Der Handel im digitalen Wandel
Von Geschäften mit Selbstbedienungskassen bis hin zu mitarbeiterlosen smarten Stores ist heute bereits alles möglich. Ein Streifzug durch die Welt der Digialisierung im Einzelhandel.

Vor etwa 40 Jahren wurden in den USA die ersten Kassen zur Selbstbedienung (SB) implementiert. Eine Erfindung, die auf den Amerikaner David R. Humble zurückgeht - angeblich, weil er selbst im Supermarkt in einer Schlange warten musste. Mittlerweile hat sich die Technologie stark weiterentwickelt und gerade in den letzten Jahren aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung enorme Sprünge gemacht. Ihre Vorteile liegen auf der Hand, wie etwa mehr Verkaufsstellen im Geschäft oder die Möglichkeit zum mitarbeiterlosen Kassieren. Den Fachkräftemangel im Handel damit zu beheben, wird jedoch nicht gelingen. „Wir haben dadurch keine Personaleinsparungen und haben das vor allem installiert, um unseren Kunden entgegenzukommen”, schildert Nicole Berkmann, Pressesprecherin Spar Österreich. Denn den Konsumenten vermitteln diese Lösungen das Gefühl, dass der eigenständige Kassierprozess schneller geht und es zu einer Zeitersparnis kommt. Manche Kunden wollen zudem menschlichen Kontakt vermeiden, weshalb sie SB-Kassen bevorzugen. Der Handelskonzern betreibt solche SB-Kassen österreichweit an 50 ausgewählten Filialen, viele davon auch in Wien wie am Campus der Wirtschaftsuniversität im 2. Bezirk (Foto oben). Rund 25-50 Prozent der Kunden nutzen diese Möglichkeit, unabhängig von Alter und Geschlecht. Ausschlaggebend für die Implementierung von SB-Kassen ist der jeweilige Standort. „Es macht nur dort Sinn, wo die Kundenfrequenz hoch ist und die Einkäufe klein”, so Berkmann.
Künstliche Intelligenz
Doch springen wir ein paar Schritte weiter in den technischen und digitalen Potenzialen. Welche Möglichkeiten es im stationären Handel mittlerweile gibt, die weit über Selbstbedienungskassen hinausgehen, hat Amazon bewiesen. Der Online-Handelsriese eröffnete 2018 seinen ersten von mittlerweile 40 Shops, die sowohl ohne Personal als auch ohne Kassierprozess auskommen. Zurückgegriffen wird hier auf eine ganze Reihe an mit künstlicher Intelligenz (KI) ausgestatteten Technologien. So wird genau registriert, ob ein Produkt vom Regal im Einkaufswagen landet oder wieder zurückgestellt wird. Beim Verlassen des Shops wird vollautomatisch der Preis aller Waren verbucht und über das Amazon-Konto verrechnet. Die Rechnung kommt anschließend per E-Mail.
Smarter Boxen-Stopp
Diese sogenannte „Just walk out”-Technologie ist nach wie vor am anderen Ende der technologischen Fahnenstange und in Österreich nicht zu finden. Smarte personalfreie Handelsgeschäfte sind jedoch hierzulande bereits angekommen. Beispiel ist der Ladenausstatter Umdasch, der am Firmenstandort im steirischen Leibnitz für die Mitarbeiter eine solche Selbstbedienungs- Box in Kooperation mit einer kleinen regionalen Bäckerei eröffnet. Ein Angebot, das von diesen sehr gut angenommen wird und gleichzeitig als Showroom dient: „Selbstbedienungsboxen sind ein großer Trend, mit dem wir uns intensiv beschäftigen. Die All-In-Box dient uns als Prototyp, um neue Technologien zu testen und gleichzeitig als Showcase, um Kunden unser Produktportfolio in realer Umgebung zu demonstrieren”, erzählt Gerold Knapitsch, Managing Director Umdasch Food Retail. Interessierte Betriebe können sich für einen Besichtigungstermin einfach an Umdasch wenden.
Gesellschaftliche Megatrends
„Für den stationären Handel spielt das Einkaufen in automatisierten Läden aus unserer Sicht eine entscheidende Rolle”, bestätigt Bernhard Salmutter, Geschäftsführer Wanzl Österreich. Der deutsche Familienbetrieb ist spezialisiert auf Ladenausstattungen und international tätig. Einer seiner Standorte liegt in Vösendorf (Niederösterreich). „Es entspricht gleich mehreren Anforderungen, die sich durch gesellschaftliche Megatrends wie beispielsweise Digitalisierung und Individualisierung ergeben. Man lernt seine Kunden und deren Bedürfnisse besser kennen. So kann man individuelle Einkaufswünsche identifizieren und erfüllen - ob das jetzt das schnelle Einkaufen, das ausgiebige Erlebnisshoppen oder die Warenverfügbarkeit rund um die Uhr ist.” Gerade in letzterem Fall werden sogenannte 24/7-Shops eine Rolle spielen.
Hürden
Doch wo liegen die Grenzen dieser smarten Stores? „Grundsätzlich eignen sich Self-Checkout-Lösungen für alle Handelssparten. Grenzen gibt es keine, nur Hürden, für die man Lösungen finden kann”, ist Bernhard Sallmutter überzeugt. Eine solche Herausforderung stellen zum Beispiel Waren dar, die aufgrund potenzieller Risiken, individueller Anforderungen oder gesetzlicher Vorschriften einen besonderen Beratungs- oder Kontrollbedarf haben. Beispiele sind Motorsägen für den gewerblichen Gebrauch, maßgeschneiderte Kleidung, Chemikalien oder alkoholische Getränke. Hier kann tatsächlich schwer bis gar nicht auf Fachpersonal verzichtet werden. Eine weitere Möglichkeit ist eine vorgelagerte Kontrollfunktion. Vorstellbar wäre etwa ein abgetrennter Bereich, der nur mit einer Authentifizierung hinsichtlich Alter oder Befähigung betreten werden kann. Bestens bekannt ist das zum Beispiel bei Zigarettenautomaten, wo zur Ermittlung des Alters die Bankomatkarte herangezogen wird.