Euromünze fällt ins Wasser
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"Jede Corona-Woche kostet uns zwei Milliarden Euro"

Von steigender Arbeitslosigkeit bis zu drohenden Pleitewellen: Welche Kollateralschäden die Corona-Krise für die Wirtschaft haben könnte, erklärt Martin Kocher, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), im Interview. 

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Aktualisiert am 13.03.2023

Herr Professor, die Prognosen für die Wirtschaftsentwicklung in Österreich werden laufend nach unten revidiert. Viele Ökonomen sprechen schon von der größten Rezession seit 1929. Wie schätzen Sie die Dimension der Krise und den weiteren Verlauf ein?

Martin Kocher: Wir sind sehr vorsichtig mit Prognosen, weil die weitere Entwicklung ganz wesentlich davon abhängt, wann ein Impfstoff oder ein Medikament gegen das Corona-Virus gefunden wird. Und das kann man aus heutiger Sicht nicht zuverlässig sagen. Wir erstellen daher statt Prognosen jetzt Szenarienrechnungen. Im optimistischen Fall ist von einem Minuswachstum von vier Prozent auszugehen, die pessimistische Einschätzung hingegen liegt im hohen einstelligen Bereich. Eine große Rolle wird neben der medizinischen Frage auch spielen, wann die Maßnahmen zurückgenommen werden.

Zur Bekämpfung der Krise wurden in den vergangenen Wochen milliardenschwere Hilfspakete geschnürt. Wer soll die Kosten dafür tragen?

Kocher: Die Corona-Krise verursacht enorme Kosten, in Österreich sind es pro Woche rund zwei Milliarden Euro. Das sind enorme Summen, aber kurzfristige Steuererhöhungen wären kontraproduktiv, weil sie die Konjunktur abwürgen würden. Aktuell müssen wir wohl höhere Schuldenstände in Kauf nehmen und eine Stabilisierung abwarten. Im Moment ist es vorrangig, den Fokus auf die Krisenbewältigung zu legen, Betroffene zu entschädigen, Verluste wo möglich auszugleichen. Auch klassische Konjunkturprogramme machen jetzt keinen Sinn, weil Menschen in unsicheren Zeiten sparen und auch Unternehmen mit Investitionen zuwarten.

Die Folgen für die Wirtschaft sind dramatisch. Eine Pleitewelle wird befürchtet, Schätzungen zufolge könnte jeder vierte Betrieb vor der Insolvenz stehen. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Kocher: Je länger diese Krise dauert, desto stärker wird die Welle an Konkursen ausfallen. Wir rechnen mit einer deutlichen Zunahme ab dem Sommer. Es ist zu befürchten, dass es insbesondere in der Gastronomie und Hotellerie zu signifikanten Steigerungen bei Insolvenzfällen kommen wird. Der Dienstleistungsbereich ist ja besonders von den Maßnahmen betroffen, und zusätzlich ist die Eigenkapitaldeckung in der Tourismus-Branche häufig gering.

Die Steiermark ist ja nicht nur Tourismus-Land, sondern auch stark industriell geprägt und mit der starken Exportorientierung abhängig von globalen Entwicklungen. Wie sehen Sie die Entwicklung in diesem Bereich?

Kocher: Auch wenn es derzeit eine niedrigere Nachfrage gibt, sehen wir im Industriebereich eine schnellere Erholung. Wir gehen davon aus, dass sich die Situation in der Industrie in den nächsten Wochen und Monaten weitgehend normalisieren wird. Die Betriebe sind auch mit einer besseren Kapitallage ausgestattet als andere Branchen. Ein großes Fragezeichen bleibt aber, wie man ausländische Mitarbeiter in Zeiten von Grenzschließungen wieder an ihren Arbeitsplatz bringen kann – das ist wiederum ein Problem, das auch den Tourismus mit den Saisonarbeitskräften sehr stark betrifft.

Die Arbeitslosigkeit ist seit Ausbruch der Corona-Krise explodiert, dazu sind 130.000 Menschen allein in der Steiermark in Kurzarbeit. Wie ist die Resonanz auf das neue Kurzarbeitsmodell?

Kocher: Das neue Modell hat sich bewährt, es ist für Unternehmen attraktiv. Wir hätten aber mit einer noch größeren Nachfrage gerechnet. Während Industriebetriebe dieses Angebot stark genutzt haben, sind Dienstleistungsbetriebe mit diesem Instrument nicht so vertraut: Viele haben ihre Mitarbeiter in dieser Phase gekündigt und eine Wiedereinstellungszusage ausgesprochen – so, wie sie das auch schon bisher gehandhabt haben.

Wie wird sich die Corona-Krise auch auf das Preisniveau in Österreich auswirken?

Kocher: Die niedrige Nachfrage und der Einbruch des Erdölpreises werden dazu führen, dass der VPI (Verbraucherpreisindex) zurückgeht. Die Preissteigerungen werden dann in der Folge gering sein. Wenn die Nachfrage dann wieder steigt, könnte die Inflation dann in zwei, drei Jahren wieder anziehen.

Viele fürchten um ihr Sparguthaben und flüchten in Gold. Halten Sie das für sinnvoll?

Kocher: Gold ist im Wert viel variabler als Bargeld, weil es eine große Schwankungsbreite hat. Darüber hinaus nur in eine Form zu veranlagen, wird nicht sinnvoll sein. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Wert des Bargelds in absehbarer Zeit gesichert ist.

Wann ist aus Ihrer Sicht mit einer ersten wirtschaftlichen Entspannung zu rechnen?

Kocher: Das lässt sich seriös nicht sagen, weil wie gesagt alles in der Luft hängt. Die weitere Entwicklung steht und fällt mit der Entwicklung eines Impfstoffs bzw. passenden Medikamenten. Erst dann lassen sich zuverlässige Prognosen erstellen.


Martin Kocher
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Martin Kocher ist österreichischer Ökonom und Hochschullehrer. Er ist Professor für VWL an der Universität Wien und leitet seit September 2016 das Institut für Höhere Studien (IHS). Weiters ist er Träger zahlreicher Auszeichnungen.