Molekül
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Hoffnungsträger grüner Wasserstoff

Im Sinne einer nachhaltigen Zukunftsgestaltung wird dieser Energieträger als einer der vielversprechendsten gehandelt. Rund um grünen Wasserstoff wird daher viel geforscht und getüftelt. Weltweit entscheidende Pionier-Projekte finden gerade in Wien statt.

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Aktualisiert am 22.09.2023

Ob Wasserstoff grün ist oder nicht, hängt rein von dessen Gewinnung ab. Denn bei der Verbrennung entsteht lediglich reines Wasser, Schadstoffe fallen keine an. Zur Erzeugung hingegen werden Wassermoleküle (H2O) in Sauerstoff und Wasserstoff (H2) gespalten. Mit Hilfe von Elektrolyse, wofür Strom gebraucht wird. Grün ist der Wasserstoff dann, wenn dafür erneuerbare Energien herangezogen werden. Von braunem Wasserstoff spricht man, wenn Kohle verwendetet wird und von grauem im Falle von Gas.

Vor- und Nachteile

Das Elektrolyse-Verfahren ist allerdings sehr energieintensiv und benötigt mehr Energie als der Wasserstoff im Anschluss liefert. Auch dessen Speicherung benötigt aktuell noch viel Energie, da dieser dafür verflüssigt oder unter hohem Druck verdichtet wird. Hohe Energieverluste und eine wenig ausgebaute Infrastruktur machen diesen Energieträger daher aktuell noch für einen breiten Einsatz uninteressant.

Klare Vorteile von Wasserstoff liegen hingegen in seinen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten wie auch in seiner hohen Leistungsfähigkeit. Bei seiner Verbrennung können derart hohe Temperaturen erzeugt werden, dass sich H2 sogar zum Betreiben von Hochöfen eignet. Dafür wie auch für die industrielle Produktion musste bisher auf fossile Brennstoffe zurückgegriffen werden.
Der Einsatz von grünem Wasserstoff, erzeugt durch erneuerbare Energien, könnte das ändern. Außerdem werden im Falle von Ökostrom dringend Speichermedien gebraucht, die etwa Überschüsse aus Solar- oder Windenergie für den Verbrauch bereithalten. Denn Wasserstoff kann auch dann seine hohe Leistungsfähigkeit entfalten, wenn keine Sonne scheint oder der Wind auf sich warten lässt.

Forschung und Entwicklung

Um das volle Potenzial dieses Energieträgers auszuschöpfen und ressourcenschonend zu gestalten, ist daher nicht zuletzt der Ausbau erneuerbarer Energiegewinnung notwendig, wie auch Forschung und Entwicklung, um die Energieverluste bei der Erzeugung und Speicherung zu verbessern. Ein Markthochlauf wird also noch auf sich warten lassen. Wien Energie rechnet damit laut einer Aussendung ab dem Beginn der Dreißigerjahre.
Doch tut sich hierzulande gerade einiges, um dies voranzutreiben. Unterstützt wird das von der Bundesregierung. So wird etwa im Rahmen der im Vorjahr beschlossenen Wasserstoff-Strategie bis 2030 für ein Voranbringen der heimischen H2-Wirtschaft über eine halbe Milliarde Euro an Förderungen zur Verfügung gestellt. Eine weitere Maßnahme ist die im Juni ins Leben gerufene Plattform Hydrogen Partnership Austria, die nationale Ressourcen und Förderungen bündeln und den Dialog zwischen den heimischen Akteuren fördern will.

Wien als Wasserstoff-Drehscheibe in Österreich

Hohe Ziele hat zudem die Wiener Stadtwerke-Gruppe, zu der unter anderem Wien Energie, Wiener Netze und die Wiener Linien gehören. Einem konzernweiten Fahrplan zufolge, will man Wien bis 2030 zur zentralen Wasserstoff-Drehscheibe im Osten Österreichs machen.

Aktuell errichten Wien Energie und Wiener Netze in Zusammenarbeit die erste städtische Wasserstoff-Erzeugungsanlage in Simmering. Die Inbetriebnahme ist für Herbst geplant. Mit einer Leistung von drei Megawatt sollen täglich bis zu 1300 Kilogramm grüner Wasserstoff aus nachhaltigen Quellen gewonnen werden. Diese Menge reicht aus, um etwa 60 Lkw zu betanken. Dieser grüne Wasserstoff ist in Zukunft für Industriepartner beziehbar, darüber hinaus ist am selben Standort die Errichtung einer Wasserstoff-Tankstelle für Busse und Lkw geplant - übrigens die zweite dieser Art in Wien. „Wir verfügen über mehr als 100 Jahre Erfahrung im Umgang mit verschiedenen Energien in fester, flüssiger und gasförmiger Form. Mit unserem Wissen tragen wir dazu bei, dass die Produktion, die Verdichtung und der Transport von Wasserstoff zu den Tankstellen gut über die Bühne gehen”, freut sich Wiener Netze-Geschäftsführer Gerhard Fida.

