Wirtschaftsbarometer: Steirische Unternehmen unter Druck
Inflation, Energiekrise, teure Arbeitskosten und Personalmangel setzen laut Wirtschaftsbarometer die steirischen Betriebe massiv unter Druck. Zu hohe Lohnforderungen seien da ein Spiel mit dem Feuer, warnen WKO Steiermark Präsident Josef Herk und Direktor Karl-Heinz Dernoscheg.

Der heimischen Wirtschaft stehen im zweiten Halbjahr 2023 herausfordernde Zeiten bevor: Inflation, Energiekrise sowie Arbeits- und Fachkräftemangel sorgen laut aktuellem Wirtschaftsbarometer für eine höchst getrübte Stimmung im Land: 58,1 Prozent der 786 befragten Unternehmerinnen und Unternehmer melden in der Konjunkturumfrage der WKO Steiermark eine Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftssituation zurück, während nur 15 Prozent eine Entspannung verorten – ergibt unterm Strich ein Negativsaldo von -43,1 Prozentpunkten. Auch in Bezug auf den weiteren Jahresverlauf sehen nur wenige Unternehmen Licht am Ende des Tunnels (8,4 Prozent), der Großteil (59,4 Prozent) zeigt sich pessimistisch in den Erwartungen. Der Erwartungssaldo bleibt mit -51 Prozentpunkten deutlich negativ, „ein rascher Aufschwung ist folglich nicht in Sicht“, so WKO Steiermark Präsident Josef Herk.
Zumindest etwas besser – in Relation zum allgemeinen Wirtschaftsklima – wird die Entwicklung des eigenen Unternehmens bewertet. Sämtliche Salden befinden sich hier bei den Ist-Werten noch im Plus, wenngleich mit negativem Ausblick. Das steirische Konjunkturprofil im Detail: Gesamtumsatz +28,8 Prozentpunkte, Auftragslage +13,8 Prozentpunkte, Preisniveau +63,3 Prozentpunkte, Investitionen +10,3 Prozentpunkte und Beschäftigung +15,4 Prozentpunkte. Bei den Erwartungen kippen aber auch hier sämtliche Saldenwerte – mit Ausnahme des Preisniveaus (+28,6 Prozentpunkte) – ins Negative. So sinkt der Wert für die künftige Entwicklung des Gesamtumsatzes auf -11,1 Prozentpunkte, jener der Auftragslage auf -22,5 Prozentpunkte, bei den Investitionserwartungen auf -20,2 Prozentpunkte und bei der Beschäftigung auf -22,7 Prozentpunkte. „Die Situation ist ernst, die Herausforderungen groß. Diese dürfen von der Politik nicht länger nur verwaltet werden. Es braucht endlich entschiedene Taten“, betonen Herk und Dernoscheg. Konkret fordern sie Maßnahmen zur Eindämmung der Preisdynamik (KV-Verhandlungen mit Maß und Ziel), die rasche Erschließung heimischer Energiepotenziale (rasche Umsetzung SAPRO Fotovoltaik, heimisches Erdgas nutzen) sowie eine Abschaffung der CO2-Steuer und ein Maßnahmenpaket zur Fach- und Arbeitskräftesicherung (Vollzeitbonus, Reform der Rot-Weiß-Rot-Card nach deutschem Vorbild für mehr qualifizierten Zuzug, flächendeckende Kinderbetreuung auch an Schulen und in den Ferien).
Das entspricht nämlich auch den Hauptsorgen der steirischen Wirtschaft: 66,3 Prozent der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer sehen die Arbeitskosten als eine der größten Herausforderungen. Auf Platz zwei folgen der Arbeits- und Fachkräftemangel (57,9 Prozent), dahinter die hohen Energie- und Rohstoffpreise (55,3 Prozent) sowie die Folgen der Inflation (53,6 Prozent). „Angesichts der herausfordernden Rahmenbedingungen ist es bemerkenswert, dass die unternehmerische Hauptsorge nach wie vor dem Thema Personal gilt – das zeigt, wie akut der Handlungsbedarf hier ist“, so Herk und Dernoscheg.

Die steirische Wirtschaftsentwicklung im Detail
UMSATZ. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen darf die bisherige Geschäftsentwicklung in den steirischen Unternehmen als durchaus solide bezeichnet werden (Umsatz bisher gestiegen: 52,3 Prozent; gesunken: 23,4 Prozent – ergibt einen Saldo von +28,8 Prozentpunkten). Konjunkturrisiken drücken allerdings auf die Stimmung der Betriebe, der Erwartungssaldo fällt beim Umsatz mit -11,1 Prozentpunkten unter die Nulllinie: 41,8 Prozent rechnen mit einem Umsatzrückgang, 30,7 Prozent zeigen sich optimistisch.
