Vier-Tage-Woche als neue Zukunft?
Am Arbeitsmarkt gibt es neue Wünsche und Anforderungen, um als Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber zu gelten. Die Vier-Tage-Woche ist dabei ein Element.
Die Arbeitswelt verändert sich rasant. Dabei rückt die Verbesserung der Work-Life- Balance immer mehr ins Zentrum. Die Unternehmen stellen sich dieser Herausforderung zunehmend und versuchen sich an die Ansprüche der neuen Generation von Arbeitnehmern anzupassen - und reagieren auch mit ihren Stellenangeboten darauf. Die United Benefits Holding GmbH im 1. Bezirk hat für sich ein Modell gefunden, um dieses Ziel zu erreichen: die Vier-Tage-Woche. Das Unternehmen hat sich auf die Verwaltung und Initiierung von Immobilieninvestments spezialisiert und begleitet Investoren von Anfang an entlang der Wertschöpfungskette ihrer Immobilien. Die UB Holding bietet all ihren Arbeitnehmern die Möglichkeit, an vier Tagen pro Woche jeweils acht Stunden zu arbeiten und gleichzeitig weiterhin den vollen Lohn zu beziehen. So haben die Mitarbeiter mehr Zeit, ihren Hobbys nachzugehen, sich weiterzubilden oder ein Familienleben zu führen, argumentiert das Unternehmen. „Davon profitiert die Qualität der Arbeit”, berichtet Michael Klement, Chief Executive Officer von United Benefits. Durch die Maßnahmen für ein besseres Arbeitsklima werde auch die Gesundheit gesteigert und damit die Zahl der Krankenstandstage verringert. Die Firma erhofft sich so in Zukunft für Arbeitsuchende als attraktiver Arbeitgeber zu erscheinen und damit im „War for Talents” überzeugend zu wirken.
„Wir wünschen uns, die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter zu steigern.”
Auch das 25Hours Hotel beim Museumsquartier im 7. Bezirk bietet die Vier-Tage-Woche all seinen Arbeitnehmern an. Das Wiener Hotel ist Teil von Ennismore, einem Hospitality Unternehmen, das 14 weitere Hotels in Europa führt, und setzt bei seinem Firmenkonzept in allen Bereichen auf Individualität. Zur Vier-Tage-Woche läuft derzeit im Unternehmen eine drei Monate andauernde Testphase: Die Mitarbeiter können ihre herkömmliche 40-Stunden-Arbeitswoche an vier Tagen verrichten - ausgenommen hierbei sind allerdings Teilzeitarbeitnehmer (für sie gibt es spezielle Vereinbarungen) und schwangere Frauen. In der Regel werden 36 Stunden verpflichtend absolviert, die volle Arbeitszeit wird nur dann in Anspruch genommen, wenn es eine Unterbesetzung an dem Standort gibt. Etwa 80 Prozent des Teams des Hotels nehmen derzeit das Angebot in Anspruch. Durch dieses Modell sollen attraktive Arbeitsplätze in einer Branche geschaffen werden, die schon lange mit Fachkräftemangel und Abwerbungen durch andere Arbeitssektoren zu kämpfen hat. Außerdem gebe es so „ausgeglichenere und produktivere Kollegen”, wie Selina Huter erzählt, die für das Human Ressources Management im Hotel zuständig ist.
Ein Für und Wider
Arbeitgeber müssen aufgrund der neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der nachrückenden Generation von Arbeitnehmern ein attraktives Arbeitsumfeld bieten, erklärt Margit Haudek, Geschäftsführerin der Human Resources GmbH und Expertin für die Vier-Tage-Woche. Dazu gehörten auch kürzere Arbeitszeiten, die vor allem von Jungen oft gewünscht werden. Die Vier-Tage-Arbeitswoche sei eine Möglichkeit, diesen Forderungen nachzukommen. Durch die Umsetzung des Modells können Firmen einen Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt erlangen, da sie auf diese Weise mehr potenzielle Mitarbeiter anziehen, sagt die Expertin.
„Die Vier-Tage-Woche ist ein Magnet für Fachkräfte am Arbeitsmarkt.”
Jedes Unternehmen müsse allerdings seine Arbeitsabläufe genau analysieren, um festzustellen, ob dieses Modell für seine Branche und seinen genauen Tätigkeitsbereich geeignet ist. Dazu kommt auch eine sorgfältige Planung der Arbeitszeiten der Angestellten, damit es an den jeweiligen freien Tagen zu keinen Unterbesetzungen oder Betriebsausfällen kommt. Außerdem gibt es laut Haudek einen signifikanten Unterschied in der Wahrnehmung des Modells zwischen den verschiedenen Generationen. Unter Arbeitnehmern, die nach 1983 geboren wurden, gebe es eine hohe Akzeptanz für das neue Konzept, da sich die Wichtigkeit einer gesunden Work-Life-Balance speziell durch die Corona-Pandemie erhöht habe. All jene, die vor 1983 auf die Welt gekommen sind, könnten die Verdichtung der Wochenarbeitszeit auf vier Tage als belastend empfinden. Dies zeigt auch eine Umfrage von Spectra, einer Marktforschungsgesellschaft, die feststellte, dass sich 68 Prozent der unter 30-Jährigen für eine Entscheidungsmöglichkeit zur Vier-Tage- Woche aussprechen. Laut der Studie stehen insgesamt nur 15 Prozent der Arbeitnehmer dem Modell ablehnend gegenüber.
Beispiele aus dem Ausland
In Belgien wurde im Februar 2022 beschlossen, dass alle Arbeitnehmer ihre Arbeit an vier Tagen in der Woche verrichten können. Dafür sind nun längere Arbeitszeiten pro Tag erlaubt. Die Auswirkungen des Beschlusses sind allerdings noch unklar. In Frankreich führte die verpflichtende verkürzte Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden zwischen 2000 und 2015 zu einer höheren Arbeitslosigkeit und zu einer geringeren internationalen Wettbewerbsfähigkeit, berichtet die WKÖ. Anders in Deutschland, wo die Arbeitsstunden parallel zur Reform in Frankreich flexibilisiert wurden. Dadurch konnten die Unternehmen und Arbeitnehmer ihre jeweiligen Bedürfnisse individuell decken. Dadurch sank zwischen 2000 und 2015 die Arbeitslosenrate deutlich.