Benedikt und Robert Hammerl (v.l.) beschreiben die aktuellen Herausforderungen aus der Sicht eines Familienunternehmens aus dem energieintensiven Wäscherei- und Putzerei-Bereich.
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Preise, die sich gewaschen haben

Die horrenden Energiepreise lassen endlich wieder nach. Was davon bei den Wiener Betrieben ankommt und wie sich das auf Preise und Rekord-Inflation auswirkt.

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Aktualisiert am 05.08.2023

Der Preis für europäisches Erdgas wird im laufenden Monat mit 25,80 Euro je Megawattstunde (MWh) auf einem Niveau gehandelt wie zuletzt im Juni 2021. Eine deutliche Entspannung im Vergleich zu Spitzenwerten im vergangenen Sommer von über 300 Euroje MWh.

Rekordpreise 2022

Doch sorgten diese Rekordpreise längst für eine Überwälzung auf Nahrungsmittel, Konsumgüter und Dienstleistungen, da Betriebe diese Mehrkosten nicht mehr tragen konnten. Inflationstreiber, die doppelt belasteten. Zum einen beim eigenen Strom- und Gaseinkauf und zum anderen beim Erwerb von Waren oder Dienstleistungen. Die gesunkenen Preise spüren laut dem Ökonom des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), Josef Baumgartner, als erstes jene Unternehmen im Geldbörserl, die Strom und Gas selbst an den Börsen einkaufen. Das sind meist energieintensive Großbetriebe, die durch diese Vorgehensweise von den jeweils tagesaktuellen Preisen auf den Märkten profitieren.

„Es ist anzuraten, bei einem Vertragswechsel zu schauen, wie sich die Preise entwickeln.”

Das Gros der Unternehmen, das vorwiegend im KMU-Segment angesiedelt ist, greift hingegen auf lokale Energieanbieter zurück und ist damit abhängig von deren Preisgestaltung. „Die gesunkenen europäischen Energiepreise sollten für KMU spätestens mit den nächsten Vertragswechselmöglichkeiten spürbar werden. Damit werden die Energieversorger etwas Neues und Günstigeres anbieten müssen als den jetzigen Tarif, sonst laufen sie Gefahr, diese Kunden zu verlieren. Daher ist es anzuraten, ganz genau zu schauen, wie sich die Tarife am Markt entwickeln und welche günstigeren Angebote es gibt”, rät Baumgartner in diesem Zusammenhang.

Wechsel zu Spot-Anbietern kann sich auszahlen

Ein Lied davon singen kann das Familienunternehmen Hammerl. Als Wäscherei und Putzerei zählt es zu den energieintensiven Branchen und kauft über Spot-Anbieter zu laufend aktuellen Preisen ein, um den monatlichen Energieverbrauch von rund 630 MWh an Gas und 210 MWh an Strom zu stemmen. Hauptgeschäft ist der B2B-Bereich, etwa mit Miettextilien u.a. für die Hotellerie oder den Lebensmittelhandel. Darüber hinaus gibt es neun Putzerei-Filialen in Wien und eine in Niederösterreich. „Wir hatten davor normale Verträge mit lokalen Energieanbietern, aber in der Krise haben wir gewechselt”, schildert Inhaber Robert Hammerl. Eine gute Entscheidung, wie er im Nachhinein weiß. Auch Hammerl musste die Teuerung freilich an seine Kunden weitergeben. „Wir konnten aber die Preise nicht in dem Ausmaße adäquat erhöhen, wie wir das gebraucht hätten”, schildert Hammerl. Um die schwierige Zeit zu überbrücken, hat das Unternehmen Unterstützungsleistungen wie den Energiekostenzuschuss in Anspruch genommen. „Ins allgemeine Lamentieren kann und will ich nicht einsteigen. Wir sind zwar sicher nicht überfördert worden, aber ich finde, es war sehr gut, was die Regierung da gemacht hat”, ist Hammerl überzeugt.

Lerneffekte und Lohnkosten

Doch wie sieht die Situation aktuell aus? „Wir zahlen zwar noch immer das Doppelte als vor zweieinhalb Jahren. Aber im August letzten Jahres war es das Zehnfache. Da habe ich mir schon gedacht, dass ich zusperren muss, wenn das noch ein bis zwei Monate so weitergeht”, schildert der Unternehmer. Und wurden die sinkenden Preise mittlerweile an die eigenen Kunden weitergegeben? „Momentan investieren wir alles in die Lohnkosten. Aber ich verstehe, dass die Mitarbeiter bei den aktuellen Teuerungen mehr Lohn wollen”, sagt Hammerl. Doch ein Teil seiner Zahlungen kommt bei den Mitarbeitern gar nicht direkt an: „Meiner Meinung nach müsste man versuchen, über die Senkung der Lohnsteuer die Leute zu unterstützen.” Darüber hinaus hat man die Krise zum Anlass genommen, um nachzudenken, wo man denn nicht noch Energie sparen könnte. „Damit hat das Ganze auch einen Vorteil gehabt. Man sieht, nichts ist ohne Nutzen”, erzählt Hammerl. So wurden die Betriebszeiten optimiert und ein neues Waschkonzept überlegt, das mit einer niedrigeren Temperatur die gleichen hohen Standards erfüllt. Gebot der Stunde ist zudem, auf eine optimale Befüllung zu achten und gegebenenfalls zu warten, bis die Maschinen entsprechend befüllt sind.