AUFTRAGSLAGE. Die aktuelle Konjunkturschwäche spiegelt sich auch in den Rückmeldungen zur Auftragslage wider. Mit +13,8 Prozentpunkten fällt der Auftragslagensaldo im Zeitvergleich niedrig aus. Im Detail: 41,1 Prozent der befragten Unternehmen verzeichneten im Vorjahr eine positive Entwicklung ihrer Auftragszahlen, 27,3 Prozent mussten jedoch ein Minus in Kauf nehmen. Die Erwartungen sind auch im Sommer 2023 durch Unsicherheit gekennzeichnet: Der diesbezügliche Saldo bleibt trotz Aufwärtsbewegung klar unter der Nulllinie und markiert mit -22,5 Prozentpunkten den drittniedrigsten Wert der Zeitreihe: 43,8 Prozent sind bei der Auftragslage pessimistisch, 21,3 Prozent optimistisch gestimmt.
PREISE. Die Inflation setzt die heimische Wirtschaft weiterhin unter Druck. Die Trendpfeile zur Saldenentwicklung sind zwar im Sommer 2023 nach unten gerichtet, die positive Preisdynamik bleibt aber hoch: 75,1 Prozent der Befragten haben in den vergangenen zwölf Monaten ihre Verkaufspreise angehoben (Saldo bisher: +63,3 Prozentpunkte), 44,6 Prozent erwarten auch künftig eine weitere Erhöhung ihres Preisniveaus (Erwartungssaldo: +28,6 Prozentpunkte). Ausschlaggebend dafür sind in erster Linie die gestiegenen Löhne und Gehälter.
INVESTITIONEN. In Anbetracht der zahlreichen Risikofaktoren für den weiteren Konjunkturverlauf lässt nun die Investitionsbereitschaft der steirischen Unternehmen deutlich nach. Während der bisherige Investitionssaldo noch im positiven Bereich zu liegen kommt (+10,3 Prozentpunkte), bleibt der Erwartungssaldo mit -20,2 Prozentpunkten im Minusbereich. Zum Zeitpunkt der Befragung hatte fast ein Viertel keine Investitionen für die kommenden zwölf Monate geplant. Von den übrigen Betrieben gab fast die Hälfte Ersatzbedarf als Hauptmotiv für geplante Investitionen an.
BESCHÄFTIGUNG. Konjunkturbedingt beginnt nun auch die Arbeitskräftenachfrage zu sinken, gleichzeitig ist seit dem Frühjahr eine allmähliche Zunahme der Arbeitslosenquote zu beobachten. Nichtsdestotrotz haben bis dato immer noch mehr Unternehmen Personal aufgestockt (36,2 Prozent) als abgebaut (20,8 Prozent), was auch im Positivsaldo von +15,4 Prozentpunkten zum Ausdruck kommt. Obwohl der Personalmangel weiterhin eine große Herausforderung darstellt (für 57,9 Prozent), setzen mittlerweile die gestiegenen Arbeitskosten den Betrieben deutlich zu (66,3 Prozent). Das Beschäftigungswachstum dürfte sich daher künftig weiter abschwächen. Der Erwartungssaldo sinkt auf -22,7 Prozentpunkte. Im Detail: 16 Prozent gehen von einer Zunahme und 38,7 Prozent von einer Abnahme ihrer Mitarbeiterzahl aus – 45,4 Prozent planen ihren derzeitigen Personalstand zu halten.
EXPORT. Der Export war in der Vergangenheit stets eine tragende Säule der steirischen Wirtschaft. Die von den Energiepreisen getriebene Inflation sowie die damit einhergehende Anpassung des Zinsniveaus schwächt aber auch die Konjunktur wesentlicher Handelspartner deutlich. Bezugnehmend auf die Rückmeldung der steirischen Exportunternehmen sind daher in den kommenden zwölf Monaten nur wenige Konjunkturimpulse aus diesem Bereich zu erwarten. Gerade einmal 26 Prozent der befragten steirischen Exportbetriebe rechnen mit einer positiven Entwicklung ihres Exportumsatzes, 37 Prozent gehen vom Gegenteil aus. Der Erwartungssaldo fällt damit auch in puncto Export negativ aus (-11,0 Prozentpunkte).
Wirtschaftsklima in den Regionen
In den steirischen Regionen wird das Wirtschaftsklima durchgehend negativ eingeschätzt. So befinden sich die bisherigen Salden deutlich unter der Nulllinie und auch für die kommenden zwölf Monate glaubt ein Großteil der Unternehmen kaum an eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Vergleichsweise am besten fallen die Einschätzungen in der Süd- und Weststeiermark aus, aber auch hier ist der Erwartungssaldo mit -33,3 Prozentpunkten klar negativ. Am pessimistischsten zeigen sich die Unternehmen in der Oststeiermark, wo der Erwartungssaldo mit -79,8 Prozentpunkten den Steiermarkschnitt merklich unterschreitet. Das Wirtschaftsklima dürfte damit weiterhin unterkühlt bleiben.
