Übergabe
© Fernanda Nigro

Gesucht und gefunden

Wieso Betriebsübergaben eine gute Alternative zu Neugründungen sein können, wie die WK Wien unterstützt und welche Verbesserungen es braucht, damit künftig mehr Übernehmer gefunden werden.

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 25.10.2023

Es gibt ein Sprichwort, das sagt, man soll aufhören, wenn’s am Schönsten ist”, lächelt Steffi Steinfellner. Die Unternehmerin hat mehr als 13 Jahre erfolgreich einen Kosmetiksalon in Wien Meidling geführt und ihn nun an ihre Nachfolgerin Günay Akkus übergeben. „Für mich war es schon schwer den Betrieb herzugeben, aber irgendwann bin ich an dem Punkt angelangt, an dem ich dachte, so - ich möchte jetzt die Zeit, die ich noch habe, genießen und die Pension antreten”, erzählt die 63-Jährige.

„Den Betrieb zu übernehmen war für mich die beste Entscheidung.”

Viele Übergaben stehen an

Die mittlerweile pensionierte Unternehmerin ist damit nicht alleine. Im Vorjahr wurden in Wien mehr als 1700 Unternehmen übergeben - Tendenz steigend. Denn 60 Prozent der Unternehmer ab 55 Jahren wollen in den nächsten Jahren ihren Betrieb weitergeben, so eine Studie der KMU-Forschung Austria. „In den kommenden zehn Jahren werden mehr als 12.000 Arbeitgeberbetriebe in Wien zur Übernahme anstehen. Davon betroffen sein werden 180.000 Beschäftigte”, erklärt Clemens Schmidgruber, Vorstandsvorsitzender der Jungen Wirtschaft Wien. Die Gründe für die steigenden Zahlen bei Betriebsübernahmen liegen auf der Hand: „Der demographische und technologische Wandel aber auch strukturelle Veränderungen führen dazu, dass in den nächsten Jahren immer mehr Betriebe auf Nachfolgesuche gehen werden”, so Schmidgruber.

Gesucht und gefunden

Auf der Suche war auch Günay Akkus – allerdings nach einem Platz, um ihre Kosmetik-Behandlungen durchführen zu können. „Ich war eine Zeit lang bei meiner Schwester im Friseursalon eingemietet, der Platz war dort aber sehr knapp. Deshalb habe ich mich immer wieder umgeschaut”, schildert die 39-Jährige. Eine Kundin hat sie schließlich auf einen Artikel in der WIENER WIRTSCHAFT, der in Kooperation mit der Nachfolgebörse) erschienen ist, aufmerksam gemacht. „Im Artikel war Steffi Steinfellner zu sehen, die ihren Salon zur Übergabe anbot”, erzählt Akkus. „Als ich bemerkt habe, dass das der Salon ist, an dem ich fast täglich vorbeigehe, weil wir gleich in der Nähe wohnen, ist mir erst einmal die Kinnlade runtergefallen”, schildert die Unternehmerin. Einen Anruf später stand sie in besagtem Salon und diskutierte mit Steinfellner über die Möglichkeit, den Betrieb zu übernehmen.

Zahlen
© Quellen: WK Wien, WKÖ, KMU Forschung Austria

Übergabe geglückt

Mittlerweile ist Akkus die Inhaberin des Salons in der Breitenfurterstraße 17. Sie ist gerade dabei, den Standort mit viel Liebe zum Detail umzugestalten. Ihre Vorgängerin, Steffi Steinfellner, begrüßt das: „Jeder Mensch ist anders und hat seine eigene, persönliche Note – es hat ja etwas Gutes, wenn wieder etwas Neues entsteht und frischer Wind reinkommt”, freut sie sich. Sehr ähnlich sind sich Übergeberin und Übernehmerin dagegen bei anderen Dingen: „In all den Jahren habe ich immer großen Wert auf Qualität im Umgang mit meinen Kunden gelegt. Das war für mich auch eines der wichtigsten Kriterien bei der Übergabe – meine Kunden in professionellen Händen zu wissen ”, erklärt Steinfellner, die ihren Kundenstock an ihre Nachfolgerin „mitvererbt” hat.

Clemens Schmidgruber „Übernahmen
bringen oft
Startvorteile.”
Interview mit Clemens Schmidgruber,
Vorsitzender der Jungen Wirtschaft Wien

Welche Rolle spielen Übernahmen für Wiens Wirtschaft?
Erfolgreiche Unternehmensnachfolgen können zur Sicherung von Arbeitsplätzen, zum Erhalt der regionalen Nahversorgung, Innovationsfähigkeit und Dynamisierung der heimischen Wirtschaft beitragen.
Welche Vorteile bietet eine Betriebsnachfolge
Im Regelfall wird bei einer Übergabe ein großer Kundenstock mitübergeben. Das ist einer der größten Vorteile. Auch bürokratische Hürden z.B. für Genehmigungen fallen oft weg, weil sie schon vorhanden sind. Und: Bei den Unternehmen, die zur Übergabe anstehen, handelt es sich hauptsächlich um etablierte Unternehmen, die wirtschaftlich erfolgreiche Betriebe weitergeben.
Mit wie vielen Übergaben ist in den nächsten Jahren zu rechnen?
In den nächsten zehn Jahren rechnen wir mit rund 12.000 Arbeitgeber-Betrieben, die zur Übergabe anstehen und 180.000 davon betroffenen Beschäftigten. Zurückzuführen ist das vor allem auf den demografischen Wandel in Österreich und Wien.

