Wo Frauenpower (noch) rar ist
Auch wenn eine Trendumkehr langsam, aber stetig bemerkbar wird, sind die Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts in technisch-handwerklichen Berufen nach wie vor unterrepräsentiert.

Es ist traurig, dass wir im Jahr 2023 darüber reden müssen, warum Frauen nach wie vor in vielen Berufssparten rar vertreten sind, findet Ulrike Haslauer, Geschäftsführerin des Elektrotechnik-Unternehmens compact electric. Zu den Kernkompetenzen ihres rund 50-köpfigen Unternehmens zählt die Entwicklung und Fertigung elektronischer Geräte wie auch der Anlagenbau. Darunter hochkomplexe Schaltschränke für Energieversorgungsunternehmen, die weltweit zum Einsatz kommen. „Frauen sind sehr gut in technischen und mathematischen Bereichen. Ich habe wirklich keine Ahnung, woher das Gerücht kommt, dass es anders sei”, sagt Haslauer kopfschüttelnd. Welche Sparten als Männer- oder Frauendomäne gesehen werden, ist zudem ein kulturelles Phänomen. „Im Technikbereich betrifft das Österreich und Deutschland. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder den ehemaligen Ost-Ländern, ist es selbstverständlich, dass viele Frauen hier arbeiten”, schildert Haslauer.
„Positive Vorbilder sind enorm wichtig.”
Eine weitere Rolle spielt ihrer Beobachtung nach der familiäre Hintergrund. „Frauen in der Technik haben häufig Väter, die bereits hier tätig sind”, beschreibt die Unternehmerin. „So war es auch bei mir.” Denn bereits als Teenager unterbreitete sie ihrem Vater, sein Unternehmen später übernehmen zu wollen. Allerdings kam das früher als gedacht. Wegen eines familiären Schicksalsschlages landete sie im zarten Alter von 20 Jahren an der Unternehmensspitze. „Ich habe mir die Aktentasche meines Vaters geschnappt, mich hinter seinen Schreibtisch gesetzt und losgelegt. Das war auch eine massive Botschaft, die ich damit nach außen transportierte”, schildert die heute 54-Jährige. Daneben absolvierte sie ihr Studium der Betriebswirtschaft und anschließend einen Abendlehrgang in der Elektrotechnik. An Unterstützung innerhalb wie auch außerhalb des Betriebes mangelte es ihr damals nicht und tut es offenbar auch heute nicht. „Es hat nur Vorteile, als Frau in einem männerlastigen Beruf zu arbeiten. Ich kann es nur empfehlen”, sagt Haslauer. Zum einen ist der Überraschungsmoment von Vorteil, da nicht mit einer Frau als Ansprechpartnerin gerechnet wird. Zum anderen ist es die vielzitierte soziale Kompetenz. „Die wird in unserer Gesellschaft immer wichtiger”, ist Haslauer überzeugt. Doch wie ist es, in einer Männerwelt seine Frau zu stehen und sich durchzusetzen? „Ich kenne es gar nicht anders. Ich war bereits mit 20 auf den Baustellen unterwegs”, so Haslauer.
Seilschaften und Mentoring
Sie selbst fördert Frauen nicht nur innerhalb ihres eigenen Unternehmens, sondern auch im Rahmen von Mentoring-Programmen eines Frauennetzwerkes. Aktuell betreut die engagierte Unternehmerin drei Mentees im Rahmen von 14-tägigen Treffen, allesamt Neulinge oder Quereinsteigerinnen im Technikbereich. Doch was ist ihre Motivation? „Frauen zu stärken ist mir wichtig. Und eine Schwesternschaft zu erzeugen, denn das fehlt den Frauen”, ist Haslauer überzeugt: „Männer sind da anders. Wenn die Konflikte austragen, dann tun die das gleich und danach gehen sie miteinander auf ein Bier. Genauso müssen wir das auch machen.”
Technikbranchen können nicht auf Frauen verzichten
Als Chefin eines Technikbetriebs ist Ulrike Haslauer eine seltene Spezies. Die Statistik zeigt ganz klar, dass technische Handwerksbranchen noch immer Männerdomänen sind (siehe unten). Auch beim Nachwuchs in einschlägigen Berufen ist der Frauenanteil zwar tendenziell steigend, aber noch sehr ausbaufähig. In der Elektrotechnik sind 94 von 1115 Lehrlingen Mädchen (8,4 Prozent). In der Kfz-Technik sind unter den 900 Wiener Lehrlingen gar nur 30 weibliche Nachwuchskräfte zu finden – ein Anteil von gerade einmal 3,4 Prozent. Die Wirtschaft habe hohes Interesse daran, mehr junge Frauen für technische Berufswege zu begeistern, sagt Margarete Kriz-Zwittkovits, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer (WK) Wien. „Zum einen fehlen gerade in diesen Bereichen viele Fachkräfte. Will man hier wirksam gegensteuern, dann darf das weibliche Potenzial auf gar keinen Fall vernachlässigt werden. Zum anderen sind es besonders die technischen und MINT-Berufe, die den Frauen vielversprechende Karrierewege und bessere Verdienstchancen bieten als viele der gender-typischen Berufe.”