Geschäftslage nach Betriebsgröße
EIN-PERSONEN-UNTERNEHMEN. Die Ein-Personen-Unternehmen sehen sich bereits seit einiger Zeit einer sehr herausfordernden Konjunkturentwicklung gegenüber. Folglich bleibt die Stimmung in diesem Unternehmenssegment sehr verhalten. Die Umsatzentwicklung der letzten zwölf Monate ist mit einem Saldo von +3,0 Prozentpunkten zwar knapp positiv, die Umsatzerwartungen sind hingegen analog zur letzten Umfrage negativ (-7,5 Prozentpunkte). Eine baldige Trendumkehr ist nicht in Sicht: Jedes dritte EPU erwartet sinkende Umsätze, nur jeder Vierte sieht die Umsatzentwicklung positiv.
KLEINUNTERNEHMEN. In der Gruppe der steirischen Kleinunternehmen gleichen die Konjunktureinschätzungen einer Hochschaubahn. Trotz historisch hoher Inflationsrate ist die bisherige Umsatzentwicklung besser ausgefallen als erwartet. Der Saldowert zur bisherigen Umsatzentwicklung fällt mit +23,2 Prozentpunkten deutlich positiv aus und liegt damit aber klar über dem Wert der vergangenen Umfrage. In Bezug auf das kommende Jahr dominiert aber der Pessimismus, jedoch ist dieser nicht so stark ausgeprägt: Immerhin 23,7 Prozent der Kleinunternehmen erwarten steigende Umsätze, abzüglich der 31,8 Prozent negativ gestimmten Unternehmen ergibt das einen Saldo von -8,1 Prozentpunkten.
MITTELUNTERNEHMEN. Auch in der Gruppe der steirischen Mittelunternehmen zeigt die konjunkturelle Entwicklung bei vielen Parametern nach unten. Nach einem sehr guten Jahr 2022 ist seit Jahresbeginn eine Abschwächung der Umsatzentwicklung erkennbar: 53,1 Prozent verzeichneten weiterhin Zuwächse, 20 Prozent sahen sich hingegen mit einem Rückgang konfrontiert (Saldo bisher: +33,0 Prozentpunkte). Die kommenden zwölf Monate sind immer noch durch große Skepsis gekennzeichnet: Fast 40 Prozent zeigen sich umsatztechnisch pessimistisch, während 33 Prozent optimistisch der künftigen Entwicklung entgegensehen. Der Erwartungssaldo bleibt damit unter der Nulllinie bei -5,7 Prozentpunkten.
GROSSUNTERNEHMEN. Am Konjunkturprofil der steirischen Großunternehmen zeigt sich der konjunkturelle Abwärtstrend sehr deutlich. Einzig die bisherige Umsatzentwicklung wurde mit einem Saldo von +28,9 Prozentpunkten positiver bewertet als es zu Jahresende 2022 erwartet wurde. Der Ausblick für die kommenden zwölf Monate fällt hingegen klar negativ aus. Dies kommt in Form eines Negativsaldo von –23,2 Prozentpunkten zum Ausdruck. Mehr als die Hälfte der befragten Großbetriebe rechnet mit einem Umsatzrückgang.
Was die Wirtschaft von der Politik fordert
LEISTUNG MUSS SICH LOHNEN: Preisdynamik eindämmen, Vollzeitarbeit forcieren
- Lohn-/Preisspirale verhindern, KV-Verhandlungen mit Maß und Ziel ohne überzogene Forderungen
- Vollzeit gegenüber Teilzeitarbeit attraktiveren: 4-Varianten Steuer-Modell
- Ältere länger im Erwerbsleben halten: Abgabenerleichterung für Erwerbstätigkeit im Regelpensionsalter
- Vollzeitarbeit ermöglichen: Flächendeckendes Betreuungsangebot für Kinder, auch an Schulen und in den Sommerferien
ENERGIEKOSTEN: Leistbare Energie für den Standort sichern
- Abkehr von Verknappungspolitik durch Technologieneutralität im Energiebereich
- Heimische Energiepotenziale erschließen: rasche Umsetzung SAPRO Fotovoltaik,
heimisches Erdgas nutzen - Netztarif-Strukturperiode 2024+ für Reformen nutzen
- CO2-Steuer abschaffen
FACHKRÄFTE: Maßnahmenpaket zur Fach- und Arbeitskräftesicherung umsetzen
- Qualifizierte Zuwanderung: Weitere RWR-Card-Reform für Fachkräfte aus Drittstaaten nach deutschem Vorbild
- Mobilisierung des heimischen Arbeitskräftepotenzials: überregionale Vermittlung forcieren, Reform des Arbeitslosengeldes, Ausbau der Kinderbetreuung, Bonus-Modell für Senioren, Einführung Teilkrankenstand etc.
- IFO – Internationale Fachkräfteoffensive
AREA SUED: Jahrhundertchance Koralmbahn nutzen
- Infrastruktur-Bottlenecks beseitigen: Ausbau Pyhrn-Schober-Achse und Graz-Bruck sowie 3-spuriger Ausbau der A9
- Ausgleichsmaßnahmen in peripheren Regionen: Ausbau S-Bahn-System Klagenfurt – Aichfeld & Vollausbau B317 – S37
- Öffentlicher Verkehr: Taktung in beiden Bundesländern optimieren – regionale Buslinien und S-Bahn-Verbindungen bis 2025 sicherstellen