Die Wiener Unternehmerin Rita Huber von Rita bringt's
© Markus Fruehmann/Ritabringts

Klimaschutz wird Betriebsalltag

Immer mehr Wiener Unternehmen engagieren sich für den Umwelt- und Klimaschutz, stellen dafür ihren Betrieb um und investieren kräftig. Leicht ist das allerdings oft nicht. Experten fordern daher Unterstützung.

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Aktualisiert am 08.11.2023

Rita Huber hat Nachhaltigkeit zu ihrem Geschäftsmodell gemacht. 2014 hat sie Rita bringt's, ihr Lieferservice und Catering für vegetarisches und veganes Bio-Essen, gegründet und stellt ausschließlich per Lastenrad zu. Am Beginn gab es nur ein Rad mit Anhänger, erinnert sie sich. Heute besteht ihr Fuhrpark aus 19 Lastenrädern mit E-Antrieb, sechs Lastenrädern ohne E-Antrieb, einem Schwerlast-Transportrad und vier Anhängern. Über eine Million Kilometer wurde dieserart schon zurückgelegt, damit wurden 310 Tonnen CO2 gespart. Zudem werden keine Lebensmittel verschwendet: Die Reste vom Catering bekommen die Gäste einfach mit. Lebensmittel nicht zu verschwenden, schreibt sich auch das Wiener Unternehmen Unverschwendet ganz groß auf die Fahnen. Die Geschwister Cornelia Diesenreiter und Andreas Diesenreiter (bei uns auf der Titelseite) haben Unverschwendet 2015 gegründet und bisher mehr als 15 Millionen Kilogramm an genießbarem Obst und Gemüse angeboten. Was zu klein, zu groß oder zu krumm ist, nicht die richtige Farbe hat oder zum falschen Zeitpunkt reif ist, wird hier zu allerlei Feinkost verarbeitet. Neuerdings rettet Unverschwendet auch tonnenweise Waffelbrösel aus der Wiener Manner-Produktion und macht daraus Gin.

Betriebe investieren in Umweltschutz

In Wien setzen immer mehr Betriebe Investitionsprojekte um, die gut für die Umwelt und das Klima sind. Laut einer Befragung der Wirtschaftskammer Wien im heurigen Frühjahr planten 52 Prozent der befragten Wiener Betriebe, heuer in

Unternehmen und Nachhaltigkeit
© Quelle: Deloitte Sustainability Check 2023

Projekte zu investieren, die die Ressourcen schonen - deutlich mehr als im vergangenen Jahr. Auch die Umstellung des Heiz- oder Kühlsystems und das Abfallmanagement stehen nun stärker im Fokus als früher. Ein Unternehmen, das hier schon viel erreicht hat, ist der Spezialist für Schlüssel und elektronische Zutrittssysteme, EVVA, mit Sitz in Meidling. Beim Materialeinsatz liegt die Recyclingquote schon bei 70 Prozent, der Großteil der Maschinen arbeitet bereits ohne Öl und Wasser. Seit 2013 wird am Dach der Zentrale Sonnenenergie gewonnen, mittlerweile produziert die laufend wachsende Photovoltaik (PV)-Anlage 285.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr - das entspricht dem Jahresbedarf von 80 Haushalten. Weitere PV-Anlagen hat EVVA am Dach seiner Werke in den Niederlanden, Italien und ab 2024 in Tschechien. EVVA hat eine detailliert ausgearbeitete Nachhaltigkeitsstrategie und veröffentlicht jährlich Nachhaltigkeitsberichte. Eben solche Berichte werden ab dem kommenden Jahr für immer mehr Unternehmen Pflicht; was und wie zu berichten ist, wird von der EU künftig strenger und einheitlicher vorgegeben (siehe Infokasten unten). „Heute müssen etwa 120 Unternehmen in Österreich nicht finanzielle Informationen veröffentlichen. Bis 2027 werden von den neuen, wesentlich ausgeweiteten Berichtspflichten zirka 2000 Unternehmen betroffen sein”, weiß die Wiener Nachhaltigkeitsexpertin, Mariella Julia Franz Auch die in Wien ansässige Österreich-Niederlassung des internationalen Wasserspender-


