Was tun wenn uns das Gas ausgeht?
Energieknappheit und Teuerung sind für viele Wiener Betriebe die größte Herausforderung der nächsten Monate. Die Wirtschaft braucht jetzt rasch Unterstützung.

Als Manuel Hackl das Schreiben seines Energielieferanten mit der Information in der Hand hielt, dass der aktuelle Tarif ab Jahresende nicht mehr gültig ist, hatte er kurzfristig das Gefühl, dass jemand „das Licht in seinem Kopf ausgeknipst hat”, erzählt der Geschäftsführer des Bierlokals Bierosophie. Er bezieht dort sowohl Gas als auch Strom, und beides bereitet ihm nun enorme Kopfschmerzen. Denn nicht nur, dass der Stromtarif ab 2023 um 600 Prozent erhöht werden soll, auch die Gas-Jahresabrechnung ist seiner Meinung nach „vollkommen willkürlich” aufgestellt worden. „Wie der Verbrauch in einer Zeit, wo wir coronabedingt geschlossen hatten, so hoch sein konnte, ist mir ein Rätsel”, betont Hackl. Energiesparen sei in seinem Gastrobetrieb schon immer die Devise gewesen, weitere Möglichkeiten einzusparen sieht er nicht. Zwei Preisanpassungen musste er heuer bereits vornehmen. Steigen die Energiepreise im gleichen Ausmaß weiter, fürchtet er um den Fortbestand seines Betriebs. „Ich weiß nicht, wie lange die Gäste das noch mitmachen.”
„Energieintensive Branchen brauchen jetzt Entlastung.”
Alternativen zu finden ist schwierig
Wien verbrauchte zuletzt rund 35.000 Gigawattstunden an Endenergie im Jahr. Drei Viertel davon entfallen auf fossiles Gas und Erdöl. Ein Drittel der Energiemenge wird in privaten Haushalten verbraucht, der Rest in Produktion, Dienstleistung und Verkehr. Diese Zahlen zeigen, wie sehr Wiens Wirtschaft von Gasimporten - die derzeit überwiegend aus Russland kommen - abhängig ist. Nicht umsonst zählen die steigenden Energiekosten zu den aktuell größten Sorgen der Wiener Wirtschaft. Denn der Spielraum für Betriebe, sich kurzfristig Alternativen für Gas aus Russland zu suchen, ist sehr beschränkt. Eine aktuelle Studie des Complexity Science Hub im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich zeigt, dass mehr als ein Viertel der gasverbrauchenden Unternehmen Österreichs ihre Geschäftstätigkeit einstellen müssten, wenn sie kein Erdgas bekommen. Mehr als 70 Prozent der Gas-Großverbraucher haben in den letzten Monaten bereits Maßnahmen ergriffen, um ihre Erdgas-Abhängigkeit zu reduzieren - von Einsparungsmaßnahmen bis zur Umstellung von Heizung und Produktionsanlagen auf alternative Energien. „In der Stadt ist es aber schwierig, dass sich der Einzelne eine Alternative zu Gas überlegt”, sagt Franz Josef Lang, Sprecher der Wiener Textilreiniger und Wäschereien. Die Betriebe sind oft eingemietet in Mehrparteienhäusern und haben in Sachen Energieversorgung keinerlei Spielraum. Langs Branche - hoch energieintensiv - hat vor etwa 15 Jahren von Öl auf Gas umgestellt und den Energieverbrauch seither halbiert, „da ist kein Spielraum mehr.” Er hofft, dass sein Sektor zu jenen gehört, die jedenfalls beliefert werden. „Ansonsten steht unsere Branche still, und dann bricht die Versorgung mit hygienisch sauberen Textilien zusammen.” Mit Sorge schaut Lang auch auf die explodierenden Energiepreise. „Wir haben so geringe Margen, das können wir nicht schlucken”, sieht er Preiserhöhungen als unausweichlich, wenn die Entwicklung so anhält.
Entlastung ist jetzt wichtig
„Jetzt ist es wichtig, vor allem energieintensive Branchen zu entlasten - Betriebe, bei denen sich Energie- und Stromkosten inklusive Treibstoffverbrauch auf mindestens drei Prozent des Produktionswertes belaufen”, fordert Wirtschaftskammer Wien-Präsident Walter Ruck. Sinnvoll sei in diesem Zusammenhang auch ein Valorisierungsgesetz, um die kalte Progression abzuschaffen und für die Wirtschaft relevante Pauschalen und Fixbeträge laufend an die Inflation anzupassen, wie das Kilometergeld oder die Kleinunternehmer-Grenze, so Ruck. „Essen vor Stahl” hieß es von der Regierung zur Verteilungsfrage, wenn Gas tatsächlich knapp wird. „Aber in Wirklichkeit weiß keiner, wie es weitergeht”, sagt Doris Felber, Geschäftsführerin der Bäckerei Felber. Dort laufen die Backöfen hauptsächlich mit Gas. Zur Not könne man die noch vorhandenen Holzöfen anwerfen. Diese durch neue, effizientere Pelletöfen zu ersetzen, sei jedoch extrem teuer und in der momentanen Situation nicht leistbar. Am liebsten wäre die Bäckerei Felber bei ihrer Energieversorgung autark, aber: „Wir produzieren jetzt schon den meisten Strom selbst mit Photovoltaikanlagen. Wir backen aber in der Nacht, wenn keine Sonne scheint. Da bringt uns die Photovoltaik gar nichts.” Es komme eine spannende Zeit auf die Wirtschaft zu. „Weil auch noch nicht klar ist, wie unsere Kunden die gestiegenen Herstellungskosten finanziell verkraften. Es wird ja alles teurer: Mieten, Energie, etc. Unsere Kunden werden große Ausgaben haben. Und auch andere Wirtschaftsbereiche werden mit der Teuerung zu kämpfen haben”, fürchtet Felber.