Mindestens so gut wie neu
Wegwerfen war gestern. Mit dem Trend zu mehr Nachhaltigkeit erlebt auch das Interesse am Reparieren eine Renaissance. Wie Wiener Unternehmer dazu stehen und warum Reparieren die Zukunft sein könnte.

Die alte Schleifmaschine in der Werkstatt von Andreas Kudweis hat schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel. Der Wiener Unternehmer betreibt eine Schuhmacherei im ersten Bezirk und schwört auf seine guten alten Maschinen. „Meine Kollegen sagen immer, Was?! Mit der alten Maschine arbeitest du noch? ’”, lacht er. „Aber was soll ich sagen, die arbeitet so fein und genau - wie ein Uhrwerk. So etwas wird heutzutage nicht mehr produziert.” Und wenn einmal ein Gerät nicht funktioniert? „Dann lasse ich es selbstverständlich reparieren”, stellt Kudweis klar. Reparieren statt Sachen wegzuwerfen steht für ihn schon alleine wegen seines Unternehmens außer Frage. Schließlich verdient der Wiener Unternehmer sein tägliches Brot mit der Reparatur und Herstellung von Schuhen.
„Es braucht einen Kulturwandel, sodass wir den Produkten mehr Wertschätzung entgegenbringen.”
Reparaturen sind bei Kunden gefragt
„Mein Großvater hat in den 1930ern im 16. Bezirk angefangen - ich habe 1995 den Betrieb von meinem Vater übernommen und bin im Jahr 2000 in die Innenstadt gezogen. Im selben Jahr habe ich damit begonnen, Reparaturen auch für Schuhe anzubieten, die nicht von uns hergestellt wurden”, erzählt Kudweis. Dieses Angebot wird von vielen angenommen: „Wir reparieren rund 200 Paar Schuhe im Monat.” Damit Kudweis einen Schuh reparieren kann, muss dieser nicht zwangsläufig teuer sein: „Wichtig ist ein Lederanteil, mit dem man noch arbeiten kann - dann können wir fast alles reparieren - vom Modeschuh aus der Luxusboutique bis hin zum ausgelatschten Lieblingsschuh”, erklärt er.
„Der Reparaturbonus schont die Umwelt und schafft Nachfrage für die Betriebe.”
Nachhaltigkeit wird wichtiger
Dass Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt, habe - so Kudweis - mehrere Gründe: „Manche können es sich einfach nicht leisten, ständig neue Sachen zu kaufen, und lassen sie deshalb reparieren. Andere sind so zufrieden, dass sie sich zum Beispiel nicht von ihren Lieblingsschuhen trennen wollen und sie stattdessen so lange es geht reparieren lassen. Und immer mehr wollen bewusst etwas für die Umwelt tun und diesem Wegwerfwahnsinn entgehen.”
Wo der Schuh drückt
Die geplante Obsoleszenz (Verschleiß) vieler Produkte stellt sein Handwerk oft vor Herausforderungen: „Es werden teilweise Sohlen verwendet, die man nicht gut verkleben kann oder die Stiftflecke an den Absätzen - die normalerweise eine Norm haben - ändern sich und können nicht mehr so einfach getauscht werden”, erzählt er. Auch bei Haushaltsgeräten ist das Phänomen der gezielten Produktvergreisung keine Neuheit, weiß Robert Braunsteiner. Er repariert seit mehr als zwei Jahrzehnten vor allem Waschmaschinen und ist, so sagt er, einer der letzten freien - also nicht markenabhängigen – Reparateure in Wien. Elektrogeräte würden heute bewusst so produziert, dass Reparaturen schwierig bis unmöglich oder unwirtschaftlich sind. Das habe den Konsumenten das Vertrauen ins Reparieren genommen. „Wenn heute eine Waschmaschine nach sechs Jahren kaputt ist, empfindet das der Kunde als normal und kauft sich eine neue.” Früher sei das undenkbar gewesen. Um die Reparierbarkeit und damit die Lebensdauer von Geräten zu verlängern, müsse man bei den Herstellern ansetzen, sagt Braunsteiner. „Waschmaschinen könnten zum Beispiel doppelt so lang halten, wenn das zentrale Hauptlager so wie früher tauschbar wäre.” Der Konsument sollte ein Recht auf Reparierbarkeit der Geräte haben. Ähnliches will auch die EU verwirklichen. Und: Neuralgische Bestandteile müssten vereinheitlicht werden. „Derzeit muss ich zig verschiedene Laugenpumpen aller Hersteller auf Lager haben, um für alles gerüstet zu sein.”
