Wirtschaftsparlament tagt zum ersten Mal seit der Pandemie
Die Delegierten zum Wirtschaftsparlament kamen zusammen und fassten eine Fülle an Beschlüssen. Eine neue Markthalle für Wien wird vorangetrieben, Maßnahmen gegen die Teuerung und zur Stärkung des Eigenkapitals werden forciert.

Endlich wieder Wirtschaftsparlament. Die Auswirkungen des Corona-Virus haben in den letzten zwei Jahren vieles verhindert, auch die regelmäßige Zusammenkunft des Wirtschaftsparlaments der Wirtschaftskammer Wien. „Es ist eine große Freude, dass wir uns wieder persönlich auch im Rahmen des Wirtschaftsparlaments sehen können”, sagte Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien in seiner Rede. „Die Pandemie ist eine extreme Ausnahmesituation und hat den größten Konjunktureinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg verursacht. Trotzdem ist der Wirtschaftsstandort ein Stück besser durch die Krise gekommen als der Rest von Österreich. Das liegt nicht nur an der Heterogenität des Standorts - an der Ausgewogenheit der Unternehmensgrößen und Branchenverteilung -, sondern auch an seiner Innovationskraft. Nicht umsonst ist das PCRTestsystem ,Alles Gurgelt’ in Wien entwickelt worden. Dieser Wirtschaftsstandort hat viel zu bieten”, sagte Ruck unter Applaus der Delegierten zum Wirtschaftsparlament.
„Der Standort Wien hat sehr viel zu bieten.”
100.000 Einsatzstunden
Nicht nur für die Unternehmen habe Corona eine große Herausforderung bedeutet, sondern auch für die WK Wien. In die Abwicklung des Härtefallfonds für die Unternehmer sind rund 100.000 Einsatzstunden geflossen, über 600.000 Anträge sind bearbeitet worden. Jetzt steht die Überprüfung an, ob die Förderungen zu Recht bezogen wurden. Dazu ist die Wirtschaftskammer Österreich gesetzlich und vertraglich verpflichtet. Die WK Wien wird sich, wie das Wirtschaftsparlament beschlossen hat, nachdrücklich dafür einsetzen, diese Überprüfung möglichst unbürokratisch und effizient zu gestalten. „Als ob Corona nicht genug gewesen wäre, ist am 24. Februar etwas eingetreten, womit wir so in Europa nicht mehr gerechnet haben”, sprach Ruck auch den Krieg in der Ukraine an und ergänzte: „Aggression ist völkerrechtswidrig, aber unterscheiden wir bitte zwischen dem offiziellen Russland und den Russen.” Wien hätte zu beiden Kriegsparteien sehr gute Wirtschaftsbeziehungen gehabt. Die resultierende Teuerungswelle vor allem auch im Energiesektor erfordere nicht nur kurzfristige Maßnahmen, sondern auch „Denken in der Metaebene”. Der Wiener Wirtschaftskreis der WK Wien habe einen Ansatz zum Thema Wasserstoff entwickelt, der auch mit der Stadt Wien thematisiert werde. „Ich freue mich auch, dass der Finanzminister endlich die Abschaffung der kalten Progression angesprochen hat. Ja, selbstverständlich, aber hören wir damit nicht auf. Wenn wir Steuerstufen künftig valorisieren, warum nicht auch weitere Fixbeträge des Wirtschaftslebens? Die WK Wien hat dazu einen Vorschlag für ein Valorisierungsgesetz ausgearbeitet, und wir werden dahingehend in die Diskussion gehen”, sagte Ruck und unterstrich: „Die Wirtschaftskammer Wien ist nicht nur eine ausgezeichnete Servicepartnerin und Interessenvertreterin, sondern auch eine Denk und Ideenwerkstatt.”
Markthalle beschlossen
In der Folge beschloss das Wirtschaftsparlament, den Bau einer Markthalle als neuen kulinarischen und gesellschaftlichen Hotspot zu forcieren. Die WK Wien wird auch dafür eintreten, dass der lebensnotwendige Handel bei der Maskenpflicht den übrigen Handelsbereichen gleichgestellt wird. Ebenfalls beschlossen wurde, Maßnahmen gegen die Teuerung von Rohstoffen, zur Senkung der Mineralölsteuer, zur Sicherung der Gasversorgung Österreichs und zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung von Unternehmen voranzutreiben. Die WK Wien wird sich auch, so ein weiterer Beschluss, dafür bei der Stadt einsetzen, dass vor allem auch kleinen Unternehmen Mülltrennsysteme ohne finanziellen Mehraufwand zur Verfügung stehen. In ihren Wortmeldungen betonten auch die Vertreter der einzelnen Fraktionen ihre Freude über die persönliche Zusammenkunft. Marcus Arige vom Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband warnte davor, die Krise für beendet zu erklären: „Wir sollten uns darauf vorbereiten, mit einer Rezession zu arbeiten. Die Krisen passieren derzeit leider nicht nacheinander, sondern nebeneinander. Eine konkrete Politik, die nach vorne schaut, kann Lösungen anbieten.” Hans Arsenovic von der Grünen Wirtschaft konstatierte, er habe „keine Angst vor Krisen, sondern davor, dass sich nichts ändert. Die größte Herausforderung ist die Klimakatastrophe.” Es sei auch angesichts unterbrochener Lieferketten notwendig, Produkte nachhaltig und regional zu produzieren: „Fair und lokal produzieren - eine solche Wirtschaft ist erfolgreicher und zukunftsfitter.” Conrad Bauer von den UNOS hielt fest, seine Fraktion sei „angetreten, um die Kammer attraktiver zu machen, sodass auch jeder freiwillig dabei sein will. Wir arbeiten gerne auf Augenhöhe mit.” Karl Ramharter von der Fachliste der gewerblichen Wirtschaft betonte das „Positive” an der Krise: „Am Durchhaltevermögen der Unternehmen können sich Politiker ein Beispiel nehmen.” Es brauche keine „skurrilen Vorschriften”, sondern vernünftige Rahmenbedingungen: „Visionen sind keine Krankheit, sondern Ansporn, das Mögliche zu erreichen.”