Die Gründer von m.o.r.e. technology, Andreas Schober (l.) und Ulrich Endlich (r.), suchen mittels Crowd-Kampagne Investoren für ihre weitere Expansion.
© Miriam Mehlman

Anders zu Geld kommen

Viele Wiener Betriebe setzen in alternative Finanzierungen hohe Erwartungen. Eine neue Studie von WK Wien und aws zeigt, wie weit diese verbreitet sind und wofür sie verwendet werden.

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Aktualisiert am 05.08.2023

Mit Künstlicher Intelligenz lässt sich viel erreichen. Das dachte sich der Wiener Unternehmer Andreas Schober schon 2016, als er die Vermarktung von Freizeitangeboten für Familien revolutionieren wollte. Heute ist er Chef von m.o.r.e. technology, die auf Plattformen wie blue cherries und familienausflug.info mehr als 10.000 Freizeitangebote aus dem DACH-Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) präsentiert und dabei rund 13 Millionen Seitenaufrufe pro Jahr generiert. Künstliche Intelligenz unterstützt dabei, denn binnen weniger Online-Minuten erstellt sie ein individuelles User-Profil, das bei künftigen Besuchen die optimal passenden Angebote ganz vorne in die Auslage stellt. Die Software sammelt dabei keine persönlichen Daten, sondern arbeitet mit anonymisierten Nummern. Sie wird als Plug-in-Lösung auch an andere Internetplattformen verkauft, die viele wiederkehrende User mit unterschiedlichen Interessen haben - etwa an Nachrichtenseiten oder die Grätzl Map der Stadt Wien.

„Betriebe brauchen auch Kapital abseits klassischer Finanzierungswege.”

Jetzt will m.o.r.e. technology weiter expandieren und hat auf der Finanzierungsplattform conda.at eine Crowd-Investment-Kampagne gestartet. 500.000 Euro will das Unternehmen bis Mitte Juli lukrieren. Geboten werden acht Prozent Zinsen pro Jahr plus Wertsteigerungszinsen - das Investment kann aber auch ganz verloren gehen. Aktuell liegt der Unternehmenswert bei 3,5 Millionen Euro. „Wir werden den Großteil des frischen Kapitals in Vertrieb und Marketing investieren”, sagt Schober. Mit einem aufgestockten Team wolle man noch mehr Freizeitanbieter als Inserenten gewinnen und außerdem noch mehr anderen Plattformen die KI-Software verkaufen. „Das ist ein großer personeller und zeitlicher Aufwand. Dass sich das auszahlt, sieht man an unserer bisherigen, sehr guten Entwicklung”, sagt Schober. Man könne weiter rasch wachsen und neue Märkte, vor allem Großbritannien und Frankreich, erschließen. Warum er sich die notwendige Finanzierung nicht einfach von seiner Hausbank holt? „Die Bank würde mich wohl nach Hause schicken. Für Start-ups ist es extrem schwierig, an klassische Bankkredite mit diesem Volumen zu kommen, weil wir durch das Risk Management fallen”, sagt Schober. Aus Sicht der Bank sei es ein fiktiver Plan, der mit hohen Risiken verbunden ist.

Privates Risikokapital gefragt

In der Tat werden in Wien relativ wenige Investitionsprojekte über klassische Bankkredite finanziert, zeigt auch eine neue Studie im Auftrag von Wirtschaftskammer Wien und Austria Wirtschaftsservice (aws). Demnach gaben nur rund sechs Prozent der befragten Betriebe an, im vergangenen Jahr einen Bankkredit für ihre Investition verwendet zu haben. Das ist dermit Abstand niedrigste Wert in Österreich und zugleich ein Tiefststand in Wien. Die meisten Wiener Betriebe - nämlich fast zwei Drittel – finanzierten aus dem Cash Flow heraus. Dabei lehnen die Banken Kreditwünsche nur selten gänzlich ab, wegen mangelnder Sicherheiten oder schlechter Bonität wird der Kreditwunsch aber oftmals gekürzt, ergab die Umfrage. Vor diesem Hintergrund setzen viele Unternehmen in Wien hohe Erwartungen in alternative Finanzierungsformen. Vor allem Stille Beteiligungen sind gefragt, aber auch an Business Angels, Venture Capital und Crowd Funding zeigen sich die Unternehmen interessiert. Knapp acht Prozent der Wiener Betriebe haben in den vergangenen drei Jahren alternative Finanzierungen für die Umsetzung von Investitionen genutzt - vor allem Arbeitgeberbetriebe konnten Investoren von ihren Plänen überzeugen, zeigte die Umfrage. Fast dreimal so viele Unternehmen - nämlich 22 Prozent der Wiener Wirtschaft - planen in der nahen Zukunft, alternativ zu finanzieren.

Ein Spitzenwert in Österreich.

