Kameramann und Unternehmer Thomas W. Kiennast beim Dreh von „Cortex”
© Gordon Timpen

Klappe auf für den Filmstandort Wien

Wie viel Potenzial Wien als Filmmetropole hat und welche Hürden die Stadt der vielen Szenerien überwinden muss, um auch international zum Filmhotspot zu werden.

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Aktualisiert am 05.08.2023

Ich habe schon fast überall in Wien gedreht”, erzählt Thomas Kiennast. Der mehrfach ausgezeichnete Kameramann, u.a. bekannt durch verschiedene Tatort-Produktionen, „Im Reich der Reblaus”, „Die Ibiza Affäre” oder die „Schachnovelle”, weiß um das Potenzial und die Vielfalt Wiens für Filmschaffende. Genau aus diesem Grund hat er vor neun Jahren gemeinsam mit seiner Frau Lisa Scheid die Wiener Produktionsfirma Das Rund GmbH gegründet. Mittlerweile zählt das Wiener Film-Duo mehr als 25 Mitarbeiter und hat die Filmproduktionsfirma um ein Catering-Unternehmen wie auch eine Bar erweitert.

„Für jeden Euro, der in die Filmwirtschaft fließt, kommen drei zurück.”

Von der burgenländischen Steppe bis zum Großstadtflair

Die Gründe, weshalb Wien für den 46-Jährigen sowohl als Kameramann als auch Produzent interessant ist, liegen auf der Hand: „Das Gute an Wien als Drehort ist - du bist innerhalb einer Stunde in den Bergen und kannst alpine Szenen zum Beispiel am Schneeberg drehen, du hast in unmittelbarer Nähe im Burgenland Steppencharakter und innerstädtisch sogar noch einen Wald. Du hast moderne Grätzl, wie die Seestadt aber auch geschichtsträchtige Altbauten, Schlösser und Gärten”, zählt Kiennast auf. Auch private Wohnungen und Originalschauplätze seien in Wien leicht zu bekommen. Und: „Natürlich spricht auch die Lebensqualität und die geografische Lage für Wien als Drehort.”

Schnelle Drehgenehmigungen

Ein weiterer Pluspunkt, den Filmschaffende an Wien schätzen, seien die leicht zu bekommenden Drehgenehmigungen. „Man muss sich einmal vorstellen - wenn so ein Tross an LKWs mit der gesamten Ausstattung und der Produktionstechnik anrollt, braucht man schon einmal ein Halteverbot für hundert Meter - und das ist in Wien relativ einfach zu bekommen”, so Kiennast, der auch die schnellen Behördenwege in Wien etwa für für Drehgenehmigungen positiv hervorhebt. „In Deutschland dauern solche Genehmigungen doppelt so lang und selbst in Budapest geht es nicht so schnell wie in Wien.”

Förderungen wichtig für Filmstandort

Warum Wien trotz dieser vielen Vorteile - für internationale Produktionen zumindest - bis vor Kurzem noch ein weißer Fleck auf der Film-Landkarte war? „In ganz Europa gab es Anreizmodelle der unterschiedlichsten Art und Weise: Steuerliche, direkte und indirekte - Österreich hatte nichts Vergleichbares”, erzählt Brigitte Matula, Vorsitzende der Fachvertretung der Film- und Musikwirtschaft Wien. „Das tut schon weh, wenn sogar österreichische Produktionen ins Ausland ausweichen, weil sie dort bessere Förderungen bekommen”, erzählt sie. Umso glücklicher ist man nun über den Ausbau des Filmanreizmodells FISAplus, das seit 1. Jänner in Kraft ist. „FISAplus ist ein nicht rückzahlbarer Zuschuss des austria wirtschaftsservice (aws) in Höhe von 30 Prozent der förderungsfähigen Ausgaben in Österreich – plus fünf Prozent ,Grüner Bonus’ bei Umsetzung von Green Filming”, erklärt Matula.

