur sgreening, die seit 2018 Unternehmen in der Nachhaltigkeitskommunikation unterstützt.

Kathatina Kotynkowiecz
© Pippan/WKW Kathatina Kotynkowiecz

„Viele Unternehmen beginnen mit Bienenstöcken am Dach oder pflanzen einen Baum, aber das ist nicht das Wichtigste. Viel bedeutender ist es, sich die Emissionen des Unternehmens in allen Bereichen anzusehen.”

Viel bedeutender sei, sich die Emissionen des Unternehmens in allen Bereichen anzusehen - im Fuhrpark, bei Dienstreisen, bei der Strom- und Wärmeversorgung, in der Herstellung von Waren und Dienstleistungen, im Einkauf benötigter Materialien etc. „Dann sieht man schnell, wo der größte Schaden entsteht und wo die größte Wirkung erzielt werden kann”, sagt Kotynkowiecz.

Anschließend geht es um die Strategie, die individuellen Ziele und den Zeitplan. Manches ist sofort umsetzbar, anderes gelingt vielleicht erst später. „Man sollte sich ehrgeizige, aber erreichbare Ziele setzen”, erklärt die Beraterin.

Parallel dazu mit Kompensationsprojekten zu beginnen, hält Kotynkowiecz für sinnvoll: „Das ist auf jeden Fall besser, als nur zuzuwarten, bis die eigenen Projekte wirken. Man hat ja auch schon in der Vergangenheit CO2 verursacht.” Ersatz für eigene Maßnahmen sind Kompensationen aus ihrer Sicht aber nicht. Denn kompensieren solle man nur jenen Teil des eigenen CO2-Fußabdrucks, den man durch eigene Anstrengungen nicht weiter reduzieren kanRestlichen Fußabdruck kompensieren

Bei der Auswahl der Kompensationsprojekte ist Engagement gefragt, denn das Angebot ist mittlerweile riesig: Anbieter gibt es in Österreich ebenso wie im Ausland, auch die Vereinten Nationen (UN) spielen als Vermittler von Projekten eine führende Rolle. Manche verkaufen Zertifikate für eigene Projekte, andere vermitteln ausschließlich Fremdprojekte. Viele Projekte werden unabhängig geprüft und haben Fortschrittsberichte, bei anderen fehlen diese Kontrollen. Einige Projekte reduzieren den CO²-Ausstoß, andere bauen CO² aktiv ab. Auch bei den Zertifikaten gibt es große Unterschiede.

Kompensationsprojekte gibt es in der ganzen Welt, auch in Österreich. Oft geht es um Aufforstungen, Projekte der ökologischen Energieerzeugung oder thermische Sanierungen, im Ausland mitunter auch um Trinkwasserversorgung oder Abfallentsorgung mit sozial positiven Aspekten. „Man muss sich ansehen, was am besten zu einem passt”, rät Kotynkowiecz. Viele Plattformen bieten einfache Rechner, die bei der Abschätzung des eigenen Kompensationsbedarfs mit einem Näherungswert unterstützen.

Ehrlich sein ist besser als übertreiben

Hat man seine Entscheidung für ein Projekt getroffen, geht alles ganz einfach: Mit wenigen Klicks hat man ein Zertifikat gekauft. Für die Darstellung des eigenen Engagements spielen diese Zertifikate eine immer größere Rolle. Kotynkowiecz rät Unternehmen hier aber zu Transparenz und Ehrlichkeit: „Es ist ehrlicher zu sagen ,Wir unterstützen Ausgleichsprojekte’ als ,Wir sind klimaneutral’.” Das vermeide den Vorwurf des „Greenwashings”, stärke das Vertrauen der Konsumenten und werde in der EU bald auch rechtlich klarer gefordert werden.

Ein Wiener Unternehmen, das zu freiwilligen Klimaschutzbeiträgen berät und die Unterstützung entsprechender Projekte anbietet, ist Kommunalkredit Public Consulting (KPC) mit ihrem 2008 gegründeten Bereich Climate Austria. Bisher wurden hier mehr als 400 Klimaschutzprojekte mit den freiwilligen Beiträgen - in Summe fast drei Millionen Euro - von Unternehmen, Privaten und der öffentlichen Hand unterstützt. Der Großteil der Projekte befindet sich in Österreich, etwa jedes sechste im Ausland. Eines davon ist das 2022 angebotene Windpark-Projekt in Neukaledonien, einer zu Frankreich gehörenden Inselgruppe östlich von Australien. Die Windräder reduzieren die Abhängigkeit der Bewohner von fossilen Energieträgern, sparen jährlich mehr als 30.000 Tonnen CO2 und schaffen dauerhaft 25 Arbeitsplätze, berichtet KPC. Die Fluglinie Austrian Airlines ist einer der Gründungspartner von Climate Austria. Seit dem Vorjahr können ihre Kunden bei Online-Buchungen auf Wunsch die CO2-Kompensation für ihren Flug über Climate Austria direkt mitbuchen.

CO2 dauerhaft binden

Einen anderen Weg verfolgt das 2022 gegründete, gemeinnützige Wiener Unternehmen blue life. Es verkauft keine Zertifikate, sondern vermittelt Investitionen in „CO2-Senken” - derzeit für die Aufforstung von Mangrovenwäldern im südostasiatischen Myanmar. Weitere Projekte in anderen Ländern sind in Vorbereitung. Die neuen Wälder verringern nicht einfach nur den CO2-Ausstoß, sondern senken den CO2-Gehalt in der Luft. Sie neutralisieren also jene Emissionen, die unvermeidlich sind, durch den CO2-Entzug aus der Atmosphäre und verbessern somit die CO2-Bilanz des Investors. Dieser Weg sei nachhaltiger als der Kauf von CO2-Zertifikaten, Unternehmen hätten dadurch einen Wettbewerbsvorteil, meint blue life. Im Vorjahr wurden bereits 325.000 Mangroven für namhafte Unternehmen und Großevents gepflanzt, berichtet blue life.


CO2 kompensieren

Mit der Unterstützung von CO2-Kompensationsprojekten im In- und/oder Ausland können Unternehmen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Gleichzeitig notwendig - und noch wichtiger - ist allerdings, den eigenen CO2-Fußabruck in möglichst vielen Bereichen zu reduzieren. Manches hat der Betrieb selbst in der Hand, anderes nur über die Auswahl von Lieferanten. Bei Kompensationsprojekten ist viel Recherche bzw. gute Beratung notwendig. Anbieter gibt es national und international, die Projekte sind unterschiedlich wirksam.