Geld für klimafitte Immobilien Gute Erfahrungen mit alternativen Finanzierungen machte auch das Wiener Climate-Tech- Start-up greenpass, das Bauträger, Architekten, Investoren und Städte bei der klimaresilienten Stadtplanung und Gebäudegestaltung mit hoch komplexen, aber einfach dargestellten wissenschaftlichen Grundlagen unterstützt. Anfang 2022 bekam das Unternehmen unter der Führung des Co-Gründers, Florian Kraus, rund 1,5 Millionen Euro von mehreren Investoren für seine weitere Expansion. „Unser Team ist seitdem von 15 auf 25 Mitarbeiter gewachsen, wir haben unsere Produkte umstrukturiert und einen Bausatz für die Bewertung der Umweltauswirkungen von Immobilien entwickelt”, erklärt Kraus. Eine weitere, KI-basierte Software für die Bewertung ganzer Immobilienportfolios steht nun vor der Marktausrollung. Im August soll die Pilotphase dafür beginnen. Das Produkt soll die Basis für weiteres strategisches Wachstum sein und internationale Skalierung zulassen. Über Partner ist greenpass heute schon in 13 europäischen Ländern aktiv. „Die letzte Finanzierungsrunde hat uns einen entscheidenden Impuls gebracht. Jetzt bereiten wir die Suche nach weiteren strategischen Partnern vor, die die Branche kennen, ein Netzwerk mitbringen und uns bei der weiteren Skalierung unterstützen können”, sagt Kraus. Bis Jahresende soll eine Series-A-Runde mehrere Millionen Euro frisches Eigenkapital in das Unternehmen bringen. „Das Interesse an uns ist groß, wir haben fast wöchentlich Anfragen von Investoren”, sagt Kraus. Dass es in Europa immer heißer wird und nachhaltige Investments in der EU immer wichtiger werden, spielt dem Unternehmen dabei in die Hände.

Alternative Finanzierungshebel

Einer der Investoren von greenpass ist der aws Gründerfonds, die Venture-Capital-Tochtergesellschaft der aws. Investiert wird hier immer gemeinsam mit Privaten - das hebelt das Volumen in ganz andere Sphären. Mit den 68 Millionen Euro der Erstauflage des Fonds wurden 46 Beteiligungen eingegangen und über das Netzwerk von 260 Co-Investoren rund 500 Millionen Euro Kapital mobilisiert. Die vor wenigen Wochen gestartete zweite Auflage des Fonds ist mit 72 Millionen Euro ausgestattet. aws-Geschäftsführer Bernhard Sagmeister sieht vor allem junge, hochinnovative Unternehmen mit hohem Skalierungspotenzial für diese Finanzierungsform geeignet. „Alternative Finanzierungen werden von kleinen bis sehr kleinen Unternehmen von der Gründung bis hin zum Erreichen des Break-even genutzt. Meist bestehen diese Start-ups zu diesem Zeitpunkt noch aus dem Gründerteam von drei bis vier Personen. Die investierten Volumina reichen von 20.000 bis zu zwei Millionen Euro”, sagt Sagmeister. Die aws habe bereits mehr als 200 innovative Start-ups mit der Venture-Capital- Initiative und dem Business-Angel-Fonds unterstützt. „Venture-Capital-Fonds bleiben – im Gegensatz zu längerfristigen stillen Beteiligungen - in der Regel nicht länger als vier bis fünf Jahre am Unternehmen beteiligt”, erklärt der Fachmann. Investoren sichern sich daher in der Regel schon im Beteiligungsvertrag weitreichende Rechte für den Ausstieg.

Fondsstandort Wien mit Strahlkraft

Dass in Wien viel Potenzial für alternative Finanzierungen ungenutzt bleibt, missfällt WK Wien-Präsidenten Walter Ruck seit Jahren. Imvergangenen Herbst legte er eine umfassende Untersuchung vor, die die Stärken und Schwächen der Risikokapital-Finanzierung in Österreich aufzeigt und Maßnahmen vorschlägt, wie man Verbesserungen erreichen kann – etwa durch eine Senkung der Körperschaft- und Kapitalertragsteuer oder Gesetzesänderungen im Bereich der Fondsregulierung. „Der Wirtschaftsstandort Wien ist in seiner Gesamtheit bisher überdurchschnittlich gut durch die vergangenen Krisen gekommen. Dennoch zeigt sich, dass bei vielen Unternehmen die Eigenkapitalausstattung deutlich geschmolzen ist”, erklärt Ruck. „Es ist daher notwendig, Unternehmen auch abseits klassischer Finanzierungswege Kapital zur Verfügung zu stellen. Wenn wir Wien als Fondsstandort mit Strahlkraft vor allem auch in den CEE-Raum besser etablieren können, würden davon nicht nur Unternehmen und die Finanzbranche profitieren, sondern auch die Volkswirtschaft und der Staat”, ist Ruck überzeugt. Vor allem für Start-ups und Unternehmen mit großen Investitionsvorhaben seien Kredite oft nicht das geeignete Finanzierungsinstrument.

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© Quelle: marketmind im Auftrag von Wirtschaftskammer Wien und Austria Wirtschaftsservice (aws) - „Strukturbefragung Unternehmensfinanzierung”, 2023. Foto: B-D-S Piotr Marcinski/Shutterstock