„Wir haben Potenzial beim Bürokratieabbau“
Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler über Spar-Tendenzen bei Gästen, neue Lehrpläne für Tourismusschulen, Saisonniers und den Klimawandel.

Die Haupturlaubszeit biegt in die Zielgerade. Wie sieht eine vorläufige Bilanz aus?
Susanne Kraus-Winkler: Die Juni-Zahlen zeigen, dass Österreich weiterhin gut gebucht ist – wir liegen nur mehr 1,7 Prozent unter 2019. Blickt man auf die ersten beiden Monate der Sommersaison, liegen wir sogar um 2,9 Prozent darüber. Für einige Bundesländer war die Sommersaison 2022 eine sehr gute, besser als 2019. Wir gehen derzeit davon aus, dass wir uns bei der diesjährigen Sommersaison um die Werte von 2022 und 2019 bewegen werden. Die Gesamtbilanz wird etwas von der regional schwierigen Wettersituation als auch von ersten Spar-Tendenzen der Gäste aus unseren Hauptherkunftsmärkten geprägt sein. Dies jedoch regional sehr unterschiedlich.
Wie wirken sie sich die allgemeinen Teuerungen auf die Konsumbereitschaft der Touristen aus?
Kraus-Winkler: Die Teuerungen tun der Lust auf einen Österreich-Urlaub generell keinen Abbruch. Wir sehen aber, dass die Gäste bei den Nebenausgaben sparen oder da und dort eine günstigere Unterkunft buchen. Umsatzeinbußen sind aktuell noch nicht zu beobachten, die Umsätze sind teuerungsbedingt bis dato sogar gestiegen.
Wie sehr belasten die Teuerungen umgekehrt die Tourismusbetriebe selbst?
Kraus-Winkler: Die Umsätze sind zwar höher als 2019, ob das letztlich auch für die Profitabilität gilt, müssen wir noch abwarten. Real gesehen sind die Umsätze über die letzten fünf Jahre jedoch eindeutig gesunken. Denn auch für die Branche sind die Kosten für Mitarbeiter, aber auch für alles andere wie Lebensmittel und Energie stark gestiegen. Da der Tourismus eine finanzintensive Branche ist, sind natürlich auch die steigenden Zinsen eine Herausforderung. Besonders erfreulich hingegen ist, dass es bei Neugründungen vor allem im Tourismus weiterhin einen Aufschwung gibt.
Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist im Tourismus besonders hoch. Wie kann man diese Lücke schließen? Die Zahl der Lehrlinge in der Branche hat sich binnen 15 Jahren ja halbiert.
Kraus-Winkler: Mit 2.758 Lehranfängern im Jahr 2022 sind wir erfreulicherweise wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Die Branche ist sich aber bewusst, dass die Lehre im Tourismus weiter attraktiviert werden muss. Dabei unterstützen wir, wo immer es geht. Darüber hinaus arbeiten wir mit Bildungsminister Martin Polaschek an der Weiterentwicklung der Lehrpläne in den Tourismusschulen.
Jedes Jahr flammt eine Debatte über Saisonarbeiterkontingente auf, die für Unruhe in der Branche sorgt. Sind diesbezüglich stabilere und längerfristige Modelle angedacht?
Kraus-Winkler: Wir passen die Saisonnierkontingente laufend an, um vor allem die Saisonspitzen besser abdecken zu können und auch die hohe Servicequalität sicherzustellen. Selbstverständlich unterstützen wir aber auch langfristige Beschäftigungsmodelle. Dafür brauchen wir auch mehr Ganzjahrestourismus, den viele Regionen bereits jetzt vorantreiben.
Zuletzt hat der Wirtschafts- minister angekündigt, dass bis 2027 pro Jahr 15.000 Rot-Weiß-Rot-Karten für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland ausgestellt werden. Wie viele davon entfallen auf den Tourismus?
Kraus-Winkler: Die seit 2011 ausgestellten Rot-Weiß-Rot-Karten im Tourismus haben einen Anteil von 4,8 Prozent an allen RWR-Karten. Wir können davon ausgehen, dass dieser Anteil steigen wird – eine genaue Zahl lässt sich derzeit noch nicht festmachen. In diesem Jahr konnten im Tourismus bis jetzt 400 RWR-Karten ausgestellt werden, 2022 waren es über das gesamte Jahr 348.
In Zusammenhang mit der RWR-Karte wird von Unternehmen regelmäßig über bürokratische Hürden geklagt. Wird es da eine Erleichterung und in der Folge eine Beschleunigung geben?
Kraus-Winkler: Wir haben sicherlich viel Potenzial, was die Bereiche Bürokratieabbau, Digitalisierung und Ausbildungsanerkennung bei der RWR-Karte betrifft, um den Vollzug zu erleichtern. Das wird wesentlich sein, damit die RWR-Karte auch für die Zukunft fit bleibt.
Der Klimawandel sorgt auch in Tourismusregionen für neue Probleme. Gibt es spezielle Förderprogramme für Maßnahmen in Zusammenhang mit der Klimafolgenanpassung?
Kraus-Winkler: Wir haben im Juni einen Fördercall zur Klimafolgenanpassung ausgerufen. Damit wollen wir Regionen bei der Erstellung innovativer Konzepte zur Klimafolgenanpassung und zur Steigerung der Resilienz in ländlichen Tourismusregionen unterstützen. Das bedeutet, die Angebotsstruktur weiterzuentwickeln oder ergänzend Klimaschutzmaßnahmen zu setzen. Insgesamt stehen dafür in Summe eine Million Euro beziehungsweise 200.000 Euro pro Projekt zur Verfügung.
Zur Person
Susanne Kraus-Winkler hat langjährige Erfahrung in der Hotellerie und Gastrononmie, unter anderem war sie Gründungsgesellschafterin der Loisium-Hotels. Seit 2022 ist sie im Wirtschaftsministerium Staatssekretärin, Schwerpunkt Tourismus.