Fußpflegerin und Kosmetikerin Simone Muck, Ein-Personen-Unternehmerin in Wien
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Eine(r) für alles

Sie sind dynamisch, sie sind flexibel und spielen eine entscheidende Rolle in Wiens Wirtschaft - die rund 70.000 Wiener Ein-Personen-Unternehmen. Welche Vorteile aber auch Herausforderungen das „Alleinsein” mit sich bringt, erzählen Wiener EPU.

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Aktualisiert am 26.03.2024

Im Bild: Fußpflegerin und Kosmetikerin Simone Muck, Ein-Personen-Unternehmerin in Wien.

Ich bin ein Mensch, der erst richtig glücklich ist, wenn er sein Ding machen kann”, erzählt Simone Muck. Die ausgebildete Fußpflegerin und Kosmetikerin hat sich im Jahr 2022 selbstständig gemacht und einen Salon in der Taborstraße 51 eröffnet - allein, als Ein-Personen-Unternehmen (EPU). „Als EPU bin ich zwar allein im Geschäft, ich fühle mich aber nie alleingelassen, weil ich ein breites Netzwerk habe und weiß, wo ich mir Unterstützung holen kann, wenn ich sie brauche”, erklärt die 40-jährige Unternehmerin, die davor in verschiedenen Bereichen als Angestellte tätig war und durch Zufall den Bereich Fußpflege kennen und lieben gelernt hat. „Die Ausbildung zur podologischen Fußpflegerin habe ich berufsbegleitend unter anderem am WIFI gemacht”, erzählt Muck. Als Grund für den Schritt in die Selbstständigkeit nennt sie die dadurch gewonnene Unabhängigkeit. „Ich muss nicht von neun bis fünf im Geschäft stehen, sondern kann mir die Kundentermine selbst einteilen. Das ist auch leichter vereinbar mit der Betreuung meiner einjährigen Tochter. Und: Ich kann meine Prioritäten so setzen, wie ich es möchte”, sagt Muck, die bei Ausstattung und Angebot großen Wert auf Qualität und Hygiene legt und dafür auch laufend Fortbildungen absolviert. „Als EPU hat man nicht den ständigen Dialog mit Kolleginnen und Kollegen. Umso wichtiger ist es, dass man sich sein Netzwerk selbst aufbaut - dann hat man auch als einzelne Person ein Schwarmwissen, auf das man zurückgreifen kann”, erklärt Muck, die unter anderem Branchenevents der WK Wien nutzt, um sich regelmäßig fortzubilden und sich mit anderen auszutauschen. „Ich war schon oft in der Situation, wo ich bei einem Problem sofort gewusst habe, wie ich es lösen kann, weil mir Branchenkolleginnen und -kollegen davon erzählt haben”, betont die Unternehmerin. Auch ihre Kooperationspartnerin hat Muck auf diesem Weg kennengelernt: „Im Krankheitsfall oder bei Notfällen steht man als EPU alleine da - mir war es wichtig, dass ich eine Kooperationspartnerin finde, die meine Kundinnen und Kunden mit derselben Qualität betreut, wenn ich ausfalle.

Interview mit Kasia Greco
© Michael Strobl-Photography Interview mit Kasia Greco, EPU-Sprecherin und Vizepräsidentin der WK Wien

70.000 EPU in Wien

Muck ist eine von rund 70.000 EPU in Wien. Rund 60 Prozent aller Unternehmen in Wien sind EPU, die meisten in den Sparten Gewerbe und Handwerk, im Handel und im Consultingbereich. „EPU spielen eine entscheidende Rolle in Wiens Wirtschaft: Sowohl im B2B wie auch im B2C Bereich. Im B2B Bereich helfen sie durch ihr Fachwissen, ihre Agilität und ihre Flexibilität den österreichischen Mittelstand zu stärken, indem sie dort unterstützen, wo größere Unternehmen erst umfassendere Prozesse etablieren müssten, die mit großer Ressourcenbindung und hohen Kosten verbunden werden. EPU steigen in die Struktur ein, erledigen die Aufgaben und steigen wieder aus”, betont Kasia Greco, EPU-Sprecherin und Vizepräsidentin der WK Wien.

