Schirmherren bei der Jobmesse: WKO-Steiermark-Direktor Karl-Heinz Dernoscheg (li.) und AMS-Chef Karl-Heinz Snobe
© Foto Fischer

Ukraine-Jobmesse: „Eine Chance für den steirischen Arbeitsmarkt“

Heimische Unternehmen buhlen um Mitarbeiter aus der Ukraine. Das gegenseitige Interesse wächst, die Hürden sinken.

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Aktualisiert am 05.08.2023

In ihrer alten Heimat war die junge Frau Managerin. Einen Kriegsbeginn und eine Flucht nach Österreich später interessiert sie sich jetzt für einen Job als Küchenhilfe in einem Grazer Innenstadtlokal. An einem Nachbarstand ein paar Meter weiter informiert sich ein Mann, der ausgebildeter Computertechniker ist und in Lemberg auch als Rezeptionist in einem Vier-Sterne-Hotel gearbeitet hat, über die Arbeitsmöglichkeiten bei einem Hotelbetreiber. Daneben wirbt die Post um künftiges Personal, gegenüber die Supermarktkette-Spar. Auch Industrieunternehmen, Personaldienstleister und das LKH Graz haben im Europasaal der Wirtschaftskammer Steiermark Infostände aufgebaut. 

Der Anlass ist ein trauriger, das Ergebnis ein erfreuliches: Mehrere hundert Arbeitssuchende aus der Ukraine sind zur zweiten Jobmesse „Your Job in Styria“ gekommen, um mit steirischen Betrieben direkt und unkompliziert in Kontakt zu kommen. Visitenkarten werden verteilt, Mailadressen ausgetauscht, Notizen auf Bewerbungsbögen vermerkt. „Das Interesse auf beiden Seiten ist enorm, die Menschen sind eine Chance für den steirischen Arbeitsmarkt“, ist Karl-Heinz Snobe, Landesgeschäftsführer des AMS Steiermark, zufrieden und verweist auf aktuelle Zahlen. Demnach sind in der Steiermark 1.200 aus der Ukraine geflüchtete Menschen als unselbständig Beschäftigte gemeldet. Rund 6.000 befinden sich in der Grundversorgung. Das Potenzial an zusätzlichen Arbeitskräften schätzt Snobe damit auf 2.500 bis 3.000 Personen. 


Viele Menschen bei der Messe
© Foto Fischer Das Interesse war groß.
Ein beratungsgespräch
© Foto Fischer Viele Unternehmen präsentierten sich.
Zwei blonde Frauen an einem Stand
© Foto Fischer Gesamt waren 30 Unternehmen dabei.
Zwei Personen, ein Mann und eine Frau vor einem AMS-Aufsteller
© Foto Fischer Natürlich war auch das AMS vor Ort.

Letzte Zugangshürden

Der Zugang zum Arbeitsmarkt wurde Mitte April zwar erleichtert – seither ist keine Beschäftigungsbewilligung mehr notwendig –, gänzlich aus dem Weg geräumt sind die Hürden aber noch nicht. „Bei der Anerkennung von Berufsausbildungen sollte es deutlich schneller gehen“, drängt Wirtschaftskammerdirektor Karl-Heinz Dernoscheg, der einen „bewundernswerten Drang Richtung Weiterbildung und Beschäftigung“ ortet. Ins selbe Horn stößt Patrick Hausegger-Apai, Hausleiter des SenaCura-Sozialzentrums in Gratkorn. „Die Leute wollen arbeiten, die Anerkennung ihrer Qualifikationen dauert aber bis zu einem halben Jahr, teilweise ist sie in zwei bis drei Monaten möglich.“ – Wertvolle Zeit, die für die Ukrainer verstreicht, um aus der Grundsicherung herauszukommen und beruflich Fuß zu fassen. Viele nutzen das Warten oder die Zeit neben einem anderen Job für Sprachkurse. „Das funktioniert gut“, zieht man beim Österreichischen Integrationsfonds eine positive Zwischenbilanz. Auch das Ausbildungsniveau ist hoch. „Viele haben ein Diplom oder eine andere technische Berufserfahrung“, ist man beim Recrui­tingstand des obersteirischen Hightech-Konzerns AT&S erfreut. Gegenüber, beim Stand der ÖBB, weiß man vom konkreten Wunsch einer Ukrainerin, Zugbegleiterin zu werden.

„Zu selbstkritisch“ 

„Sie kommen nicht nur mit einem vagen Wunsch, zu arbeiten, sondern mit konkreten Vorstellungen“, fasst man an einem anderen Stand die gesammelten Eindrücke zusammen. Dazu gehören auch Fragen nach Kinderbetreuung und Sprachkursen. Manche seien diesbezüglich zu selbstkritisch, würden sich aufgrund fehlender Deutschkenntnisse unterschätzen und nur einen Job zur Basisversorgung suchen anstatt einen, der ihren Qualifikationen entspricht, erzählt man am Stand einer renommierten Hotelgruppe, die bei der Messe ebenfalls nach möglichen Mitarbeitern angelt. 

Noch sind es vor allem die Gastronomie, Hotellerie, der Handel und die Pflege, wo die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer einen Arbeitsplatz finden. Potenzial sehen Snobe und Dernoscheg aber vor allem auch in puncto Lehrausbildung für junge Ukrainer (siehe Info unten). 



Aufklärung

Eine Berufsausbildung als Kombination aus Lehre und Schule („duales System“), wie es sie in Österreich gibt, ist in der Ukraine unbekannt. Um Personen aus der Ukraine über diese Ausbildungsmöglichkeit und Fragen rund um Schulabschluss und Studienberechtigung zu informieren, findet am 21. Juni in Kooperation mit der Universität Graz und der Bildungsdirektion Steiermark erstmals ein Online-Elternforum für Ukrainer statt (Zoom, 17.30 bis 18.30 Uhr). Zielpublikum sind ukrainische Eltern von 13- bis 18-jährigen Jugendlichen. Infos unter www.logo.at/biz-elternforum




Katarina Komarova im Porträt (mit Brille)
© Forto Fischer Katarina Komarova

„Ich bin im April 2022 nach Österreich gekommen und lebe seitdem mit meiner Familie in Kapfenberg. Wir sind mit nur  einem Koffer aus Mariupol nach Österreich gekommen. Unsere Stadt ist vollkommen zerstört. In der Ukraine habe ich als Volksschullehrerin gearbeitet. Am liebsten würde ich auch in Österreich als Lehrerin arbeiten. Die größte Herausforderung für mich ist die Sprache. Deshalb besuche ich gerade einen Deutschkurs.“



Oleksandr Samofal im Porträt
© Jerkovic Oleksandr Samofal

„Ich bin am 30. November nach Österreich gekommen. Seitdem wohne ich mit meiner Frau und meinem Sohn in Graz. In der Ukraine habe ich sechs Jahre lang als Lkw-Fahrer für ein polnisches Unternehmen gearbeitet. Ich war in ganz Europa unterwegs. Auch in Österreich möchte ich einen Job als Lkw-Fahrer finden.“


Varvara Abisimova im Porträt
© Jerkovic Varvara Abisimova

„Ich bin gemeinsam mit meinen beiden Kindern, meinen Eltern und meiner Schwester Lena am 19. März nach Österreich nur mit einem Rucksack angereist und wohne seither in Leoben. In der Ukrai­ne habe ich als Buchhalterin gearbeitet. Diesen Job würde ich gerne auch in Österreich ausüben. Ob wir bleiben, weiß ich noch nicht. Ich möchte dort leben, wo mein Mann wohnt. Derzeit ist er in Mykolajiw.“