"Wir sind mitten in einem Energie-Krieg"
Strom und Wärme aus Kohle: Verbund-CEO Michael Strugl im Gespräch über die geplante Reaktivierung, die Folgen des Kriegs auf den Energiemarkt – und den Klimawandel.

Im absoluten Notfall soll das Steinkohlekraftwerk in Mellach wieder hochgefahren werden. Wie sehr schmerzt Sie die – für den absoluten Notfall geplante – Reaktivierung?
Michael Strugl: Wir sind mitten in einem Krieg, der auch energiewirtschaftlich geführt wird. Notfallpläne sind im Krisenmanagement wichtig, ich verstehe die Maßnahme, Mellach im Kohlebetrieb im Notfall vorbereitet zu haben.
Welche Modernisierungsmaßnahmen sind nun erforderlich?
Michael Strugl: Das Fernheizkraftwerk Mellach entspricht den Anforderungen des aktuellen Stands der Technik. Es sind lediglich Komplettierungs- und Wartungsarbeiten bzw. geringer Anpassungsbedarf durchzuführen.
Ab wann soll der 185 Meter hohe Kamin wieder rauchen?
Michael Strugl: Die notwendigen Umbau- und Wartungsarbeiten am Kraftwerk sind innerhalb einiger Wochen abschließbar. Da wir die Kohleverstromung im März 2020 beendet haben, haben wir auch kein Personal mehr verfügbar. Auch da sind wir dran, ausgebildete Mitarbeiter aus anderen Bereichen, aus der Pension oder vom Markt zu rekrutieren. Darüber hinaus sind die Kohlebeschaffung und Lieferlogistik extrem schwierig zu organisieren. Wir haben aber Anfragen laufen und es gibt auch erste positive Signale von Anbietern. Der Umsetzungsplan steht.
Bis wann wäre eine Umrüstung auf Biomasse statt Kohle denkbar?
Michael Strugl: Für die aktuelle Aufgabenstellung einer kurzfristigen Schaffung von Möglichkeiten zur Substituierung von Erdgas stellen Überlegungen zum Einsatz von Biomasse keine Option dar. Für eine allfällige Umrüstung von Anlagenteilen auf einen Einsatz von Biomasse sind eine Vielzahl an Abklärungen zu treffen.
Sehen Sie die Gefahr, dass aufgrund der aktuell gefährdeten Versorgungssicherheit die
Erreichung der Klimaziele jetzt zu stark in den Hintergrund rückt?
Michael Strugl: Die Krisen überlagern sich zur Zeit, ihre Frequenz und auch die Magnitude nehmen zu. Der massive und konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien inklusive Netze und Speicher ist der richtige Weg. Nur so erreichen wir – sofern alle am gleichen Strang und in die gleiche Richtung ziehen – die Klimaziele und machen uns langfristig unabhängiger von fossilen Importen. Die Nutzung von Wasser, Wind und Sonne ist unsere beste und wahrscheinlich einzige Chance. Bis 2030 will der Verbund bis zu 25 Prozent der eigenen Stromerzeugung aus den neuen erneuerbaren Energien Wind und Sonne decken.