One-Woman-Show

Schnelle und effektive Unterstützung für andere Unternehmen bieten - das wollte auch Michaela Benkitsch. Die Unternehmensberaterin hat sich vor bereits zehn Jahren als EPU selbstständig gemacht. „Ich habe mich in meinem alten Job irgendwann wie in einem Korsett gefühlt - da kam der Gedanke auf, mich selbstständig zu machen.” Nun hilft sie anderen Unternehmen dabei, das gleiche zu tun. „Ich bin Markenstrategin und Positionierungsexpertin und unterstütze andere dabei, ihre Marke zu entwickeln und zu schärfen - das geht von der Findung der Zielgruppe bis zur Positionierung in der Öffentlichkeit”, so Benkitsch, die das „Allein-Sein” auch als wichtiges Argument bei der Kundenakquise sieht: „Ich vergleiche EPU ganz gerne mit einem Motorboot - damit ist man ist flexibel und schnell - und man kann auch spontan einmal anlegen, innhalten - mit einem großen Unternehmen wäre das nicht möglich.”

Mit Partnern an Größe gewinnen

Wendig sein möchte auch die Wiener PR-Beraterin und Ein-Personen-Unternehmerin Martina Macho. Seit acht Jahren betreut sie Unternehmen, die sich in irgendeiner Form mit Lebensmitteln beschäftigen - von der agrarischen Urproduktion bis hin zum Handel, von Maturanten-Start-ups bis hin zu Marktführern der Branche. „Ich habe mich mit einem EPU selbstständig gemacht, weil die Gründung völlig unkompliziert war und weil ich im Selber-Tun meine größte Erfüllung finde”, erzählt Macho. „Mir war immer klar, wenn ich für Mitarbeitende verantwortlich bin, muss ich mitunter auch Etats und Kunden annehmen, die ich eigentlich gar nicht will. EPU sein gibt mir die größtmögliche Flexibilität in alle Richtungen, und es hindert mich nicht, mit anderen zu kooperieren”, sagt Macho. Kooperationspartner, die sie immer wieder mit an Bord holt, sind etwa Fotografen, Social-Media-Experten, Programmierer, Medientrainer und sogar Köche, mit denen sie Workshops für Journalisten und Blogger abhält. „Als EPU habe ich eine überschaubare Kostenstruktur und komme damit nicht in die unangenehme Lage, etwas verkaufen zu müssen, von dem ich nicht überzeugt bin”, sagt Macho. Und: „Gemeinsam ist man weniger alleine. Sich Partner zu suchen, ist für mich die wichtigste Empfehlung für alle EPU”, so die Unternehmerin. Denn durch die anderen lerne man auch auf der persönlichen Ebene enorm dazu.

Durch Schicksalsschlag zum EPU

Viel dazugelernt im Berufsleben hat auch der Wiener Tischlermeister Konrad Zwölfer, der 1997 den Sprung in die Selbstständigkeit wagte. 2011 wurde für ihn zum Schicksalsjahr: Die Verantwortung für drei Mitarbeiter und permanent 80 Stunden pro Woche im Arbeitseinsatz verlangtem seinem Körper zu viel ab - ein Schlaganfall zwang ihn zur Neuorientierung. Zwölfer kämpfte sich zurück ins Leben und startete als EPU neu durch. „Natürlich war es eine Umstellung, weil seitdem mache ich alles selbst - von den Kundenbesprechungen über den Materialeinkauf und die Produktion bis hin zur Lieferung und Montage vor Ort”, erzählt Zwölfer. „Man glaubt gar nicht, was man alles allein schaffen kann”, so der Tischlermeister. Lediglich bei der Buchhaltung unterstütze ihn seine Frau. Das Geschäft laufe auch sehr gut, mit seinem Unternehmenssitz im 19. Bezirk sei er in einem guten Umfeld mit kaufkräftiger Bevölkerung. Spezialisiert ist Zwölfer vor allem auf Maßmöbel für Private - Kästen, Garderoben und Vitrinen etwa, aber auch Gartenhütten und Handläufe waren schon dabei. „Heute geht es mir gesundheitlich gut, aber ich merke schon, dass die Batterien rascher wiederaufgeladen werden müssen als früher”, sagt der 60-Jährige, der „nur noch 60 Stunden pro Woche” arbeite. In den kommenden Jahren werde er vielleicht noch weiter reduzieren und nicht mehr jeden Auftrag annehmen. „Ich möchte gesund in Pension gehen”, so der Unternehmer.

Wiener EPU fordern Verbesserungen

Umfassend unterstützt werden EPU in Wien nicht nur durch unzählige, kostenlose Services der WK Wien, sondern auch in der Interessenvertretung. Welche Verbesserungen sie am dringendste brauchen, haben sie in einer WK-Befragung im Herbst klargelegt. Drei von vier Befragten würden sich wieder für die Selbstständigkeit entscheiden.

So ticken die EPU in Wien
© Quelle: EPU-Stimmungsbarometer. Market Institut im Auftrag der Wirtschaftskammern. 305 im Herbst 2023 online und telefonisch befragte Wiener EPU.