Mit Förderungen zu internationaler Beliebtheit

Dass die Förderungen bereits Wirkung zeigen, sieht man auch an der Bilanz der Vienna Film Commission, der ersten Anlaufstelle für nationale und internationale Filmproduktionen in Wien: Alleine heuer rechnet man mit rund 700 Projekten. „Das vergangene Jahr ist sehr erfreulich gewesen: Insbesondere durch die Rückkehr internationaler Produktionen”, so die Geschäftsführerin der Vienna Film Commission, Marijana Stoisits. Die beiden Netflix-Serien „The Recruit” und „Criminel” sowie der Blockbuster „Extraction  2 – Tyler Rake” und die Amazon-Produktion „Sachertorte” brachten einen enormen Booster für den Filmstandort Wien. Und: „Auch der Dreh von ,The Palace’ mit Kinostar Kate Winslet hat Wien als Drehort viel Aufmerksamkeit beschert. Das war einer der ersten Filme, für den die neue Förderung in Anspruch genommen wurde”, erzählt Matula.

Neue Filmstudios sind notwendig

„A” und „O”, um Wien künftig sowohl für heimische als auch internationale Produktionen als Filmmetropole zu positionieren, sei die Verbesserung der dafür notwendigen Infrastruktur. „Bis Ende 2023 entstehen die beiden HQ7 Studios in Kooperation mit dem Wiener Hafen. Die beiden Studiohallen mit einer Größe von 1000 und 2000 Quadratmetern entsprechen den neuesten technischen Standards sowie Green Filming-Kriterien und werden Ende des Jahres abgeschlossen sein”, schildert Matula. Für Thomas Kiennast sei das nur ein erster in die richtige Richtung: „Wenn man ernsthaft als Filmstadt angesehen werden will, ,braucht es da noch weiter Maßnahmen. In anderen Großstädten gibt es richtige Studiokomplexe - deswegen ist der Bau der beiden Studios sicher positiv, kann aber nur ein Anfang sein.” Dass sich weitere Investitionen in den Filmstandort Wien lohnen, ist auch Brigitte Matula Überzeugung: „Der gesamte Wirtschaftsstandort profitiert, wenn in Wien gedreht wird. Man denke an die ganzen Dienstleistungen, die mit einem Dreh einhergehen, die ganzen Techniker und natürlich auch der Tourismus. Für jeden Euro, der in die Filmwirtschaft fließt, kommen drei zurück”, betont sie.

Nachhaltigkeit wird auch in der Filmbranche immer wichtiger

Eine große Rolle für die Zukunft des Films spielt auch das Thema Nachhaltigkeit, sind sich die drei Experten einig. „Die Ökologisierung des Films ist eine Verantwortung, die man als Produzent tragen muss und die wir mit unserem Unternehmen gerne tragen wollen, auch wenn es nicht immer einfach ist”, erzählt Kiennast. „Genau aus diesem Grund hat beispielsweise meine Frau unser Catering-Unternehmen gegründet, das sich auf vegetarische Verpflegung spezialisiert.” Aber auch die Abfallvermeidung am Set, die Nutzung von Elektromobilität oder öffentlichen Verkehrsmitteln sind Maßnahmen, die Filmschaffende wie Kiennast und Scheid bereits setzen. „Sofern es zeitlich möglich ist, lassen wir zum Beispiel die Filmcrews via Öffis anreisen, anstatt sie einfliegen zu lassen”, so Kiennast.

Wien hat großes Potenzial

Dass Wien in Zukunft eine tragende Rolle in der Welt des Films übernehmen kann, ist man von allen Seiten überzeugt. Denn: „In Österreich und in Wien werden richtig gute Filme gemacht, das war schon immer so - wir haben tolle Schauspieler und Regisseure. Ich würde mir wünschen, dass das stärker in den Köpfen der Menschen ankommt”, erklärt der Wiener Filmemacher.