„Die einzige Frau in Berufsschule und Meisterkurs”
Auch Barbara Zauchinger hat sich in einer absoluten Männerdomäne durchgesetzt. Die Schlossermeisterin führt einen auf Schlüsseldienste und Sicherheitstechnik spezialisierten Handwerksbetrieb mit vier Mitarbeitern in Penzing. Ihr Großvater hat den Betrieb um 1950 übernommen - damals auch von einer Frau, erzählt Zauchinger, die selbst eine von ganz wenigen Meisterinnen ihres Metiers ist. Ihre eigene Karriere begann die heute 51-Jährige mit der Schlosserlehre im Familienbetrieb. „Ich selbst wollte den Beruf erlernen. Mein Vater hat eher gebremst und gemeint: Überleg Dir das gut”, erzählt sie. Das hat sie getan - und ist dabei geblieben. In der Berufsschule war sie die einzige Frau, auch später im Meisterkurs, den sie bald nach dem Lehrabschluss belegte. Die Reaktionen der männlichen Kollegen waren aber - nach dem ersten Überraschungsmoment - durchaus positiv, erinnert sich Zauchinger. „Es hat kein einziges Mal Probleme mit den Mitschülern gegeben, weil ich eine Frau bin. Auch die Lehrer waren mir gegenüber komplett vorurteilsfrei.” Als junge Fachkraft und später Meisterin sei sie dagegen schon ab und zu auf Zeitgenossen getroffen, die angesichts der Frau in der Schlossermontur „mit den Augen gerollt” oder nach dem Meister gefragt haben. „Die hab’ ich dann mit Eifer und Können überzeugt - wobei ich schon oft kritischer beurteilt wurde als männliche Kollegen”, räumt sie ein. Heute passiere ihr das kaum mehr. „Das ist auch eine Altersfrage, und die Menschen sind heute offener.” In ihrer eigenen Werkstätte arbeiten trotzdem außer ihr nur Männer. „Weibliche Fachkräfte haben sich bei mir in all den Jahren noch nie beworben.” Auch für berufspraktische Schnuppertage würden sich praktisch nur Burschen interessieren - nur zweimal hatte ich auch Mädchen, beide waren auch sehr talentiert, hatten aber letztlich doch andere Berufspläne”, erzählt sie. Dennoch ist Zauchinger überzeugt: Die Metalltechnik ist auch für Frauen spannend. „Wir können vieles sehr gut, und es gibt genug Bereiche, wo Kraft nicht ausschlaggebend ist. Und auch für Burschen ist es körperlich fordernd, den ganzen Tag auf den Beinen zu sein.”
Schon früh Technikinteresse wecken
Mittlerweile gibt es viele Initiativen, um den Frauenanteil im Techniksektor zu erhöhen. Einige davon setzen bereits in der Schule an, wie beispielsweise die von der WK Wien unterstützten Projekte Leonardino + Galilea und TECmania, die auf spielerische Art Interesse an und Talent für Technik wecken und forcieren möchten - und zwar bewusst auch bei Mädchen. Viele bisher männerdominierte Betriebe und Branchen suchen mittlerweile bei der Besetzung offener Lehrstellen gezielt nach Mädchen. Als Best Practice-Beispiel kann dabei der jüngste Lehrlingsevent der Metalltechniker, Mechatroniker und Fahrzeugtechniker dienen. Mitte Februar präsentierten die drei Branchen im Donauzentrum ihre Lehrberufe und warben um Nachwuchs - mit besonderem Fokus auf Frauen, die vor Ort mit weiblichen Role Models aus Technik- Lehrberufen sprechen konnten. Diese positiven Vorbilder, die sich für einen Männerberuf entschieden haben und sich damit wohlfühlen, sind wichtig, das betont auch Kriz- Zwittkovits. „Solche Role Models können viel dazu beitragen, dass junge Mädchen auf technische Berufswege überhaupt aufmerksam werden, sich trauen, ihr Talent dafür zu erforschen und in ihrer Entscheidung bestärkt werden, wenn sie alternative Karrierewege anstreben.”