Mythos von alten „Stromfressern”
Auch Helmut Rechberger, Institutsvorstand am Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement an der TU Wien, sieht Aufholbedarf bei der Reparierbarkeit vieler Produkte: „Es ist tatsächlich so, dass sich bei manchen elektrischen bzw. elektronischen Produkten die Nutzungsdauer auf Grund von schnelleren Innovationszyklen verkürzt hat. Die Reparatur von Elektrokleingeräten wird heute wenig praktiziert. Gründe dafür sind, dass die Reparatur im Vergleich zum Kaufpreis des Produktes oftmals zu teuer ist. Und: Für Produzenten kann es ökonomisch sinnvoller sein, ein Produkt weniger robust und damit billiger herzustellen, als es etwas teurer und damit für eine längere Nutzungsdauer zu produzieren”, erklärt er und räumt mit dem Mythos der alten „Stromfresser” auf: „Ein neues Produkt kann zwar weniger Energie verbrauchen im Betrieb, nur wird diese Einsparung durch den Energieverbrauch in der Herstellung des neuen Produktes überkompensiert, sodass die Gesamtenergiebilanz für ein System mit kurzen Erneuerungszyklen in der Regel schlechter ist”, spricht sich der Experte klar für die Reparatur von Geräten aus.
Steuern als notwendige Maßnahme
Ein Ansatz, um Reparieren ökonomisch attraktiver zu machen, seien Steuern, so Rechberger: „Ich denke, dass man hier in der Ökonomie bzw. im Steuerrecht ansetzen muss. Solange Rohstoffe so günstig sind - und das sind sie trotz der derzeitigen Preissteigerungen immer noch – und Arbeit vergleichsweise teuer, wird die Reparatur nicht konkurrenzfähig. Wenn es hier zu einer Verschiebung käme, indem Rohstoffe teurer und Arbeit billiger wird, dann wäre das ein weiterer Anreiz dafür, Produkte langlebiger und reparierfähiger zu gestalten”, betont er. Gefordert seien aber nicht nur die Produzenten, sondern auch die Konsumenten. „Man könnte durchaus sagen, dass es einen Kulturwandel benötigt, in dem wir den Materialien und Produkten mehr Wertschätzung entgegenbringen.”
Kunden übernehmen Verantwortung
Ihre Kunden scheinen reparierten Produkten immer mehr Wertschätzung entgegen zu bringen und auf Nachhaltigkeit zu setzen, stellt Christine Markel fest. Die Geschäftsführerin von Stromayer Elektro Service ist mit dem Familienbetrieb, den sie von ihrer Mutter übernommen hat, „sozusagen groß geworden”. Gemeinsam mit ihrem Team repariert sie als Vertragswerkstatt Klimageräte und Kaffeemaschinen der Marken Venta Luftwäscher und DeLonghi. Sie stellt fest, dass in der letzten Zeit vermehrt auch jüngere Kunden ihre Geräte zur Reparatur bringen, auch außerhalb der Garantiezeit. Der Reparaturbonus scheine auch eine Motivation zu sein, die Geräte wieder fit zu machen. Reparieren scheint „in” zu sein. „So seltsam das klingt, aber es gibt eine Art emotionale Bindung zu den Geräten.” Markel würde gerne auch Kunden mit anderen Gerätemarken servicieren, leider sei das aber kaum machbar. „Diese Kunden muss ich informieren, dass die Reparatur überdurchschnittlich lange dauert und im Zweifelsfall auch teurer werden würde, da wir nicht die passenden Ersatzteile für das Gerät haben”, so Markel. So wie Unternehmerkollege Robert Braunsteiner würde auch sie es begrüßen, wenn gewisse Ersatzteile bei den Gebrauchsgeräten einheitlich und somit leichter reparierbar wären.
Reparieren ist jetzt lukrativ
Ökologisch ist Wegwerfen statt Reparieren immer ein Desaster. Wirtschaftlich ist das Wiederinstandsetzen defekter Produkte auch eine Chance für lokale Betriebe. Um den Trend weiter anzufachen, hat die Regierung kürzlich den Bundesreparaturbonus speziell für die Reparatur von Elektrogeräten gestartet. Die Gelder dafür kommen aus dem EU-Aufbauplan. „Ein wichtiger Schritt für die Umwelt, und ich sehe darin auch eine gute Möglichkeit für die Unternehmen, ihr Geschäftsfeld zu erweitern”, sagt Maria Smodics- Neumann, Obfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Wien.