Übergabe ist „Win-Win” für alle Beteiligten

Das ist einer der vielen Vorteile, den Betriebsübernahmen im Gegensatz zu Neugründungen bieten: „Bei einer Neugründung startet man quasi bei Null, bei einer Nachfolge wird oft ein großer Kundenstamm mitübergeben”, so Schmidgruber. Hinzu kommen bürokratische Hürden, die sich Nachfolger größtenteils ersparen. „Viele Genehmigungen sind durch den Vorgänger bereits vorhanden und müssen nicht auf langem bürokratischen Weg erst erlangt werden.”

Viele verzeichnen Umsatzsteigerungen nach der Übernahme

Dass sich die Nachfolge im wahrsten Sinne des Wortes auszahlt, zeigen die Erfolgsbilanzen der Übernehmer: „Die meisten Unternehmen haben sich nach der Übernahme wirtschaftlich gut entwickelt. 61 Prozent konnten seit der Übergabe Umsatzsteigerungen erzielen. 60 Prozent der Nachfolger steigerten das Investitionsvolumen. Auch die Beschäftigungssituation blieb bei etwa der Hälfte stabil, 36 Prozent der Nachfolger stellten sogar zusätzliches Personal an”, ergänzt Schmidgruber. Grund für diese positive Entwicklung von Nachfolgeunternehmen ist, dass die zur Übergabe anstehenden Betriebe meist etablierte Unternehmen sind, die auch wirtschaftlich erfolgreiche Betriebe weitergeben.

Viele Vorteile auch für die Wiener Wirtschaft

Auch die heimische Wirtschaft profitiert von solchen erfolgreichen Betriebsübernahmen: „Erfolgreiche Unternehmensnachfolgen können zur Sicherung von Arbeitsplätzen, dem Erhalt der regionalen Nahversorgung, Innovationsfähigkeit und Dynamisierung der heimischen Wirtschaft sowie zum Erhalt von Wettbewerbsvorteilen beitragen”, zählt Schmidgruber auf.

Woran Übernahmen scheitern

Fehlende fachliche Qualifikation, hohe Kosten aufgrund von Ablösesummen für Waren oder Mitarbeiter, die Lage des Objekts oder unterschiedliche Vorstellungen der Weiterführung eines Betriebes sind mitunter Gründe, warum Übernahmen trotz der vielen genannten Vorteile nicht immer klappen.

Der richtige Zeitpunkt ist essenziell

Auch die Wahl des richtigen Zeitpunktes bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger kann ausschlaggebend für den Erfolg einer Übergabe sein. „Man muss Loslassen können, abgeben können, vertrauen, dass das eigene Lebenswerk entsprechend fortgeführt wird”, schildert Steinfellner ihre eigenen Erfahrungen. „Das ist natürlich nicht immer leicht, dennoch lässt sich das beste Verkaufsergebnis erzielen, wenn das Unternehmen finanziell am besten dasteht. Dieser Zeitpunkt wird jedoch öfter verpasst”, ergänzt Schmidgruber, der allen Unternehmen, die in den nächsten Jahren planen ihren Betrieb zu übergeben, rät, sich jetzt schon mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Denn: Während familieninterne Übernahmen relativ schnell vonstattengehen, kann es bei externen Nachfolgen schon einmal mehrere Monate dauern, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden ist.

In Zukunft immer weniger familieninterne Übernahmen

Genau solche externen Übergaben werden immer mehr Usus. Aktuell liegt der Anteil familieninterner Übernahmen bei 55 Prozent, der Anteil der Übernahmen durch Externe liegt bei 45 Prozent. „Die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass sich der Trend zu externen Unternehmensübergaben langfristig durchsetzen wird”, so Schmidgruber.

Bewusstsein potenzieller Übernehmer schärfen

Damit wirtschaftlich erfolgreiche Betriebe nicht schließen müssen und das mit viel Herzblut und Mühe aufgebaute Know-how und Kundennetzwerk durch eine Schließung nicht für immer verloren geht, brauche es deshalb ein stärkeres Bewusstsein bei den potenziellen Übernehmern, ist sich Schmidgruber sicher. „Betriebsübernahmen sind in der Öffentlichkeit oft nicht so präsent und spielen eine eher kleinere Rolle. Doch man muss das Rad nicht immer neu erfinden.” Da sieht auch die frischgebackene Kosmetik-Salon-Inhaberin, Günay Akkus so: „Mit einer Nachfolge übernimmt man natürlich auch eine große Verantwortung und ich hab am Anfang schon geschluckt und mir Gedanken gemacht, ob ich dieser Verantwortung auch gerecht werde. Aber für mich war es die beste Entscheidung, den Salon von Steffi zu übernehmen. Ich bin unendlich froh, dass ich mich getraut habe, diesen Schritt zu machen.”

Verbesserung für die Nachfolge gefordert

Um Betriebsübernahmen für potenzielle Übernehmer noch attraktiver zu machen, setzt sich die Junge Wirtschaft Wien vehement für Verbesserungen der Rahmenbedingungen ein (siehe Infobox oben). „Das Neugründungsförderungsgesetz (Neufög), bringt Neugründern in der ersten Zeit viele Erleichterungen - das soll auch für Übernahmen gelten. Wir denken da zum Beispiel an die Lohnnebenkosten. Bei Betriebsübernahmen gibt es - anders als bei Neugründungen - keine Erleichterungen bei den Lohnnebenkosten der Mitarbeiter. Dabei müssen Übernehmer im Regelfall sogar bestehendes Personal mitübernehmen”, erklärt Schmidgruber