Ein Bild mit Animationen von arbeitenden Menschen, transparent davor eine große Uhr
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„Vollzeitbonus“ als Anreiz wird gefordert

Österreich ist ein Teilzeitland. Ein Drittel der Beschäftigten arbeitet nicht Vollzeit. Die Gefahr für Wertschöpfungs- und Wohlstandsverluste ist damit virulent. Ein Bonus-System könnte die Vollzeitarbeit attraktivieren. 

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Aktualisiert am 05.08.2023

Der Arbeitsmarkt brummt. Die Zahl der Erwerbstätigen steigt, jene der Arbeitslosen sinkt. Über 4,4 Millionen Menschen zwischen Boden- und Neusiedlersee waren 2022 erwerbstätig gemeldet – um 3,2 Prozent mehr als im Jahr davor. 

Die positive Entwicklung hat allerdings eine Schattenseite: Der Hunger der Unternehmen nach Arbeitskräften bleibt trotz Pandemie, Energiekrise und Inflation ungestillt. Wertschöpfungs- und Wohlstandsverluste drohen. Die Forderungen der Unternehmen reichen von einer Steuerbefreiung für Überstunden bis zu lukrativen Anreizen für ein längeres Arbeiten im Alter, beispielsweise durch eine Befreiung von erneuten Pensionsversicherungsbeiträgen auch für jene, die in ihrer Pension ein gewisses Stundenausmaß freiwillig weiterarbeiten wollen.

Sorge bereitet den Analysten und Arbeitgebern aber vor allem der anhaltende Trend zur Teilzeitbeschäftigung, also Dienstverhältnissen, bei denen die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt weniger als die gesetzliche oder die im Kollektivvertrag vereinbarte Normalarbeitszeit beträgt.

Bundesweit ist die Teilzeitquote laut Statistik Austria zuletzt auf 30,5 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Der EU-Schnitt liegt bei 17,2 Prozent. Bei Frauen kletterte die Teilzeitquote hierzulande 2021 sogar erstmals über die 51-Prozent-Marke und liegt aktuell bei 50,7 Prozent. Aber auch bei Männern sind Teilzeitjobs in jüngerer Vergangenheit kontinuierlich populärer geworden. Die 12,6 Prozent (siehe Grafik) bedeuten einen neuen Höchstwert.


„Es braucht gezielte Anreize. Bei allgemeinen Steuererleichterungen gibt es keinen direkten Impuls Richtung mehr Vollzeitbeschäftigung.“

WKO-Präsident Josef Herk
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Vollzeit ist unattraktiv

Die Gründe, warum jede zweite Frau und jeder achte Mann in Österreich mittlerweile Teilzeit arbeitet, sind vielfältig. Unter anderem findet man eine Ursache im heimischen Steuersystem: Bei Teilzeit bleibt einem im Vergleich zu einem Vollzeitjob mehr „netto vom Brutto“. So hat die Agenda Austria errechnet, dass beim Wechsel von einem Halbtags- in einen Ganztagsjobs der Verdienstzuwachs nur 32,4 Prozent beträgt. Nur in Spanien und Belgien ist ein Aufstocken der Stunden auf Vollzeitniveau steuerlich noch unattraktiver, nur in den Niederlanden und der Schweiz ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten höher.

Die Wirtschaftskammer fordert daher einen „Vollzeitbonus“ und verweist auf entsprechende Modellberechnungen des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung. Damit soll der Wechsel von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung durch zielgenaue Steuererleichterungen attraktiviert werden (s. linke Seite). Ob Geldanreize reichen, wird sich zeigen, denn 55 Prozent der in Teilzeit Beschäftigten geben in einer Market-Umfrage als Grund für ihre Wahl an, dass ihnen mehr Freizeit wichtiger als Karrierechancen sind. 


Vier Modelle zur Entlastung von Vollzeit-Beschäftigungseinkommen

Freibetrag bei Vollzeit: Das Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung hat seiner Modellrechnung einen Freibetrag von 800 Euro pro Jahr exklusiv für Vollzeitbeschäftigte zugrundegelegt. Dadurch sinkt die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, was den Umstieg von Teil- auf Vollzeit attraktiver machen soll. Aus den Berechnungen ergibt sich, dass die 2,7 Millionen Beschäftigten von einer Steuerentlastung von insgesamt 800 Millionen Euro profitieren würden. 


Senken des Steuertarifs: Anders als bei Modell 3 werden hier die Steuertarife in den mittleren Tarifstufen von 20 auf 18 Prozent beziehungsweise von 30 auf 29 Prozent gesenkt. Steuerpflichtige würde sich dadurch bis zu 278 Euro pro Jahr ersparen, der administrative Aufwand wäre deutlich geringer als bei Modell 1 und 2. Durch die Reduktion der zusätzlichen Besteuerung bei höheren Einkommen gäbe es auch hier einen Anreiz, in ein höheres Beschäftigungsausmaß zu wechseln. 


Erhöhung der Steuerstufen: In diesem Modell werden die zweite und dritte Einkommensteuerstufe angehoben: beim Grenzsteuersatz von 20 Prozent von 19.134 auf 21.000 Euro, beim Grenzsteuersatz von 30 Prozent von 32.075 auf 34.000 Euro. Es werden aber Einkünfte aus allen Quellen entlastet, die Steuer­ersparnis liegt pro Kopf bei bis zu 379 Euro pro Jahr.


Absetzbetrag bei Vollzeit: Durch einen Absetzbetrag von beispielsweise 300 Euro reduziert sich auch in diesem Modell die Einkommensteuer bei Vollzeitbeschäftigten. Würde ein Viertel der Teilzeitbeschäftigten durch diesen Anreiz in Vollzeitverhältnisse wechseln, finanzierte sich diese Maßnahme von selbst: Die Steuermehreinnahmen  wären gleich hoch wie die Steuerentlastung.




  • 4,426 Millionen Menschen ab 15 Jahren waren 2022 in Österreich erwerbstätig gemeldet – um 3,2 Prozent mehr als 2021.
  • 88.900 mehr Teilzeiterwerbstätige als 2021 gab es 2022. Ein Plus von sieben Prozent auf 1,2 Millionen.
  • 206.500 offene Stellen gab es 2022 in Österreich. Ein Anstieg um 41 Prozent gegenüber 2021.