Sebastian Wörwag
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„Gebt Menschen Sinn und sie werden arbeiten“

Arbeitsforscher Sebastian Wörwag spricht im Interview über eine neue Arbeitswelt und was sie für Unternehmen bedeutet.

Lesedauer: 2 Minuten

Aktualisiert am 25.04.2024

Von Claudia Blasi




„Kärntner Wirtschaft“: Wie würden Sie Arbeit heute definieren? 
Sebastian Wörwag: Wir verbringen einen Großteil unseres Lebens in der Arbeit, von daher hat sie einen hohen Stellenwert für uns. Doch Arbeit geht über das Geldverdienen hinaus. Sie trägt ein Stück dazu bei, Mensch zu sein, Entscheidungen zu treffen und Handlungen zu setzen. Mehr denn je wird auch der Sinn der Arbeit hinterfragt und somit auch der Sinn der Organisation, für die ich arbeite. Das muss auch den Unternehmen bewusst sein. Mitarbeiter, die sich wie ein Rädchen im System fühlen, wird man nicht zufriedenstellen.

Was sind die bestimmenden Trends in der Arbeitswelt? 
New Work wird vor allem durch  den digitalen Wandel vorangetrieben. Ebenso sind Flexibilisierung und Individualisierung der Lebensentwürfe ein Thema, an das sich die Arbeitsmodelle anpassen müssen. Wir befinden uns gerade in einem gesellschaftlichen Wandel, in dem sich Werte wie etwa Arbeitsplatzsicherheit oder Karriere stark verändern. Hier hilft die Metapher von den drei Männern, die im Steinbruch arbeiten: Der erste, weil er keine andere Arbeit findet. Der zweite, weil er damit seinen Lohn verdient, und der dritte, weil er stolz ist und sich freut, dass mit seinen Steinen eine große Kathedrale gebaut wird. Ein Job, drei unterschiedliche Motive.

Was heißt das für die Wirtschaft und die Suche nach Mitarbeitern?
Was Unternehmen brauchen, sind Mitarbeiter, die gemeinsam eine Kathedrale bauen möchten. Als erstes ist daher die Frage zu klären: Warum gibt es mein Unternehmen überhaupt? Eine sinnstiftende Vision steigert die Arbeit­ge­ber­attrak­tivität. Und es sind Inhalt, Beziehungen, Stellung und Ort in der Arbeit zu hinterfragen. Hier kann es sinnvoll sein, Geschäftsmodelle flexibler zu gestalten, um andere Bewerber, etwa alleinerziehende Mütter, anzusprechen.  

Vor allem die jüngere Generation bevorzugt kürzere Arbeitszeitmodelle. Gehen sich weniger Arbeit und mehr Wohlstand aus?
Die Rechnung geht nicht auf, weil Zeit die falsche Währung zur Bemessung von Arbeit ist. Passender wäre es, im Sinne eines Werkvertrages, für das Werk zu zahlen. Das können wir von Handwerkern und Künstlern lernen  und als Grundidee auf andere Arbeiten,  auch in Unternehmen, übertragen. Wer einer beseelten Arbeit nachgeht, zählt keine Stunden mehr.

Welche Rolle spielt Künst­liche Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt von morgen? 
KI existiert und entwickelt sich weiter. Entscheidend wird sein, wie reflektiert wir damit umgehen. Sie birgt Chancen und Risiken und unser Einsatz entscheidet darüber. Nutzen wir sie als sinnvollen Assistenten oder zur Substitution des Menschen, bei der genau die Qualität des Menschseins verloren geht und Technikfeindlichkeit geschürt wird. Den Taschenrechner hat man bei der Einführung auch nicht verboten und er leistet bis heute gute Diens­te. Die Datengrundlage checken, Resultate überprüfen und den Feinschliff setzen muss letztlich immer ein Mensch.

Gibt es Branchen, die von der KI besonders profitieren?
Ich denke, dass alle Branchen von Tools wie ChatGPT profitieren können und sie auch als Unterstützung beim Verfassen von Texten einsetzen werden. ChatGPT die Bewerbung schreiben zu lassen, finde ich weniger originell.

Es gehen jedes Jahr mehr Menschen in Pension als Jüngere in den Arbeitsmarkt eintreten. Wie lässt sich diese Lücke schließen?
An dieser Stelle ist der Pensionszeitpunkt zu hinterfragen. Viele Frühpensionen wären vermeidbar, wenn wir Menschen nach ihren Talenten einsetzen würden. Der Erfahrungsreichtum gerade bei den Älteren ist wertvoll. Es braucht Rahmenbedingungen, um diesen auch ausschöpfen zu können. Wer in seiner Arbeit Sinn sieht, wird gerne länger arbeiten. 


Dieses Interview ist in Ausgabe 8 erschienen.