Marktsondierung im Spannungsfeld
Serbien hat eine westliche Wirtschaft etabliert, ohne sich von Russland abzuwenden. Eine steirische Delegation lotet aktuell die Marktchancen vor Ort aus.

Gut ausgebildete IT-Fachkräfte, ein florierender Eisen- und Stahlmarkt sowie Weizen, Obst und Gemüse als Exportschlager: Seit den Jugoslawienkriegen, die das Land nahezu zum Erliegen brachten, hat Serbien einen bemerkenswerten Weg zu einer modernen, westlich orientierten Wirtschaft hingelegt. Selbst die Pandemie meisterte der Westbalkanstaat solide: Mit einem Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent hat das Land bereits im abgelaufenen Jahr das Vorkrisenniveau übertroffen. Das liegt auch an den nach wie vor engen Banden mit Russland: Trotz des Angriffskriegs hat das Land, das offiziell der EU beitreten will, enge wirtschaftliche Verflechtungen mit dem Kreml. Inmitten dieses Spannungsfeldes lotet aktuell eine 60-köpfige steirische Delegation des Internationalisierungscenters Steiermark (ICS) rund um den designierten Landeshauptmann Christopher Drexler, Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl und WKO-Steiermark-Vizepräsident Herbert Ritter die Marktchancen vor Ort aus.
„Die Steiermark hat in vielen Bereichen langjährige Beziehungen zu den Ländern des Westbalkans. Gerade in der Wirtschaft sehen wir aber noch großes Potenzial, Kooperationen weiter auszubauen. Die Reise nach Belgrad und Novi Sad wollen wir dazu nutzen, bestehende Kontakte zu intensivieren und neue zu knüpfen“, erklärt Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl. Konkret wollen etwa Vertreter der steirischen Betriebe Wenzel Logistics, des Cargo Center Graz, Codesdelivery, Solid oder InfraConceptA von der Maßnahme profitieren.
Grüne Technologien im steirischen Fokus
Laut ICS-Geschäftsführer Robert Brugger verfüge Serbien „über die dynamischste Wirtschaft am Westbalkan und zieht zurzeit sehr viele ausländische Investitionen an.“ Tatsächlich gilt Serbien als Wirtschaftsmotor des Balkans: Insbesondere von der EU geförderte Großprojekte wie der Bau des Wasserkraftwerks Djerdap (Investitionssumme: 1,5 Milliarden Euro), die Modernisierung der Eisenbahnstrecke von Belgrad zur Grenze Nordmazedoniens (1,2 Milliarden Euro) oder der Bau des Windparks Maestrale (bis zu 900 Millionen Euro) sorgen für nachhaltige Impulse im Land. Am serbischen Trend hin zu erneuerbaren Energien will auch die steirische Wirtschaft partizipieren:
„Im Bereich ,Green Technologies‘ zählen unsere Unternehmen weltweit zu den innovativsten. Wir sind überzeugt, dass wir insbesondere in diesem Stärkefeld hier großes Interesse erzeugen können“
Als Hintergrund: Serbien ist zurzeit noch zu fast 100 Prozent von russischem Erdgas abhängig, die meisten serbischen Energieanbieter sind in russischem Eigentum. Allerdings: Erst vor kurzem wurde bekannt, dass der Balkanstaat, nachdem der aktuelle Gasvertrag ausgelaufen ist, weiterhin einen gewaltigen Rabatt aus Russland erhält. Ist Serbien also am Scheideweg zwischen EU und Russland? „Serbien versucht, sich möglichst viele Optionen offen zu lassen. Nicht nur was Russland betrifft, sondern auch was China angeht. Dennoch muss man festhalten, dass die Geschäftsbeziehungen zur EU um ein Vielfaches höher sind“, sagt Brugger. Der Balkanstaat stehe darüber hinaus schon lange „in Europas Vorzimmer“ und warte darauf „endlich hinein gelassen zu werden“, erklärt der ICS-Geschäftsführer. Mit der autonomen Provinz Wojwodina, im nördlichen Landesteil, geht die Steiermark jedenfalls künftig stärkere Beziehungen ein: Ein Partnerschaftsvertrag soll für einen regeren Austausch zwischen den beiden Regionen sorgen.

