Weltmeister mit rot-weiß-rotem Potenzial
Unser Wirtschaftsdelegierter in Buenos Aires, Marco Garcia, über WM-Titel und wirtschaftliche Eigenheiten.

Nach dem Weltmeistertitel stand Argentinien für mehrere Tage Kopf. Wie gut tat der argentinische Seele dieser Erfolg?
Marco Garcia: Natürlich war es ein nationales Volksfest in einer Dimension, die man so noch nicht gesehen hat. Es hat viel Ablenkung vom Alltag gebracht. Allerdings nimmt sich Argentinien immer als beste Fußballnation wahr. Schon im Vorjahr hat das Land die „Copa America“ gewonnen.
Die makroökonomischen Zahlen lassen dagegen nur wenig Jubelstimmung aufkommen, oder?
Der hier vorherrschende Peronismus ist ein gesellschaftliches Modell, das in Europa nur selten verstanden wird. Abgesehen von den offensichtlichen schrägen makroökonomischen Zahlen hält Argentinien viele Lösungen für globale Probleme parat. Das Land besitzt zwei im weltweiten Vergleich ausgezeichnete Ausgangsbedingungen für die Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff. Verfügbar in Argentinien über große Vorkommen von Lithium. Darüber hinaus zählt man schon heute zu den wichtigsten Nahrungsmittellieferanten: Weinbau, organische Lebensmittel und nachhaltige Viehzucht findet man hier in einem professionell organisierten Ausmaß.
Trotzdem ist die Inflation zwischenzeitlich auf bis zu 100 Prozent geklettert. Welche Auswirkungen hat das auf das Leben und die Unternehmen in Argentinien?
Inflation ist ja nur ein Faktor, der das wirtschaftliche Handeln der Menschen und Unternehmer bestimmt. Auch der limitierte Zugang zu Devisen ist ein weiteres wichtiges Element. Das führt dazu, dass sowohl der Inlandstourismus boomt, aber auch die Flüge nach Europa und den USA sehr gut gebucht sind. Nur als Anhaltspunkt: Mehr als 30.000 Argentinier waren bei der WM in Katar und haben dort knapp eine Milliarde US-Dollar ausgegeben.

Wo sehen Sie Chancen für heimische Unternehmen?
Argentinien ist ein Land für „fortgeschrittene“ Unternehmer, tendenziell daher kein Land für Kleinbetriebe. China stellt gute Rahmenbedingungen dar und kann daher gut beim Bahnbau und Kraftwerksbau reüssieren. Zum Teil liefern hier österreichische Firmen sogar zu. Es gibt viele Infrastrukturprojekte, die schon seit Jahren im Stop-Go-Modus laufen. So etwa eine Gaspipeline vom Landesinneren zum Hafen, Tunnelbauprojekte zwischen Argentinien und Chile, aber auch Metro-Ausbauprojekte in Buenos Aires.
Südamerika gilt als rot-weiß-roter Hoffnungsmarkt für den qualifizierten Zuzug. Sehen Sie hier Chancen?
Viele Argentinier haben durch ihre Vorfahren einen europäischen Pass, könnten schon morgen in Österreich zu arbeiten beginnen. Sofern man natürlich gute Angebote unterbreitet. Es gibt alleine 10.000 Argentinier mit österreichischen Pässen. Auch die Tourismusbranche in Österreich sollte dieses Potential erkennen: Der Argentinier ist der reiselustigste Latino mit starker Affinität zu Europa – leider hat die österreichische Tourismuswirtschaft dieses Potential nie gewonnen.