Bahnbrechende Innovationen aus Wien
Robotik, Künstliche Intelligenz und neue bildgebende Diagnoseverfahren zählen zu den Siegerprodukten des Mercur Innovationspreises 2023. Wir haben uns angesehen, wie es mit diesen jungen Projekten weitergeht.

Ich habe beobachtet, wie Straßen gepflastert werden, und mir gedacht: Das kann ja nicht sein, dass die im 21. Jahrhundert noch genauso verlegt werden wie vor ein paar tausend Jahren”, beschreibt Herwig Hengl (Baubot GmbH) den zündenden Moment für seine Idee, die dieses Jahr mit dem Mercur Award ausgezeichnet wurde. Ein Innovationspreis, der alljährlich an Wiener Betriebe in vier Kategorien (Gesundheit, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Kreativität) von der Wirtschaftskammer Wien verliehen wird.
„Der Mercur zeigt das Innovationspotenzial der Wiener Betriebe - vor allem der mittelständischen Unternehmen.“
Aus Hengls Idee entstanden schließlich die „Baubots” - mit kräftigen Armen ausgestattete Roboter für den Baustellenbereich. „Es gibt Tätigkeiten am Bau, die sich häufig wiederholen und ergonomisch sehr ungünstig sind. Dazu zählen das Heben schwerer Lasten, das Verlegen von Fliesen und Steinen am Boden oder das Bohren über Kopf. Diese Arbeiten versuchen wir zu automatisieren”, sagt Hengl: „Es fühlt sich auch niemand angegriffen von der Idee. Im Gegenteil, alle sind froh, wenn diese harte Arbeit niemand mehr machen muss.” Damit die „Baubots” reibungslos funktionieren, werden deren Arbeitsschritte vorab am Computer programmiert. Auf der Baustelle wird das Programm dann nur mehr abgespult. Sensoren ermöglichen den Robotern auszuweichen, wenn sich unvorhergesehene Hindernisse vor ihnen auftun. Nicht nur der Sicherheit und Gesundheit der Arbeiter wird mit dieser Idee in Zukunft genüge getan, sie ist auch Maßnahme gegen den Fachkräftemangel: „Damit wird die Baubranche als Arbeitgeber attraktiver. Außerdem wird sie einer breiteren Bevölkerung zugänglich und für jene interessant, die nicht für schwere körperliche Arbeit geeignet sind”, so Hengl. Bis jetzt waren die „Baubots” im Forschungsbetrieb und in Pilotprojekten im Einsatz. „Wir sind gerade dabei, in die Serienproduktion einzusteigen. Bis Ende des Jahres werden wir die ersten vier Systeme ausliefern, die im Dauerbetrieb sein werden.“ Danach folgt die Ausrollung in Europa und anschließend im Rest der Welt.
Tomographischer Ultraschall
Eine der weiteren beeindruckenden Neuheiten ist die tomographische Ultraschall-Lösung namens „Infinity” der piur imaging GmbH. Angeschlossen an herkömmliche Ultraschallgeräte, wird während der Untersuchung im Hintergrund ein 3D-Bild des betreffenden Organs aufgenommen. Eine auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Software vermisst dessen Größe automatisch und gibt darüber hinaus Hilfestellungen bei der Diagnose, etwa bei Gewebeveränderungen. Denn Analysen von Ultraschallbildern sind stark nutzerabhängig und können je nach Anwender massiv abweichen. Diese neue Technologie ermöglicht es auch weniger erfahrenen Ärzten, Diagnosen zu erstellen, und zwar in kürzerer Zeit. Aktuell ist „Infinity” auf Untersuchungen der Schilddrüse und der Gefäße ausgerichtet. „Wir sind gerade dabei, die Software zu erweitern. Damit wird unser tomographischer Ultraschall bald auch für die Anwendung bei anderen Organen geeignet sein”, schildert CEO Frederik Bender. Damit steht in Zukunft ein bildgebendes Verfahren zur Verfügung, das kostengünstig ohne größeren Aufwand eingesetzt werden kann. Schädliche Nebenwirkungen für die zu Untersuchenden sind ebenfalls ausgeschlossen. Doch wie geht es unternehmerisch weiter? „Im Moment wollen wir in die Wachstumsphase überleiten und führen Gespräche mit möglichen Kooperationspartnern. Wir sind gerade dabei, den europäischen Markt zu durchdringen. Danach möchten wir global ausrollen”, beschreibt Bender die Pläne des Unternehmens.
