Im Bild: Kooperationspartnerinnen in der Lerchenfelder Straße 91-93. v.l.: Eva Freitag, Cornelia Kamaryt, Andrea Pal und Gina Sandu.
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In bester Lage

Eine rege Nachfrage nach freien Geschäftslokalen zeugt von der Aufbruchsstimmung in Wiens Erdgeschoßzonen. Was und wo gesucht wird und wie die WK Wien dabei unterstützt.

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 05.08.2023

Wien Meidling, Wolfganggasse 19. Hier, im Erdgeschoß des Gründerzeithauses, haben sich Barbara und Julia Sudrich knapp vor Weihnachten 2022 ihren Lebenstraum verwirklicht und ihren Spezialitätenladen „Genussmensch” eröffnet. Angeboten werden Schmankerl aus ganz Österreich, vorwiegend von kleinen Familienbetrieben: Süßes und Salziges, Marmeladen, eingelegtes Gemüse, Wein, Säfte, Kaffee, Nudeln in verschiedensten Farben und Formen und eine kleine Auswahl an Käse, Speck und Wurst. Dazu gibt es täglich Kaffee, Getränke und Kuchen zum Vor-Ort-Genießen.

„Wir bemerken schon seit einiger Zeit einen Trend zu kleineren Geschäften.”

Ursprünglich, so erzählen die beiden Schwestern, träumten sie vom eigenen Kaffeehaus. „Doch dann kam Corona und wir haben gesehen, wie schwer es die Gastronomie gehabt hat”, erzählt Barbara. Sie beschlossen, ihre Vision vom gut Essen und Trinken mit einem Spezialitätenladen umzusetzen. „Slow Food ohne Stress, das ist unsere Philosophie”, so Julia. Zwei Jahre lang suchten sie landauf, landab nach kulinarischen Besonderheiten - und parallel nach dem richtigen Standort für ihr Geschäft. Nicht zu klein sollte er sein, denn das Konzept sah neben dem Produktverkauf auch Verkostungen vor Ort und Raum für Netzwerk-Events vor. „Zuerst haben wir innerstädtisch gesucht, aber rasch gesehen: Das ist für uns unleistbar”, erzählt Barbara. Das Lokal in der Wolfganggasse - zwei Räume mit Küche und kleinem Lager, insgesamt knapp 100 Quadratmeter - hatten sie ursprünglich nur als Übergangslösung ins Auge gefasst. „Dann haben wir gesehen: Das ist perfekt für uns, hat die nötige Größe, ist leistbar und gut angebunden. Und wir sind hier in einer guten Gegend, die sich noch weiter mausern wird”, ist Julia überzeugt. Seit Dezember 2022 ist das Geschäft nun offen. Der Onlineshop wird gerade finalisiert, und der größere Präsentationsraum soll künftig auch vermietet werden, etwa für lokale Netzwerk- und Kooperations-events. Ein Mini-Schanigarten vor dem Eingang und das noch fehlende Firmenschild darüber sollen das „Genussmensch” bald komplettieren.

Begleitung durch Profis

Unterstützung bei der Standortsuche holten sich die „Genuss-Schwestern” beim Standortservice der WK Wien, für das sie nur lobende Worte finden. „Wir haben dort tolle Tipps und Kontakte bekommen, das hat uns sehr geholfen”, sagt Julia. „Auch die Standortanalysen waren sehr hilfreich”, ergänzt Barbara. Diese Analysen zählen zum Angebotskern des Standortservice der WK Wien für Unternehmer auf der Suche nach einem Geschäftslokal. Sie liefern Informationen über Wohnbevölkerung, Kaufkraft, Passantenfrequenz, Infrastruktur und Einzugspotenzial eines Standorts. Dazu bietet dieses Service individuelle Standortberatungen und administriert Wiens größte Datenbank für freie Geschäftslokale. Das Service ist gefragt: Mehr als 2500 Betriebe haben im Vorjahr den Service in Anspruch genommen - das sind um 60 Prozent mehr als 2021. Die dominierenden Branchen waren Gastronomie, Handel und Gewerbe. 300 Unternehmen konnten mithilfe des Standortservice in freien Lokalen angesiedelt werden. „Nach den Pandemiejahren herrscht Aufbruchsstimmung in der Erdgeschoßzone. Viele haben abgewartet und wollen jetzt gründen oder investieren”, sagt dazu Wiens Handelsobfrau Margarete Gumprecht. Besonders gefragt sind Lagen in den innerstädtischen Bezirken, während jenseits der Donau, aber auch in Liesing und Meidling, mehr Lokale frei sind als gesucht werden. Die wenigsten Leerstände hat die Leopoldstadt, wo zuletzt viel neuer Wohnraum entstanden ist.

Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort

Auch Alessandro Scendoni hat ein passendes Lokal gesucht, um sich seinen Lebenstraum vom eigenen Restaurant zu erfüllen. „Nach mehr als einem Jahr haben wir endlich das Passende gefunden, hier im 7.”, erzählt der gebürtige Italiener, der das Restaurant Sette Mitte Februar des Vorjahres eröffnet hat. Serviert werden hier in der Schottenfeldgasse 7 italienische Gerichte, Cocktails und vor allem die berühmte römische Pizza, die es sonst noch nirgendwo in Österreich zu verkosten gibt. Für Scendoni war es wichtig, ein Lokal im Wiener Zentrum zu finden. „Es stand ein Lokal im 2. Bezirk zu Auswahl - das war uns mit 500 Quadratmetern aber viel zu groß. Wir wollten etwas Kleineres aber Feines, das wir renovieren und ganz nach unserem Geschmack herrichten können”, schildert der Pizzaiolo, der das Restaurant gemeinsam mit seiner Frau Patrizia Gaglianone und Davide D’Eramo führt. Unterstützung bei der Suche aber auch danach bei behördlichen Angelegenheiten wie der der Betriebsanlagengenehmigung, holte er sich beim Standortservice der WK Wien. „Es gibt so viele Dinge, die man beachten muss, ich war sehr froh, dass ich so gut unterstützt wurde”, so der Quereinsteiger, der zuvor als Architekt gearbeitet hat. Wenn alles so läuft wie geplant, will er sogar bald wieder auf Standortsuche gehen: „Ziel ist es schon, einen weiteren Standort zu eröffnen - zuerst muss aber hier alles gut laufen.”

Klein ist fein - und derzeit begehrt

Wie Scendoni suchen in Wien immer mehr Unternehmer kleinere Geschäftslokale. Besonders beliebt sind jene zwischen 33 und 89 Quadratmetern. „Diesen Trend beobachten wir schon seit einigen Jahren”, so Gumprecht. Einerseits setzen viele Betriebe neben dem stationären auch auf den Online-Verkauf. Andererseits sind auch die hohen Energiekosten ein Argument für kleinere Flächen. Diese sind jedoch schwierig zu finden - die Durchschnittsgröße der verfügbaren freien Lokale liegt bei 267 Quadratmeter. Abhilfe könnten hier neue Konzepte wie Shared-Spaces - also geteilte Geschäftsräumlichkeiten - schaffen, so eine aktuelle TU-Umfrage zum Raumbedarf in Wien.

Gesucht: Kooperationspartner für Geschäftslokal

Auch Andrea Pal wurde ihr Friseursalon, der bereits in dritter Generation in der Lerchenfelderstraße 91 im 7. Bezirk geführt wird, zu groß. „Das Lokal erstreckt sich über zwei Stockwerke - Ergeschoß und Souterrain - das alles einzig mit dem Friseurbetrieb zu erhalten, wäre nicht schaffbar”, erzählt Pal. Die Unternehmerin hat sich über die Kooperationsbörse der WK Wien  kurzerhand auf die Suche nach Geschäftspartnern gemacht, die sich bei ihr einmieten möchten.

Mehrwert für Kunden

Ziel der Unternehmerin war es auch, ihr Geschäftsfeld zu erweitern, um ihren Kunden einen Mehrwert zu bieten. „Ich wollte mich auch breiter aufstellen.” Denn: „Es gibt alleine in meiner Straße rund 18 Friseure - in der weiteren Umgebung noch mehr - da muss man hervorstechen - zum Beispiel mit einem besonderen Angebot.”

Gefunden: Teamspirit

Das kann Pal ihren Kunden seit kurzem bieten. Anfang März sind im Friseursalon nämlich Nageldesignerin Gina Sandu und Fußpflegerin Eva Freitag eingezogen. „Auf die Ausschreibung beim Kooperationsservice hat sich längere Zeit keiner gemeldet - und plötzlich waren es sogar zwei auf einmal”, freut sich die Wienerin. „Wir sind jetzt mit meiner Mitarbeiterin, Cornelia Kamaryt, zu viert und es funktioniert super”, schildert Pal, die vereinzelt auch Sessel an externe Friseure vermietet und folgendes Fazit aus der Kooperation zieht: „Ich bin sehr froh, mir das Geschäft mit den beiden teilen zu können. Jeder von uns weiß was er zu tun hat und ist im Prinzip auf sich selbst gestellt - trotzdem unterstützen wir einander wo wir können - wir sind ja jetzt ein Team.”

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