Sophie Drescher
© Florian Wieser

Jung, hochbegabt und ausgebremst

Die Junge Wirtschaft Wien fordert, Gründen ab 16 Jahren zu ermöglichen. Wiener Jugendliche erzählen, wieso sie bereit sind, ein Unternehmen zu gründen und erfolgreich zu führen.

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 05.08.2023

Mit 16 Jahren darf bzw. kann man in Österreich viele Dinge machen: wählen, arbeiten  oder Alkohol konsumieren. Ein Unternehmen zu gründen gehört allerdings nicht dazu - zumindest noch nicht. Geht es nach der Jungen Wirtschaft Wien, soll sich das in Zukunft ändern: „Wir möchten talentierten Jugendlichen die Chance geben, schon mit unter 18 ihre Ideen zu verwirklichen”, erklärt Clemens Schmidgruber, Vorstandsvorsitzender der Jungen Wirtschaft Wien. „Ich habe in den vergangenen Monaten so beeindruckende junge Persönlichkeiten kennengelernt, die ein fertig entwickeltes Unternehmenskonzept, einen Prototypen, eine App - teilweise sogar Investorenzusagen - in der Tasche haben und jetzt ein bis zwei Jahre Daumen drehen müssen, bis sie legal gründen dürfen.”

Denn das Gesetz sieht aktuell vor, dass man unter 18 Jahren weder ein Gewerbe anmelden noch eine Gesellschaft gründen, nicht Geschäftsführer sein oder GmbH-Anteile halten darf. „Manche 16- und 17-Jährige stehen älteren Gründern aber in nichts nach und wir vergeuden hier ein gewaltiges Potenzial”, so Schmidgruber. Gleichzeitig stellt er klar: „Die derzeitige Altersgrenze von 18 Jahren zur Erreichung der vollen Geschäftsfähigkeit macht grundsätzlich Sinn und stellen wir nicht in Frage. Für besondere Talente soll es aber einen realistischen Weg geben, die Geschäftsfähigkeit frühzeitig zu erlangen – etwa durch ein beschleunigtes Verfahren vor dem Familiengericht in Kombination mit einer Absolvierung der Unternehmerprüfung.”

Clemens Schmidgruber
© Florian Wieser Clemens Schmidgruber

Rechtliche Hürden sollen abgebaut werden.

Ich bin bereit

Einer, der davon profitieren würde, ist Juan-Sebastian Ostos Aguilar. Im Rahmen eines Schulprojekts an der Vienna Business School Akademiestraße hat er gemeinsam mit seinem Schulkollegen Adrian Ernst (16) das Projekt „Future-Homes” auf die Beine gestellt. „Wir haben im Zuge eines SDG-Schulprojekts vor zirka eineinhalb Jahren die Idee entwickelt, aus recyceltem Plastik Bauziegel herzustellen - diese Ziegel kann man dann wie Legosteine miteinander verbinden, sodass am Ende ein stabiles, nachhaltiges Haus entsteht”, erklärt der 17-jährige, der bereits mit der TU Wien zusammengearbeitet hat, um den Bauziegel auch für den Bau von Bungalows zu testen und anzupassen. Auch eine Firma, die den Prototypen herstellen kann, haben die beiden schon an Land gezogen - sowie eine Reihe von Investoren. „Das einzige, was uns noch fehlt, ist die ,Erlaubnis’ zu gründen, darauf müssen wir leider noch bis 2024 warten”, erklärt der Schüler mit Kopfschütteln. „Mit 16 darf ich mich zwar offiziell ,besaufen’, aber etwas Sinnvolles wie ein Unternehmen zu gründen darf ich nicht tun.”

Einige nutzen Schlupflöcher

Ein Schlupfloch zu nutzen - wie viele andere Jugendliche das machen - und das Unternehmen über die eigenen Eltern oder seine ältere Schwester zu gründen, kommt für Ostos Aguilar trotzdem nicht in Frage. „Wir haben so viel Herzblut und Energie in dieses Projekt gesteckt, da ist es mir wichtig, dieses Unternehmen selbst zu gründen. Ich möchte persönlich zum Gründerservice der Wirtschaftskammer Wien gehen, um das Gewerbe dort anzumelden”, erzählt er voller Vorfreude auf den Tag „X”.

Adrian Ernst, Juan-Sebastian Ostos Aguilar
© Florian Wieser Adrian Ernst (l., 16) und Juan-Sebastian Ostos Aguilar (17) wollen endlich ihr Unternehmen „Future-Homes“ gründen.


Know-how ist altersunabhängig

Was die Wiener trotz ihres jungen Alters vielen Gründern voraus haben, ist ein umfangreiches wirtschaftliches Know-how, aber auch viel persönliches Engagement. „Wir werden in der Schule schon ziemlich gut auf das Unternehmer-Dasein vorbereitet. Das ist sicher ein Vorsprung, den andere nicht haben”, erklärt er. „Das zeigt aber noch einmal mehr, dass das Alter nichts mit dem Können zu tun. Viele weit über 18-Jährige wissen oft nicht, was sie eigentlich tun - dürfen aber rein rechtlich ein Unternehmen gründen.”  Um das Wissen künftiger Gründer zu stärken, statt von Vornherein einzubremsen, fordert die Junge Wirtschaft Wien deshalb den Ausbau des inner- und außerschulischen Entrepreneurship-Bildungsangebots für Jugendliche. „So können sie sich schon vor Erreichen des 18. Lebensjahres das nötige Basiswissen aneignen, das es für eine Unternehmensgründung braucht”, erklärt Clemens Schmidgruber, der gemeinsam mit Rechtsexperten und betroffenen Jugendlichen an möglichen Lösungen arbeitet (siehe dazu Infos zum Round Table auf Seite 8).

