Nachhaltigkeit
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Es wird kein Stein auf dem anderen bleiben

Neue EU-Vorschriften zum Thema Verpackung bringen radikale Änderungen für die gesamte Wertschöpfungskette. Neben Verboten steht uns eine neue Art der Besteuerung bevor.

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Aktualisiert am 05.08.2023

Im November 2022 veröffentlichte die mEU-Kommission einen Entwurf zur Verordnung „Packaging and Packaging Waste Regulation” (PPWR). Freilich ist damit noch nichts in Stein gemeißelt und in dieser Phase des legislativen Prozesses noch mit Änderungen zu rechnen. Klar ist jedoch, dass massive Änderungen auf die gesamte Wertschöpfungskette zukommen. „Dieser Entwurf gibt im Wesentlichen bereits eine klare Linie vor, was sich die EU im Umgang mit Verpackungsabfall vorstellt”, schildert Johannes Bergmair (Geschäftsführer Packforce Austria - Verein zur Förderung der Österreichischen Verpackungswirtschaft) im Rahmen einer Informationsveranstaltung zum Thema. Denn die Zeit drängt, gerechnet wird mit einer Verabschiedung der neuen Vorschriften noch vor den EU-Wahlen 2024. Im Falle einer Verordnung treten die ersten Regelungen bereits im Jahr 2025 in Kraft. Nicht nur die Verpackungsbranche ist von den Neuerungen betroffen. Denn mit der PPWR kommen in jedem Fall auf die gesamte Wertschöpfungskette große Veränderungen zu.

Fokus des Entwurfs

Hintergrund ist der Green Deal der EU, der Kreislaufwirtschaft fördert und die Treibhausgas- Emissionen stoppen will. Im Falle des PPWR setzt die EU auf mehrere Bausteine hinsichtlich der Ökologisierung von Verpackungen aller Art, egal ob für Haushaltswaren, die Gastronomie oder im Transportbereich. „Es wird hier kein Stein auf dem anderen bleiben. Viele bezeichnen es sogar als Revolution”, ist Bergmair überzeugt. Doch was ist im Fokus dieses Entwurfs? Hauptthemen sind unter anderem die Recyclingfähigkeit von Verpackungen, deren Gewichtsreduktion, Mehrwegquoten, ein verpflichtender Rezyklatanteil (bei Kunststoffen) oder auch eine neue Art der Besteuerung, die sogenannte Ökomodulation.

Ökomodulation

Gerade letztere gilt als eines der Kernelemente der EU-Pläne. Übrigens steht deren Einführung schon länger im Raum: „Im EU-Entwurf ist ein Einführen der Ökomodulation im Jahr 2030 vorgesehen. Es ist jedoch geplant, dass diese Steuer in Österreich schon früher kommen wird”, beschreibt Anja Fredriksson, Expertin für Nachhaltigkeit und Recycling am Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI) die Dringlichkeit. Denn während sich die Höhe der Abgaben für Verpackungen bisher im Wesentlichen auf Menge und Materialart konzentriert, werden in Zukunft dabei weitere Faktoren einbezogen, um zu bestimmen, in welcher Höhe die Abgaben für Unternehmen ausfallen, die Produktverpackungen auf den Markt bringen. Zentrales Element ist hier die Recycelbarkeit der verwendeten Materialien, die nach mehreren Kategorien gegliedert werden. Im Entwurf sind vorerst fünf aufgelistet. Am besten schneidet Kategorie A ab, bei der 95 Prozent der Gesamtverpackung recycelbar ist. Am schlechtesten gestellt ist Packaging der Kategorie E mit weniger als 70 Prozent Recycelfähigkeit. Besteuert würden die Produkte dieser letzten Kategorie allerdings nur mehr bis zum Jahr 2030. Danach tritt deren Verbot in Kraft und diese dürften in der EU nicht mehr auf den Markt gebracht werden. „Das hätte große Auswirkungen. Denn damit fallen viele Verpackungslösungen weg”, ist Fredriksson überzeugt.

Geplante Restriktionen

Es ist eines von vielen Verboten, das uns nach den aktuellen Plänen blüht. Auch wenn das eine oder andere wohl nicht so heiß gegessen wie gekocht wird, kann man sich auf eine schärfere Gangart einstellen. Denn ein weiteres Beispiel sind Obst- und Gemüseverpackungen unter 1,5 Kilo Fassungsvermögen, die ab 2025 ebenfalls der Geschichte angehören sollen. „Damit könnten diese praktisch nur mehr offen angeboten werden”, beschreibt Fredriksson die Folgen. Mit wesentlichen Einschränkungen zu rechnen haben auch die Gastronomie und Hotellerie. Neben Einweg-Produkten im To-Go-Bereich wie Pappbecher oder Burger-Schalen sollen Kleinstverpackungen - darunter Mini-Duschgelund Haarshampoo-Fläschchen oder auch Ketchup- Portionsbeutel - demnächst nicht mehr auf den Markt gebracht werden dürfen.

Weniger Verpackungsgewicht

Weiterer Hebel ist der Umfang der Verpackung als solches. „In der PPWR ganz stark im Zentrum stehen wird auch das Verpackungsgewicht”, bestätigt Manfred Tacker, Universitätsprofessor für Verpackungstechnik und CEO des Beratungsunternehmens Circular Analytics. „Es wird festzustellen sein, was das maximal mögliche Gewicht ist, das eine Verpackung haben darf”, beschreibt Tacker den bevorstehenden Paradigmenwechsel. Denn es ist vorgesehen, dass das Verpackungsgewicht nur so viel betragen darf, wie unbedingt erforderlich ist, damit die eigentlichen Funktionen der Verpackung - nämlich der Schutz des Inhalts etwa vor Schäden oder Verunreinigung - erhalten bleiben. „Von Marketingstrategien steht hier nichts drinnen”, fasst Tacker zusammen: „Die Verpackungsstrategien der Unternehmen müssen aufgrund dieser PPWR völlig neu überarbeitet werden. Es ist für jedes Unternehmen aktuell wichtig zu wissen, was für ein Verpackungsportfolio es im Moment hat und wie es abschneidet”, rät der Experte.

Wie kann das überhaupt gelingen?

Zum einen ist hier vernetztes Wissen gefragt, und zwar seitens der Verpackungshersteller als auch derer, die die verpackte Ware schließlich auf den Markt bringen. Es gilt, bereits bei der Gestaltung des Packagings darauf zu achten, dass es den Anforderungen entspricht. Dieses „Design for Recycling”, wie es in der Fachsprache genannt wird, wurde in den letzten Jahren viel beforscht und in Richtlinien zusammengefasst. Beratung wie auch Hilfestellung bieten zudem Institute wie das OFI oder Circular Analytics. „Es sind ja keine kleinen Schritte, wenn Verpackungen umgestellt werden”, gibt Fredriksson zu bedenken. Sehr oft geht dies mit hohen Investitionen einher, etwa hinsichtlich der Verpackungsmaschinen.