Standortunabhängige Fischzucht
Ebenso die menschliche Gesundheit im Blick hat das Gewinnerprojekt der Kategorie Nachhaltigkeit. „Lara” (kurz für Landbased Automated Recirculating Aquaculture) von Blue Planet Ecosystems GmbH ist ein modulares Aquakultursystem für ökologische Fischproduktion. Es besteht aus drei Containern, in denen separat Fische, Plankton und Algen herangezogen werden. Letztere bereiten das Wasser in einem geschlossenen Kreislauf auf natürliche Weise wieder auf. Die dafür benötigte Energie kann zu einem großen Teil über Solarkraft direkt am Dach der Container erzeugt werden. „Wir wollen die Eigenversorgung mit Fischen in Österreich wenigstens ein bisschen erhöhen”, erzählt Mitgründer Paul Schmitzberger. Ein beliebtes Nahrungsmittel, von dem hierzulande mengenmäßig weit mehr verspeist als gezüchtet wird. Durch „Lara” wird es möglich, Standorte für die Fischproduktion zu nutzen, die ansonsten für die landwirtschaftliche Nutzung nicht geeignet sind. Im nächsten Schritt will das noch junge Unternehmen in die Serienproduktion starten. „Wir sind aktuell in der Lage, ein System in wenigen Wochen zu produzieren. Jetzt wollen wir eins pro Tag herstellen”, so Schmitzberger. Anfragen gibt es bereits mehr als genug. Nicht nur aus Österreich, sondern aus aller Welt, wie etwa von Wüstenstaaten.
Professionelle Popup-Bühne
Vielfach im Einsatz ist bereits die „VeloStage” der VeloConcerts GmbH. Eine faltbare Profibühne, die mit dem E-Lastenrad transportiert und von diesem direkt ausgeklappt wird. Aufgebaut werden kann sie von einer einzelnen Person in zehn Minuten. Gedacht ist dieses nachhaltige Konzept sowohl für den Indoor- als auch Outdoor-Bereich. Kunst und Kultur kann damit überall einfach hingebracht werden. Gründer Jonas Skielboe, selbst Musiker, will durch sein Produkt Kultur leichter verfügbar machen und auch zur Ökologie der Musikwelt beitragen: „Wir wollen auf internationaler Ebene etwas in Richtung Nachhaltigkeit bewegen, auch in Kunst und Kultur.” Aktuell wird die „VeloStage” auf Anfrage hergestellt. Ziel sind in Zukunft 100 Stück pro Jahr.
Bahnbrechende Innovationen
Als „bahnbrechend” bezeichnete Alexander Biach, Direktor-Stellvertreter der WK Wien, diese Innovationen im Rahmen der Preisverleihung: „Der Mercur zeigt das Innovationspotenzial der Wiener Betriebe - vor allem der mittelständischen Unternehmen. Um in neue Ideen und deren Umsetzung zu investieren, braucht es Mut. Denn das unternehmerische Risiko lastet natürlich auf den Schultern des Unternehmens.” Schließlich ist die Innovationskraft der Unternehmen zentral für die wirtschaftliche Zukunft eines Standortes, weshalb die Wirtschaftskammern mit wichtigen Forderungen an die Politik herantreten. Spannend bleibt es weiterhin für die Siegerprojekte. Denn diese sind nun für den Staatspreis Innovation nominiert, der im Herbst stattfindet.