Vielbeschäftigt

Mit einer durchschnittlichen Jugendlichen hat man es bei Sophie Drescher auch nicht zu tun. Die 17-Jährige besucht den Start-up-Zweig einer Handelsakademie im 13. Bezirk, arbeitet daneben als Moderatorin und Modell und ist als Social-Media-Redakteurin aktiv. Gemeinsam mit einem Freund hatte sie die Geschäftsidee für die App „green”, die ab Herbst verfügbar sein soll. Ein digitaler Marktplatz, der Unternehmen und deren Produkten als Bühne dient, die zuvor auf deren Handeln im Sinne der Nachhaltigkeit überprüft wurden. Damit sollen kritische Konsumenten die Möglichkeit bekommen, sich einfach vor der Kaufentscheidung über den ökologischen Fußabdruck zu informieren.

Start-up-Events statt Partys

Wenn man derart beschäftigt ist, kann es schon einmal passieren, dass man von der Schulsportwoche für einen Tag zurück nach Wien fährt, um eine Veranstaltung zu moderieren. „Das sind Dinge, die man normalerweise nicht als Jugendliche macht”, ist sie sich klar: „Aber ich mache das, was ich mache, einfach unheimlich gerne und dann ist das auch in Ordnung.”

Dass Freundschaften dabei zu kurz kommen, glaubt die junge Frau nicht. „Ich gehe sehr gern auf Start-up-Events, das lässt sich mit Freunde Treffen verbinden. Jedes Wochenende Party zu machen wie andere will ich ohnehin gar nicht”, so Drescher: „Ich will wirklich etwas Gescheites machen in meinem Leben und etwas bewegen.” Damit ist ihrer eigentlichen Leidenschaft, nämlich dem Umsetzen von Business-Ideen, bisher vor allen Dingen eines im Weg gestanden - ihr Alter. Sich vorzeitig für volljährig erklären zu lassen, bringe nicht viel, sagt sie. Denn es dauert einige Monate, bis dieser Antrag durch ist und dann ist die Altersgrenze von 18 Jahren ohnehin in greifbarer Reichweite. Doch Drescher hat Glück - ihre Eltern, selbst auch Unternehmer, unterstützen sie nach allen Regeln der Kunst und leisten auch Unterschriften, wenn es etwa um Haftungsfragen geht. Bei ihren Freunden sieht das zum Teil anders aus: „Es ist schwierig, wenn Eltern nicht verstehen, was man tut oder die deutsche Sprache gar nicht so gut können. Viele von meinen Freunden haben echt coole Business-Ideen, aber können sie nicht gescheit oder richtig umsetzen. Dann ist es nicht leicht, Lösungen zu finden”, berichtet Drescher aus ihrem Umfeld.

In Deutschland ist es einfacher

Die Bedenken hinsichtlich der Möglichkeit, ein Unternehmen mit so jungen Jahren zu gründen, kann sie verstehen. Allerdings liegt hier auch für die Gesellschaft eine Chance am Tisch,  junge Potenziale zu fördern. Denn mit durchschnittlichen Jugendlichen hat man es hier nicht zu tun. Im Ehrgeiz, der Motivation und Professionalität in der Herangehensweise erinnern sie eher an junge Leistungssportler - die allerdings gefördert anstatt gebremst werden. In Österreich wie auch international. Doch auch was Firmengründungen betrifft, ist es in anderen Ländern - etwa in Deutschland - für diese Altersgruppe wesentlich einfacher, etwas zu bewegen. „Ich glaube, Österreich könnte hier zeigen, dass es innovativ ist und für Jugendliche etwas tut. Denn es heißt immer: ‚Die Jugend ist wichtig’, ‚Die Jugend ist unsere Zukunft’. Aber wieso macht man es uns dann so schwer?”, fragt Drescher.

Trend Richtung junger Gründer

Dass in Wien viel Potenzial für die Zukunft in den Gründern steckt, zeigen auch die kürzlich veröffentlichten Gründerzahlen vom ersten Halbjahr 2023. „In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden in Wien 4943 Unternehmen gegründet, um 6,6 Prozent mehr als im Jahr davor”, sagt Schmidgruber. Damit erreichte die Gründerhauptstadt Österreichs - ein Viertel aller Neugründungen passiert in Wien - den höchsten Halbjahreswert seit mehr als zehn Jahren. Auch ein Blick auf die Altersstruktur der Gründer zeigt, dass immer mehr unter 30-Jährige den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Wien war mit einem Altersschnitt von rund 36 Jahren schon immer Vorreiter bei den jungen Gründern, dieser Trend setzt sich nun langsam auch in Gesamtösterreich durch. So stieg der Anteil der unter 30-jährigen Gründer hier im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 um fast zwei Prozent. 

Junge ins Boot holen

„Die Zahlen belegen einmal mehr: Wien ist nicht nur die lebenswerteste Stadt Österreichs, sondern auch die Stadt, in der viele großartige Ideen geboren und erfolgreiche Unternehmen gegründet werden. Umso wichtiger ist es, Hürden für Gründer weiter abzubauen und insbesondere die Unternehmerinnen und Unternehmer von morgen schon heute ins Boot zu holen”, so Schmidgruber.