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© PULS4/Gerry Frank

"Der Bauch entscheidet"

Der NÖ Investor Heinrich Prokop, Business Angel der TV-Show „2 Minuten, 2 Millionen“, über Passion, häufige Fehler, schöne Momente und das Balancieren über dünne Eisschollen.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 22.09.2023

Was sind für Sie die wichtigsten Kriterien, wenn Sie in ein Startup investieren wollen?
Heinrich Prokop:
Selbstverständlich braucht es ein innovatives Produkt, ein Alleinstellungsmerkmal, ein tolles Team. Aber es braucht auch Working Capital, es braucht Struktur und Organisation. Und das vermisse ich manchmal in den Businessplänen. Innovationen haben nur eine gewisse Lebensdauer. Ich schaue darauf, ob der Lebenszyklus eines Produktes, einer Idee, der Weg des Startups bis zu einem Punkt mitberücksichtigt ist, der für mich als Investor greifbar ist. Ob die Produktentwicklung eingepreist wurde. Und ich schaue, ob es eine attraktive Verzinsung meines eingesetzten Kapitals gibt. 

Worauf achten Sie bei der Präsentation des Teams hinter dem Startup?Eine rote Flagge gibt es von mir, wenn die Kalkulation schlichtweg falsch ist – eins uns eins ist zwei, nicht 2,9 oder circa 2. Ich mag gerne komplementäre Teams. Ich muss das Gefühl haben, dass das Team weiß, was es tut, worauf es sich einlässt, ob es bereit ist für „Blood Sweat and Tears“. Traue ich es ihnen zu, am Punkt, am Thema zu bleiben. Haben sie die Passion. In Wahrheit – am Ende des Tages – ist es ein Bauchgefühl. Du spürst in den ersten Minuten, ob die Crew gut ist oder nicht. Und in acht von zehn Fällen liege ich richtig.  

Was braucht ein Startup, um erfolgreich zu werden?  
Es muss geistig wendig sein. Das Startup-Umfeld ändert sich permanent. Du musst flexibel sein, dich anpassen können, du musst in der Lage sein, Niederlagen zu verkraften. Hartnäckigkeit und Konsequenz, gepaart mit Intelligenz und Realismus. Und: Du musst dir selbst, deiner Vision treu bleiben. 

Was sind die häufigsten Fehler, die Startups machen?  
Punkt eins: Sie verlassen ihre Blase, ihre Komfortzone nicht, wenn es um die Einschätzung des eigenen Produktes geht. Punkt zwei: Sie sind zu optimistisch. Punkt drei: Sie bedenken nicht, was alles schief gehen kann, sie kalkulieren keine Eventualitäten ein. Startups betreten Neuland, das ist wie das Balancieren auf dünnen Eisschollen. Mit Sicherheit werden Dinge schiefgehen. 

Was raten Sie Startups, die Schwierigkeiten haben, Investoren zu finden? 
Österreich hat eines der am besten strukturierten Förderprogramme für Startups. In Europa gibt es nirgends so viele Unterstützungsmöglichkeiten in der Gründerphase wie in Österreich. Gleichzeitig sind Startup-Investoren hierzulande steuerlich extrem benachteiligt. Die Realität ist: Du findest für richtig große Investitionen in Österreich in der Anfangsphase schwer Investoren. Deshalb rate ich Startups, alle nur erdenklichen Fördermöglichkeiten mitzunehmen und früh zu beginnen, außerhalb Österreichs zu suchen. Es ist nicht cool – aber es ist die Realität. Und ich rate, gegebenenfalls jemanden zu bezahlen, der seine Brötchen mit der Suche nach Investoren verdient. „2 Minuten, 2 Millionen“ ist eine Riesenchance für Startups. Neben unbezahlbarer Werbung können sie auch zeigen, dass ihr Produkt, ihre Idee in Österreich funktioniert und das Potenzial hat, die Sandkiste zu verlassen. 

Startups müssen geistig wendig sein.

Wie gehen Sie mit Risiken bei der Investitionsentscheidung um?
Mir ist das Risiko von vornherein klar. Das Geld ist in diesem Moment weg, in dem man investiert. 50 Prozent meiner Investments funktionieren, die andere Hälfte nicht. 

Sie haben sehr viele Startups begleitet. Ihr schönstes Erfolgserlebnis?
Hier muss ich differenzieren zwischen emotionalen und wirtschaftlichen Erfolgen. Ich denke zum Beispiel an die Wiener Polizistinnen, die Aussagen misshandelter Kinder aufnehmen und sich entschlossen haben, mit kuscheligen Accessoires Kindern ein Grundverständnis von Nachhaltigkeit mitzugeben. In dieses Startup zu investieren, ist wohl nicht wirklich ein Riesengeschäft, aber es erinnert mich daran, warum ich eben auch  in dieser Show bin. Es geht mir darum, Menschen zu helfen. Und wenn sich dann Polizisten bei mir bedanken, während ich in Wien auf dem Ring im Stau stehe, ist das ein Gänsehautmoment, der mir das verdeutlicht. Mein wirtschaftlich schönstes Erlebnis: NEOH Riegel, bislang schon das erfolgreichste Start-up Österreichs mit dem Potenzial, noch viel größer zu werden. 

Welche Trends sehen Sie in der Start-up-Szene und der Arbeitswelt und wie beeinflussen Sie die Entscheidungen von Investoren?
Es ist wieder ein wenig mehr Realitätssinn eingekehrt. Die Startups sind wieder etwas geerdeter. Sie wissen, dass Scheitern eine mögliche Variante ist, sie werden wieder etwas bescheidener. Es wird für uns Investoren also wieder interessanter – und das ist gut so.

Wie waren Ihre ersten Schritte in die Selbstständigkeit, wie haben Sie es geschafft?

Ich komme aus einem Familienunternehmen – ich bin genetisch Unternehmer. Risiken eingehen, selbstständig sein, Entscheidungen treffen, zu wissen, dass diese Konsequenzen haben und Verantwortung zu übernehmen – das bin ich, so ticke ich. Ich war schon als Bursch der, der die Flagge nach vorn trägt, der in der ersten Reihe steht, wo es pfeift. Und das ist notwendig, wenn du dich bei Startups engagierst. Du hast nicht nur eine finanzielle Verantwortung dafür, dass du dein Geld oder das deiner Familie nicht verlierst, sondern du trägst auch Verantwortung für die Teams. Und wenn es nicht (mehr) funktioniert, musst du auch sagen (können): Wir lassen‘s gut sein.


Zur Person

Heinrich Prokop, der seit dem Verkauf der Gutschermühle 2009 dem Unternehmen in Traismauer als Geschäftsführer bis Ende 2019 vorstand, gründete 2013 gemeinsam mit Marloes Voermans die Beteiligungsfirma Clever Clover mit Beteiligungen an rund 40 Startups. Der Investmentfokus liegt auf klassischen Branchen und Geschäftsmodellen abseits der digitalen Lebenswelt sowie auf Early Stage Investments.
www.cleverclover.vc