Export bleibt Motor der Wiener Wirtschaft
Die aktuelle Wachstumsdelle dürfte die erfolgreiche Wiener Exportwirtschaft nur kurz bremsen. Schon für das zweite Halbjahr stehen die Zeichen wieder auf Wachstum.

Die ersten Expansionsschritte setzte Domagoj Dolinsek mit seinem Unternehmen Planradar vor rund zehn Jahren in Kroatien. „Ich bin gebürtiger Kroate und habe einige Jahre dort gearbeitet - deshalb war es für mich klar, mein bereits dort bestehendes Netzwerk zu nutzen und dort den nächsten Standort zu eröffnen”, schildert der Gründer des Wiener Exportunternehmens. „PlanRadar ist eine Plattform zur effizienten Baudokumentation. Kurz: Was früher mit Papier, Bleistift und Fotoapparat auf Baustellen dokumentiert wurde und dann in Excel-Listen eingetragen und weitergeschickt wurde, passiert heute per App - schnell und unkompliziert und weit fehlerunanfälliger”, erklärt Dolinsek die Grundidee hinter PlanRadar, die er auf Basis seiner Erfahrungen am Bau selbst entwickelt hat. Der Erfolg spricht für das Unternehmen: Zehn Jahre später zählt Dolinsek mehr als 450 Mitarbeiter weltweit und Standorte in 18 verschiedenen Ländern.
„Die Exportbetriebe sind in aller Welt ein Aushängeschild für Wien.”
Mit Zuversicht in die nächsten Monate
„Unsere Plattform wird bereits weltweit von etablierten Bauunternehmen genutzt. Diese wiederum bringen die Plattform in Kontakt mit neuen Unternehmen in neuen Ländern”, schildert Dolinsek den Schneeballeffekt, den seine Innovation ausgelöst hat. Doch nicht nur geografisch hat sich das Wiener Unternehmen breit aufgestellt, auch thematisch expandiert man, um am Ball zu bleiben. „Wir haben unsere Kundensegmentierung breit aufgestellt und sprechen lang nicht mehr nur Bauunternehmen an”, so Dolinsek. „Das ist auch der Grund, weshalb wir trotz der teils eher trüben Wirtschaftsprognosen für die nächsten Monate optimistisch gestimmt sind.” Ein weiterer Grund sei die breite Auftragslage im Infrastrukturbereich. „Was den Hochbau und den Wohnbau angeht, ist die Stimmung beispielsweise noch etwas zurückhaltender, da erwarten wir heuer eine Seitwärtsbewegung am Markt”, erzählt er. Dafür floriere der Infrastrukturbau umso mehr. „In Europa stehen viele Straßenprojekte an.”
Wien als wichtiger Exportpartner
PlanRadar ist eines von mehr als 11.500 Wiener Exportunternehmen. Diese spielen innerhalb der heimischen Wirtschaft eine wichtige Rolle: Etwa 55 Prozent der österreichischen Wertschöpfung werden von Exportbetrieben generiert. Auf Wien entfielen 2021 rund 14 Prozent der heimischen Warenexporte - ein Wert von 23 Milliarden Euro. Fast ein Viertel davon entfällt auf pharmazeutische Erzeugnisse, dem wichtigsten Exportgut. Wichtige Exportprodukte sind auch (elektrische) Maschinen, elektrotechnische Waren und Kunststoffe. Auch bei IT- und Kommunikationssystemen, in der Luftfahrt, bei Mautsystemen und bei feuerfesten Materialien nehmen Betriebe aus Wien eine international führende Position ein. Bei den Dienstleistungsexporten beträgt der Wien-Anteil sogar mehr als 40 Prozent aller österreichischen Transaktionen mit Bdem Ausland (ohne Reiseverkehr). Dabei rücken Bereiche wie Digitalisierungs-Know-how, mit dem auch PlanRadar erfolgreich ist, zunehmend in den Fokus. „Der Export von wissensbasierten Dienstleistungen spielt mit zunehmender internationaler Vernetzung eine wachsende Rolle. Für Wiener Betriebe eine tolle Chance, ihr diesbezügliches Know-how in alle Welt zu tragen”, sagt WK Wien-Präsident Walter Ruck. Wiens Exportbetriebe seien generell „ein wichtiges Aushängeschild unseres Wirtschaftsstandortes auf allen Kontinenten”.
Im 2. Halbjahr geht es wieder aufwärts
Laut Statistik Austria ist die heimische Exportwirtschaft in den ersten drei Quartalen 2022 kräftig gewachsen. Das Wiener Exportplus betrug im ersten Halbjahr 2022 ein gutes Viertel gegenüber 2021. Ukraine-Krieg und Energiekrise haben das Wirtschaftswachstum im EU-Raum seither aber deutlich eingebremst. Wiener Exportbetriebe - sie erwirtschaften sieben von zehn Euros mit EULändern - werden das spüren. Wie sehr, bleibt aber abzuwarten. Wirtschaftsforscher erwarten, dass die kurzfristige Wachstumsdelle bereits im zweiten Halbjahr überwunden ist. Diese Erwartung bestätigt auch der Blick in einige Nachbarländer, mit denen Wien wirtschaftlich eng verflochten ist. Für Österreichs wichtigsten Handelspartner Deutschland geht Michael Scherz, Wirtschaftsdelegierter in Berlin, zwar nicht von einem „Superjahr” aus, die Stimmung sei aber ganz gut und die Warenexporte werden nach dem Rekordergebnis 2022 weiter steigen, ist er sicher. Kurzfrist-Prognosen sieht auch die Wirtschaftsdelegierte für Kroatien, Sonja Holocher- Ertl, aufgrund der instabilen Rahmenbedingungen als schwierig an. Für Kroatien bringe der heuer neu eingeführte Euro jedenfalls mehr Sicherheit im Zahlungsverkehr und weniger Aufwand für Exporteure. „Ob sich das in Zahlen messen lässt, bleibt abzuwarten”, so Holocher-Ertl. „In erster Linie dürften jene Exportfirmen ein schwierigeres Umfeld vorfinden, deren Leistungen Teil des privaten Konsums sind und deren Anschaffung bis zu einem gewissen Maß verschieb- bzw. verzichtbar ist”, meint Roman Rauch, Wirtschaftsdelegierter in Prag. Tschechien sieht er im zweiten Halbjahr 2023 jedenfalls schon wieder auf Wachstumskurs. Auch im „bel paese” stehen die Zeichen langsam wieder auf Erholung, so die Einschätzung der Wirtschaftsdelegierten für Italien, Gudrun Hager. Große Erwartungen für die Wirtschaft in Italien hat man hinsichtlich bevorstehender Großereignisse wie die Olympischen Winterspiele in Cortina und Mailand 2026 oder das Heilige Jahr 2025 in Rom.