Anbieters Culligan hat in eine große PV-Anlage investiert: 200 Kilowatt Maximalleistung (kWp) befinden sich am Dach der Abfüllanlage in der Steiermark, wo heuer auf eine emissionsfreie Abfüll- und Waschanlage umgestellt wurde. Durch letztere werden jährlich 40.000 Liter Heizöl und mehr als 100.000 Kilogramm CO2 eingespart. Zudem fährt ein großer Teil des Fuhrparks elektrisch, Kartonverpackungen werden wiederverwendet und bis 2025 werden bei der Quelle nahe Judenburg 10.000 Bäume gepflanzt. Bei der Planung und Umsetzung der Maßnahmen wird Culligan von OekoBusiness Wien-Fachleuten beraten. Eine leistungsstarke PV-Anlage hat auch der Wiener Caterer und Lieferant für hausgemachte Mittagessen im Büro, Impacts Catering, aus Floridsdorf vorzuweisen. 125 kWp sind hier schon seit 2015 verbaut und sparten bisher mehr als 400 Tonnen CO2 ein. Nächstes Jahr kommen weitere 120 kWp dazu. Mit dem Sonnenstrom wird vor allem gekocht und der elektrische Fuhrpark aufgeladen. Geliefert wird das Essen vom Webrestaurant.at in Mehrweg-Boxen und auf nachhaltigem Porzellangeschirr, das von den hauseigenen Fahrern bei der nächsten Lieferung wieder abgeholt wird. Impacts Catering ist Träger des österreichischen Umweltzeichens und kauft Lebensmittel hauptsächlich regional ein. Auf Recycling und Kreislaufwirtschaft voll ausgerichtet ist auch das erst im vorigen Jahr gegründete Wiener Unternehmen Circularful, das eine Matratze entwickelt hat, die nur aus Stahl und Polyester besteht und zu 99 Prozent recycelbar ist. Die Kreislaufwirtschaft-Matratze nutzen bereits acht Hotels der Vier- und Fünf-Sterne-Kategorie in Österreich und bekommt beste Gästebewertungen, berichtet Gründerin Verena Judmayer. Ist die Matratze einmal abgelegen, wird sie von Circularful-Partnern abgeholt und wiederverwertet. Jede Matratze spart 60 Kilogramm bzw. 50 Prozent CO2 gegenüber einer herkömmlichen, so das Unternehmen.

Interview Marielle Franz
© wkw

Unterstützung durch die Politik

Investitionen in umweltrelevante Projekte finanziell zu stemmen, wird für Wiener Betriebe indes immer schwieriger. Die Kosten für Anschaffungen sind durch die Teuerung massiv gestiegen, zugleich haben sich auch Kreditfinanzierungen deutlich verteuert, während sich öffentliche Förderungen nicht in diesem Ausmaß mitentwickelt haben. Der auch in Wien ansässige internationale Wirtschaftsprüfer Deloitte fordert daher Unterstützung durch die Politik: „Die Politik darf die Unternehmen auf ihrem Weg in eine nachhaltigere Zukunft nicht allein lassen”, sagt der Nachhaltigkeitsexperte von Deloitte Österreich, Christoph Obermair. „Die Bereitstellung finanzieller Mittel in Form von zielgerichteten Förderungen ist in diesem Zusammenhang das Um und Auf, um die hohen Kosten der Transformation zu stemmen. Nur so kann nachhaltiges Wirtschaften langfristig zur Normalität in Österreich werden”, so der Experte. Im aktuellen Sustainability


Check  hat Obermair untersuchen lassen, wie weit die heimischen Betriebe bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsprojekten schon sind. Sein Fazit: Das Problembewusstsein ist da, vielfach fehlt aber eine Strategie zur Reduktion der eigenen CO2-Emmissionen. Damit seien die Klimaziele noch lange nicht in Reichweite, sagt Deloitte. Ruck: „Betriebe sind Wegbereiter” Großes Lob für das Engagement der Wiener Betriebe kommt hingegen von WK Wien-Präsident Walter Ruck: „Die Energiekrise hat Investitionen in Nachhaltigkeitsprojekte in einigen Bereichen beschleunigt. Ihren Fokus haben Wiener Betriebe aber schon viel länger auf Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Maßnahmen gegen den Klimawandel gerichtet”, so Ruck. Zudem seien Wiener Betriebe auch bei der Entwicklung neuer Umwelttechnologien international sehr erfolgreich - von klimafreundlicher Energiegewinnung bis zu „smarter” Abfallaufbereitung. Sie seien „maßgebliche Wegbereiter für die gemeinsame Bewältigung der Klimakrise”. Die EU plant, bis 2050 klimaneutral zu sein, Wien bis 2040.