Energieeffizienz zahlt sich aus

Auch die Gold- und Silberscheideanstalt Ögussa setzt auf Energieeffizienz. Das Liesinger Traditionsunternehmen hat sich auf die Rückgewinnung von Edelmetallen durch Schmelzung und verschiedene chemische Verfahren spezialisiert und braucht demensprechend viel Energie. „Bei uns rennt alles mit induktivem Strom - weil das emissionsärmer und energieeffizienter ist als Gas”, erklärt Geschäftsführer Marcus Fasching, der deshalb voriges Jahr mit der Planung einer hauseigenen Photovoltaikanlage begonnen hat. „Die Umsetzung ist gerade in der Endphase - wir hoffen, dass wir sie noch im Juni in Betrieb nehmen können”, so Fasching, der mit der Anlage rund zehn Prozent des gesamten Strombedarfs decken möchte. Das wird dem Industriebetrieb auch dabei helfen, die Stromkosten nachhaltig zu senken. „Wir kaufen unseren Strom am Terminmarkt - meist Jahre im Voraus - ein deshalb waren wir im letzten Jahr von den horrenden Strompreisen nicht so betroffen wie viele andere”, erklärt er. Allerdings hat Fasching heuer auch schon den Strom für 2024 und 2025 zu weit höheren Preisen als zuvor eingekauft. „Man wird danach wissen, ob das gut oder schlecht war - aber wir haben dadurch zumindest eine gewisse Planbarkeit und wissen, was auf uns zukommt”, schildert er.

Lieferengpässe befeuern Preise

Als nachhaltiger und energieeffizienter Betrieb kam Ögussa zwar verhältnismäßig glimpflich durch die Energiekrise, zu schaffen machte dem Unternehmen aber die Beschaffung von Chemikalien. „Um Metalle zu scheiden, braucht man Chemikalien wie z. B. Chlor, Salzsäure, Natronlauge und Salpetersäure.” Das wirkte sich schnell auf den Preis aus, da auch für die Herstellung dieser Produkte viel Strom benötigt wird: „Die Kosten für diese Chemikalien haben sich verfünffacht und teilweise verzehnfacht und sie waren im Herbst 2022 kaum verfügbar, als es dann auch noch bei einem großen Hersteller einen längeren Produktionsstillstand gab”, führt er aus. Nun sei hinsichtlich der langsam sinkenden Strom- und Gaspreise aber wieder etwas Entspannung in Sicht. „Auch die Lieferengpässe haben sich beruhigt, das ist ein gutes Zeichen”, sagt Fasching.

Lohnkosten stark gestiegen

Nicht gesunken, sondern um knapp zehn Prozent gestiegen sind hingegen die Lohnkosten des 190-Mitarbeiter-Betriebs. „Das sind Kosten, die man am Ende dann teilweise auch an die Kunden weitergeben muss, sonst geht sich alles nicht mehr aus”, so Fasching. Dass die Lohnkosten aktuell eines der brennendsten Themen sind, bestätigt auch der Wifo-Ökonom: „Der heurige Inflationstreiber kommt vonseiten der Dienstleistungen. Da ist die Arbeitskraft ausschlaggebend und damit sind die Lohnkosten der Haupttreiber”, schildert Baumgartner.

Wettbewerbsfähigkeit leidet

Die hohe Inflation ist es auch, die Fasching im Hinblick auf die Zukunft seines Unternehmens sowie der Wirtschaft in Österreich Sorge bereitet. „Was die nächsten Jahre angeht, bin ich ehrlich gesagt sehr skeptisch. Wir liefern ja auch international und es wird in Zukunft immer schwieriger, sich am Markt zu behaupten. Und Hauptgrund sind die bei uns überproportional gestiegenen Kosten.”

Vorsichtiger Optimismus

Hammerl blickt vielleicht nicht ungetrübt, aber relativ gelassen in die Zukunft: „Natürlich gibt es zurzeit enorm viele Herausforderungen. Aber ich wäre nicht Unternehmer, wenn ich kein Optimist wäre. Aber ich bin seit 35 Jahren Unternehmer und es ist immer weitergegangen. Die Frage ist nur, wie lange die schwierige Situation noch andauern wird und was danach kommt.” Zwar ebbt die Inflation langsam ab und war im Mai mit 8,8 Prozent so nieder wie zuletzt im Juni 2022, wie die Statistik Austria bekannt gibt. Doch wie sieht der Wirtschaftsforscher die Zukunft? „Wir sind in einer Stagflation, also einer stagnierenden Wirtschaft mit hoher Inflation. Für die zweite Jahreshälfte rechnen wir mit einer Verbesserung und einem leichten Wirtschaftswachstum. Im nächsten Jahr erwarten wir wieder ein Wachstum von 1,5 Prozent”, so die Einschätzung von Baumgartner.

Strom und Gaspreis
© wkw I Quelle: Austrian Energy Agency