Pilotprojekt in der Donaustadt

Ein wichtiges Pilotprojekt findet darüber hinaus im Kraftwerk Donaustadt, das von Wien Energie betrieben wird, statt. Hier wird gerade internationale Pionierarbeit geleistet, die sogar weltweit einen wichtigen Schritt in Richtung Klimaneutralität bedeuten kann. Im Rahmen eines Betriebsversuches - gemeinsam durchgeführt von Wiener Stadtwerken, Wien Energie, Verbund, Siemens Energy und RheinEnergie - wird in einer Gasturbine dem normalerweise eingesetzten Energieträger Erdgas zusätzlich Wasserstoff beigemischt.
Dabei ist das Kraftwerk Donaustadt eine der österreichweit modernsten und wohl auch leistungsstärksten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, wo Wärme mit einer Leistung von 350 Megawatt erzeugt und Strom mit bis zu 395 Megawatt. Es versorgte im Jahr 2020 umgerechnet 850.000 Haushalte mit Strom und 150.000 mit Wärme. Für diesen Versuch war vorab eine Umrüstung vonnöten, was eine Investition von rund zehn Millionen Euro mit sich brachte.

Im Kraftwerk Donaustadt wird derzeit erstmals weltweit die Beimischung von Wasserstoff in einer kommerziell genutzten erdgasbetriebenen Gas-Dampf-Turbinenanlage getestet.
© Max Kropit Im Kraftwerk Donaustadt wird derzeit erstmals weltweit die Beimischung von Wasserstoff in einer kommerziell genutzten erdgasbetriebenen Gas-Dampf-Turbinenanlage getestet.


Ablaufphasen

Seit Mitte Juli werden nun an Testtagen unterschiedliche Wasserstoffmengen beigemischt. „Begonnen haben wir mit fünf Prozent, mittlerweile haben wir auch schon mehrere erfolgreiche Testtage mit 15 Prozent H2-Anteil durchgeführt. Das ist ein wichtiger Zwischenerfolg”, ist Karl Gruber, Geschäftsführer von Wien Energie, mit den bisherigen Resultaten zufrieden. Die Ergebnisse sollen im Frühjahr 2024 ausgewertet vorliegen. In Überlegung ist bereits ein Nachfolge-Projekt, im Zuge dessen soll der Anteil des beigemischten Wasserstoffes auf rund 30 Volumenprozent erhöht werden.

Potenzial dieses weltweit ersten Versuchs

Doch so viel ist bereits sicher: Bei einer Beimischung von 15 Prozent an grünem Wasserstoff im Kraftwerk Donaustadt würden jedes Jahr rund 33.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Projektes will Wien Energie die Anlage für den Dauerbetrieb zur Beimischung von Wasserstoff zertifizieren lassen.

Es ist der weltweit erste Versuch dieser Art an einer kommerziell genutzten Gas- und-Dampfturbinen-Anlage in dieser Leistungsklasse. Dem Projekt wird viel Bedeutung beigemessen, da der im Kraftwerk Donaustadt eingesetzte Typus sehr verbreitet ist.

Die beteiligten Unternehmen erwarten sich, aus den hier gewonnenen Daten zentrale Erkenntnisse hinsichtlich der Effizienz und der Emissionen der Wasserstoff-Mitverbrennung über den gesamten Betriebsbereich zu ziehen. Dies soll zur Weiterentwicklung von wasserstofffähigen Gasturbinen-Komponenten und Kraftwerksinfrastrukturen beitragen. 

„Der Wasserstoff-Betriebsversuch bei uns im Kraftwerk Donaustadt hat europa- und weltweite Bedeutung für die Energiewende. Derselbe Turbinentyp ist in Europa mehr als 115-mal, weltweit sogar mehr als 360-mal im Einsatz. Wenn der Turbinenhersteller die Turbinen für einen teilweisen Betrieb mit Wasserstoff zertifiziert, dann können alle Nutzer des Turbinentyps auch ihre Gasturbinen entsprechend nachrüsten.”