Datenfriedhof oder Öl der Zukunft
Wo die Möglichkeiten und Grenzen von Big Data liegen und wie auch kleine und mittlere Unternehmen aus dem sogenannten „Datenschatz“ schöpfen können.

Jeder Klick, jeder Einkauf, jedes Foto, jeder Anruf, jede Suche - kurz: jeder Mensch und jede Maschine hinterlässt Unmengen an Datenspuren, die gesammelt und gespeichert werden können. Doch: Wie können diese Datenmengen verarbeitet werden? Und: Welchen Nutzen hat das Sammeln solcher Datenberge überhaupt? „Die Suche nach brauchbaren Daten und Datenmustern lässt sich oft mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen bezeichnen, nur dass man nicht einmal weiß, wie die Nadel aussieht”, schildert Gerd Hesina, Geschäftsführer des Zentrums für Virtual Reality und Visualisierung Forschungs-GmbH (VRVis). Das Wiener Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Big Data mithilfe von Visual Computing-Technologien aufzubereiten und zu entschlüsseln. „Wir arbeiten mit Kunden aus allen Branchen zusammen - vom Energieversorgungsunternehmen bis zum kleinen Produktionsbetrieb - und versuchen relevante Daten herauszufiltern und zu visualisieren, um Entscheidungsgrundlagen zu schaffen”, erklärt Hesina. Denn: „Heutzutage wird alles gesammelt - auf Teufel komm raus - werden riesige Datenmengen angesammelt, die irgendwann so groß sind, dass man sie nicht mehr auswerten oder gebrauchen kann”, sagt der Experte. Hier kommt VRVis ins Spiel.
"Datenmuster zu erkennen, ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen"
Mit Big Data in die Zukunft schauen
„Wir kombinieren beispielsweise verschiedene Messdaten aus dem Energienetz mit Wetterdaten und Wettervorhersagen. Darauf basierend können wir vorhersagen, wie viel Windenergie produziert werden wird”, erklärt Hesina das Prinzip von „Predictive Modelling”. Nach diesem Prinzip kann man auch andere Szenarien vorhersagen, so etwa auch Umweltkatastrophen - wie zum Beispiel Überschwemmungen - so Hesina. „Mit diesem Wissen ist es möglich, schon vorbeugend Maßnahmen zu setzen, damit es erst gar nicht zur Katastrophe kommt, z.B. die Verbauung von Flüssen”, erklärt er. Als Frühwarnsystem fungiert Big Data auch im produzierenden Bereich: „Mithilfe von Big Data können bei Maschinen frühzeitig Unregelmäßigkeiten herausgefiltert werden. Das System kann mir dann zum Beispiel mitteilen, dass ein bestimmtes Teil einer Maschine bald kaputt wird”, so der Experte.
"Wir arbeiten ausschließlich mit anonymisierten Daten"
Datenschutz ist essentiell
Um und auf bei der Analyse und Visualisierung verschiedenster Daten ist das Thema Datenschutz. „Wir arbeiten grundsätzlich ausschließlich mit anonymisierten Daten”, erklärt Hesina und weißt insbesondere auf personenbezogene Daten hin: „Schon bevor wir mit den Daten in Berührung kommen, müssen diese dementsprechend aufbereitet und anonymisiert werden.” Großgeschrieben wird Datenschutz auch beim A1-Schwesterunternehmen Invenium Data Analytics, das sich auf Bewegungsstromanalysen spezialisiert hat. „Wir analysieren Bewegungsströme anhand von Handydaten”, erklärt Geschäftsführer Mario Mayerthaler. „Essentiell dabei ist, dass wir ausschließlich mit aggregierten und anonymisierten Daten arbeiten”, betont Mayerthaler. Konkret nutzt man die Daten von 3,2 Millionen Geräten, so der Experte. „Wir sehen uns genauer an, wo und wie sich die Menschen in Österreich bewegen - natürlich ohne Personenzuordnung.” Möglich ist das durch Mobilfunkzellen, mit denen sich jedes einzelne Mobiltelefon ständig verbindet.
Stadtplanung der Zukunft
Genutzt werden können die gewonnenen Daten für die Planung im Stadt- und Verkehrsbereich, im Tourismus, aber auch in der Werbung. „Was früher analog gezählt wurde, ist so digital möglich”, erklärt er. „So können Tourismusregionen und Sehenswürdigkeiten genauer beobachtet und optimiert werden, Einkaufszentren können in Erfahrung bringen, woher ihre Kunden kommen, dementsprechend können auch Werbeanzeigen effektiver eingesetzt werden”, führt Mayerthaler weiter aus. Nützlich war und ist die Bewegungsstromanalyse auch in Zeiten von Covid- 19, weiß der Experte. „Wir konnten durch unsere Analysen genau beobachten, ob und wie sich Lockdowns auf die Bewegungsfrequenz der Menschen auswirken.”
Entscheidungen muss letztendlich der Mensch treffen
Dass Big Data Potenzial hat, das sogenannte „Öl der Zukunft” zu werden, bestätigen beide Experten. Wichtig sei jedoch, „dass trotz aller Analysen und Berechnungen von Big Data, etwa durch KI, die Entscheidungen letzten Endes noch immer vom Menschen und nicht der Maschine getroffen werden”, betont Hesina und nennt als Beispiel Diagnosen in der Medizin. Und: „Viele Unternehmen sitzen tatsächlich auf einem Datenschatz, wissen aber nicht, wie sie diesen verwenden können. Daten sind eben nur dann etwas wert, wenn man etwas damit macht, ansonsten sitzt man lediglich auf einem Datenfriedhof.”