Ausblick auf 2023: Ein schwieriges Jahr
Hohe Energiekosten und Inflation dürften das Wachstum im kommenden Jahr weiter bremsen. Für 2024 erwarten die Wirtschaftsforscher aber wieder ein Anziehen der Konjunktur.

Herausfordernde Monate liegen hinter der heimischen Wirtschaft. Als Folge von Ukraine-Krieg, Energiepreis-Explosion, steigender Inflation und allgemeiner geopolitischen Unsicherheit geriet auch Österreich im zweiten Halbjahr in den Sog des weltweiten Wirtschaftsabschwungs. Für das vierte Quartal des laufenden Jahres prognostiziert Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, unterm Strich einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahres-Vergleichsquartal. Doch das Tal sei damit noch nicht überwunden, sagte Felbermayr bei der gemeinsamen Vorschau von Wifo und IHS (Institut für Höhere Studien) auf die Jahre 2023 und 2024 vergangene Woche. Auch in den ersten Monaten des neuen Jahres wird die Wirtschaft noch schrumpfen, ehe sie langsam wieder auf einen Wachstumspfad einschwenkt. Unterm Strich prognostizieren beide Wirtschaftsforschungsinstitute unserem Land für 2023 eine Stagflation - also so gut wie kein Wirtschaftswachstum bei weiterhin hoher Inflation. Auch die Prognosen für sämtliche weiteren Wirtschaftskennzahlen - ob Exporte, Anlageinvestitionen oder privater Konsum - lassen ein schwieriges nächstes Jahr erwarten. Erfreulicher Lichtblick: Die Arbeitslosigkeit bleibt niedrig. Und für 2024 werden in allen Bereichen wieder bessere Kennzahlen vorhergesagt.

„Kommen mit einem blauen Auge durch die Energiekrise.”
Entwicklung der Weltwirtschaft äußerst unsicher
Mit der leichten Rezession, die bis ins erste Quartal 2023 dauern soll, ist unser Land aber nicht allein, wie Helmut Hofer, Sprecher für den IHS-Bereich Prognose, betonte: „Wir sehen für das Winterhalbjahr weltweit Stillstand.” Hohe Energie- und Rohstoffpreise treiben die Inflation nach oben, in der Folge steigen die Zinsen, während die Stimmung sinkt. Erst im Verlauf von 2023 könnte die Weltwirtschaft wieder anziehen - dies jedoch begleitet von hoher Unsicherheit, so wie sämtliche Prognosen derzeit. Als Unsicherheitsfaktor Nummer eins identifizierte IHS-Direktor Klaus Neusser die Entwicklung der Energiepreise. Diese seien derzeit deutlich niedriger als noch im Herbst angenommen. „Bleiben die Preise stabil oder sinken weiter, so wird das ab dem Frühjahr die Inflation dämpfen und die Konjunktur stabilisieren, auch bei unseren Handelspartnern”, so Neusser. Allerdings: Ein vollständiger Ausfall der russischen Gaslieferungen würde die Situation sofort dramatisch verändern und damit auch die Erholung der Weltkonjunktur nach hinten verschieben. Als zweiten Unsicherheitsfaktor sieht das IHS die chinesische Volkswirtschaft, wo die strenge Corona-Politik nun gelockert wurde. Hält das an, so könnte die Weltwirtschaft dadurch einen positiven Schub erhalten. Kommt es allerdings zu neuerlichen Corona-Ausbrüchen und in der Folge zu Lockdowns, ist das Gegenteil der Fall. Insgesamt, so Neusser, würden derzeit beim Blick auf die Weltwirtschaft die Abwärtsrisiken leicht überwiegen. Die aktuelle Schwäche der Weltwirtschaft ist laut Felbermayr vor allem eine der Industrie, die andere Branchen wie den Verkehr und die unternehmensnahen Dienstleistungen mitziehe. Österreichs Unternehmen hätten aber schon oft ihre Krisenresilienz bewiesen, die Wirtschaft gehe „mit breiter Brust” in die Stagnationsphase. Österreich werde heuer ein höheres Wirtschaftswachstum als Deutschland und der Euroraum erzielen, auch im schwierigen kommenden Jahr sieht der Wifo-Chef ein minimales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Setzt sich die Entspannung des Energiemarkts weiter fort, so werde Österreich „mit einem blauen Auge” durch die Energiepreiskrise kommen, meint Felbermayr.

„Sehen weltweiten Stillstand im Winterhalbjahr.”
Zeit für breite Stabilisierung ist vorbei
Dass die Staatsschuldenquote bis 2024 von aktuell 82 Prozent auf 74 Prozent sinken wird, führen die Wirtschaftsforscher auf die Entwertung der Altschulden durch die hohe Inflation zurück. Bei neuen Schulden sei aber Zurückhaltung angesagt, weil jetzt die Zinsen steigen. Deshalb fordern die Wirtschaftsforscher nun eine restriktivere Budgetpolitik. Die Zeit für breit ausgerollte Stabilisierungsmaßnahmen sei jetzt vorbei, etwaige Nachbesserungen müssen nun zielgerichtet und treffsicher erfolgen. So müsse Österreich - wenn Deutschland dauerhafte Maßnahmen für Betriebe zur Senkung der Strom- und Gaskosten setzt - nachziehen, um Wettbewerbsgleichheit herzustellen, sind sich Felbermayr und Neusser einig. In dieselbe Kerbe schlägt auch Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien. „Wie Österreich die hohen Energiepreise für die Betriebe abfedert, wirkt direkt auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Ein umfassendes Entlastungspaket mit einer praxistauglichen Energiepreiskompensation für alle Unternehmen wäre jetzt wichtig, um den Betrieben den Rücken zu stärken”, so Ruck, der darüber hinaus auch die Entkopplung von Strom- und Gaspreis und den raschen Ausbau von erneuerbaren Energien fordert.
Es braucht rasch mehr wirksame Maßnahmen für das Klima
In Sachen Klimaschutz ist auch laut Wifo-Chef Felbermayr noch viel zu tun. „Wir müssen sehr schnell sehr viel mehr tun, um das Ziel, 2040 klimaneutral zu sein, zu erreichen.” Ansonsten werde Österreich bis zum Jahr 2024 um 15 Prozent über dem Emissions-Abbaupfad liegen. Aus seiner Sicht gibt es durchaus fiskalpolitische Spielräume, um verstärkt in Klimapolitik und andere Zukunftsthemen - etwa Bildung – zu investieren. „Hier muss der Staat auch die Betriebe zum Investieren animieren”, ergänzte IHS-Experte Hofer. Die hohen Energiekosten seien dafür sogar hilfreich: „Sie schieben grüne Investitionen an, einfach weil es sich rechnet”, so Felbermayr.