Tschechien ist Top-Exportland für Wien
Die tschechische Wirtschaft war vor dem Ukraine-Krieg gut aufgestellt und ertragsstark, daher bereitet die aktuelle Konjunkturabschwächung wenig Sorge. Das 2. Halbjahr sollte bereits wieder auf Wachstumskurs stehen. Für Wien ist das Land eine der Top-Exportnationen. Elektronik und IKT bleiben Innovationstreiber, Zukunftsbereiche sind weiters Automation/Digitalisierung, Smart City, Grüne Transformation, aber auch Raumfahrt und Nanotechnologie.

Die Schweiz ist wichtiger Partner
„Für das Jahr 2023 geht man davon aus, dass sich die Konjunktur abkühlen wird. Es wird aber erwartet, dass die Schweiz im internationalen Vergleich relativ glimpflich durch die kommenden Quartale kommen könnte. Österreich ist ein wichtiger Handelspartner. Pro Kopf betrachtet ist der Österreicher (nach dem Liechtensteiner) der beste Kunde von Schweizer Waren und Dienstleistungen überhaupt. Umgekehrt gilt gleiches.

Kroatien bietet in vielen Bereichen Marktchancen
Österreich ist hier der zweitwichtigste Investor. Die Verflechtung mit Wien geht quer durch alle Branchen, vom Finanz- über den Immobilien- bis zum Bausektor. Künftige Marktchancen gibt es sicher in der Logistik sowie im Wasser- und Abwasserbereich, auch bei Abfall und Recycling sowie im IT-Sektor, wo Kroatien gute Ausbildungen hat. Der Euro bringt ausländischen Investoren jedenfalls
Ostdeutschland nimmt Fahrt auf
„Rund um die dynamische Start-up und Kreativszene in Berlin entwickeln sich die neuen Bundesländer immer besser. Das liegt vor allem an der guten Infrastruktur und an günstigen Energiekosten wie z.B. Windenergie aus der Nordsee. Ein attraktiver Standort auch für den Finanzbereich, Fashion, IT, Life Science. Die besten Marktchancen gibt es bei allen Aspekten der Nachhaltigkeit (Erneuerbare Energien, Green Tech, Bio etc.) und der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.”

Es läuft besser als erwartet
„Die Wirtschaft im ,bel paese’ läuft besser als erwartet: Die Staatsverschuldung ist leicht zurückgegangen, das Geschäftsklima und Verbrauchervertrauen hat sich bessert, die Energiepreise sinken und die Börsenkurse ziehen wieder an. Italiens Unternehmen blicken positiv in die nächsten drei Jahre. Zugpferde sind auch Großereignisse, wie die Olympischen Winterspiele in Cortina und Mailand 2026 oder das Heilige Jahr in Rom 2025.”

Frankreich ist ein wichtiger Nahmarkt
Reindustrialisierung im Land vorantreiben. Hier sind Maschinen und Komponenten gefragt, das sind Marktchancen für österreichische Betriebe. Darüber hinaus hat Frankreich nicht nur die Atomenergie im Blick, es soll auch in Erneuerbare Energien investiert werden. So bieten sich auch beim Thema Thermische Sanierung Marktchancen. Frankreich muss als wichtiger Nahmarkt gesehen werden.