Mit Resilienz raus aus der Schockstarre
In Krisensituationen Widerstandsfähigkeit entwickeln und neue Lösungen finden. Warum Resilienz für Unternehmen immer wichtiger wird.

Zurückspringen, abprallen – das ist die Übersetzung des lateinischen Worts „resilire”, von dem sich der Begriff Resilienz ableitet. Kurz zusammengefasst bezeichnet man Resilienz als die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen - sie an sich „abprallen” zu lassen - und sie durch Nutzung vorhandener Ressorcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen. So weit, so gut. Was vielleicht ein wenig theoretisch klingen mag, sei jedoch in der Wirtschaft eine essenzielle Eigenschaft, betont Unternehmensberater Kristof Wabl: „Unternehmen müssen ihren Fokus auf den Aufbau einer grundlegenden Resilienz legen”, ist der Wirtschaftsforensiker überzeugt. In eine Glaskugel zu schauen und Krisen wie z.B. Corona vorauszusagen sei erstens nicht machbar und zweitens auch nicht der Inhalt eines gut funktionierenden Krisenmanagements. „Unternehmer müssen mit dem Unvorhergesehenen umgehen können. Resilienz ist die Grundlage, um zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu sein.”
„Unternehmer müssen an ihrer Resilienz arbeiten und Zukunftsvisionen entwickeln.”
Sich neuen Bedingungen anpassen
So wie Wabl ist auch Christina Schweiger, Studienbereichsleiterin Human Resources & Organization an der FHWien der Wirtschaftskammer Wien, überzeugt: „Es lohnt sich für Unternehmen, sich mit Resilienz zu befassen. Denn es ist das Vermögen, in Krisensituationen mit Rückschlägen umzugehen, positiv zu bleiben und weiterzumachen”, erklärt Schweiger. Aus diesem Grund sei auch die individuelle Resilienz, die Teamresilienz und die organisationale Resilienz eng verwoben. Gudrun Gaedke ist ebenfalls Lehrende an der FHWien der WKW und befasst sich seit 2008 mit Resilienzmanagement. Auslöser für sie war die globale Finanzkrise in diesem Jahr. Die Nachfrage nach Resilienzmanagement sei bei den Unternehmern allerdings erst in letzter Zeit vermehrt zu bemerken. „Durch die Pandemie hatten die Untenehmen die – unliebsame - Gelegenheit festzustellen, wie sie mit einer unerwarteten Krise zurecht kommen”, so Gaedke. Der Ukraine-Krieg biete gleich die nächste Gelegenheit.
Checkliste für Resilienz
Laut Gaedke gibt es eine Checkliste für Resilienz, die da lautet: Wie gehen wir mit Fehlern um, wie mit Kommunikation? Wie sehen Entscheidungswege aus? Gibt es Back-ups bei Ausfällen? An all diesen Faktoren kann das Unternehmen die organisatorische Resilienz ausmachen. „Dazu gibt es sogar eine ISO-Richtline”, so Gaedke. Die ISO 22316 (Security and Resilience - Organizational Resilience - Principles and Attributes) kann Unternehmen dabei unterstützen, ihre Belastbarkeit zu erhöhen. Aus der Lehre an der FHWien der WKW jedenfalls sei die Auseinandersetzung mit sich selber nicht mehr wegzudenken. „Ich denke, durch das Thema Selbstreflektion hat sich auch die Resilienzfähigkeit unserer Studierenden verstärkt”, so Schweiger. Jedenfalls seien im Rahmen des Studienbereichs Human Resources & Organization bereits fünf Masterarbeiten zum Thema vergeben worden. Petra-Stefanie Madlé lehrt ebenfalls an der FHWien der WKW und ist als Unternehmensberaterin auf strategisches Change Management spezialisiert. Sie ist überzeugt: „Der CEO muss sich gemeinsam mit seinen Mitarbeitern in ein Leadership-Training setzen.”
Flache Hierachie bringt mehr Resilienz
Auch sind in ihren Augen Unternehmen mit flachen Hierarchien resilienter. Menschen müssen bei allen Schritten unbedingt in den Mittelpunkt gestellt werden und es sei besser, kleine Schritte zu setzen als „alles auf den Kopf zu stellen”, ist Madlé überzeugt. „Unternehmen wird immer stärker bewusst, dass sie aufgrund einer Aneinandereihung von Krisensituationen an ihre Grenzen stoßen und auch bei Situationen, die sich nicht verändern lassen, flexibler werden müssen.” Diese Flexibilität in Bezug auf Situationen, die sich nicht ändern lassen, ist auch für Michaela Kreitmayer, Leiterin des Hernstein Instituts für Management und Leadership der Wirtschaftskammer Wien, ein wichtiger Bestandteil der Resilienz: „Resilienz ist für mich die Kunst, unverrückbare Situationen so anzunehmen, wie sie sind, und das Beste daraus zu machen. Die Stärkung der Resilienz-Fähigkeit von Mitarbeitenden im Unternehmen rentiert sich.”
Orientierung an Unternehmerpraxis
Dass das Thema Resilienz in Studiengängen an der FHWien der WKW aufgegriffen wird, ist für CEO Michael Heritsch kein Zufall: „Die Studiengänge und Weiterbildungsprogramme der FHWien der WKW zeichnen sich durch eine hohe Praxisnähe aus. Dabei orientieren sich die Inhalte an den Bedürfnissen der Unternehmen. Auf genau diese Bedürfnisse wird sowohl bei Praxisprojekten in den Studiengängen als auch bei Forschungsprojekten eingegangen.” Eines haben die letzten Jahre laut Heritsch jedenfalls immer stärker gezeigt: „Unsere Wirtschaftswelt wird künftig wohl nicht mehr so stabil sein, wie es vor Corona den Anschein hatte.” Deshalb sei es für Unternehmen wichtig, an ihrer Resilienz zu arbeiten und Visionen für die Zukunft zu entwickeln - einem Ausspruch des Psychotherapeuten Viktor Frankl gemäß: „Nur wenn jemand eine Vision von der Zukunft hat, hält er durch - auch in der Not”.