Keine Denkverbote bei "Öko-Fracking“"
„Unseren Betrieben droht das Gas abgedreht zu werden, trotzdem lassen wir Alternativen, wie Förderung von Schiefergas im Weinviertel, ungeprüft“, kritisieren Vizepräsident Herbert Ritter und Direktor Karl-Heinz Dernoscheg.

Österreich verbraucht aktuell jährlich 89 TWh Erdgas. Nur 10 TWh davon stammen aus inländischer Produktion, der Rest (79 TWh) muss importiert werden. Das aber müsste nicht so sein, denn im Weinviertel lagern riesige Schiefergasvorkommen. Schätzungen zufolge könnte sich unser Land damit 30 Jahre lang mit Gas komplett selbst versorgen, doch entsprechende Pläne für Probebohrungen wurden vor zehn Jahren fallengelassen. Grund dafür waren die vielen Vorbehalte bzw. politischer Widerstand gegen „Fracking“. Eine Fördermethode, die vor allem in den USA und Kanada eingesetzt wird, bei der Chemikalien in tiefliegendes Gestein eingebracht werden, um so das darin eingeschlossene Gas zu fördern. Auch Europa sitzt auf einem riesigen Vorrat dieses Schiefergases, die Vorkommen werden auf insgesamt 25 Billionen Kubikmeter geschätzt. Damit könnte sich der gesamte Kontinent mit einem jährlichen Verbrauch von 380 Milliarden Kubikmeter (Messung 2020) 60 Jahre lang selbst versorgen.
Steirisches Knowhow
Angesichts der aktuellen energiepolitischen Notlage fordert die WKO Steiermark darum ein „Ende aller Denkverbote“. Mittlerweile gibt es nämlich auch eine ökologische Form des Frackings, entwickelt an der Leobner Montan Universität, wo Herbert Hofstätter, Leiter des Lehrstuhls für „Petroleum and Geothermal Energy Recovery“, seit Jahren international anerkannte Pionierarbeit leistet. „Unser Verfahren ersetzt die bislang benötigten Chemikalien durch biologische Substanzen: Kaliumkarbonat und Stärke. Hinzu kommen Quarzsand, Keramik oder Glaskügelchen“, erklärt Hochstätter. Unter hohem hydraulischen Druck wird das Gemisch aus Wasser und Kaliumkarbonat hier in die Erde gepumpt, um kleine Risse – sogenannte „fracs“ – im Gestein zu erzeugen, die hinzugegebene Stärke sorgt dann für die richtige Fließeigenschaft. Stützmittel, etwa Sand, werden eingebracht, damit die künstlich erzeugten Fließwege nach Druckablass geöffnet bleiben und damit Gas oder auch Heißwasser bestmöglich aus der Lagerstätte zufließen kann. „Dieses ,Bio Enhanced Energy Recovery‘-Verfahren lässt sich auch eins zu eins in der Geothermie einsetzen“, so Hofstätter: „In den Thermenregionen gibt es Wärmeenergie rund um die Uhr. Diese nicht zu nutzen, ist im Sinne der nächsten Generationen unverzeihlich.“

WKO fordert schnellere Verfahren für Energie-Unabhängigkeit
Davon ist man auch in der Wirtschaftskammer überzeugt. Gefordert wird ein rechtlicher Rahmen, der zeitnahe Probebohrungen ohne jahrelange Verzögerungen durch diverse Verfahren möglich macht. „Unser Ziel muss die Energie-Unabhängigkeit sein. Da macht es keinen Sinn auf der einen Seite große Terminals für gefracktes Flüssiggas zu bauen und auf der anderen Seite eigene Fördermöglichkeiten außer Acht zu lassen. Vor allem wenn wir selbst über das entsprechende Knowhow einer umweltverträglichen Fördermöglichkeit verfügen“, betont Ritter. Gemeinsam mit WKO Steiermark Direktor Karl-Heinz Dernoscheg fordert er darum einen „energiepolitischen Sicherheitsauftrag“. Dieser müsse – wie im Rahmen der Initiative „unternimmwas“ bereits von 35.000 Unterstützern gefordert – auch eine Verfahrensbeschleunigung beim Ausbau heimischer Energieträger beinhalten. Nach Berechnungen des Energieinstituts der Wirtschaft sind nämlich allein für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der dazugehörigen Infrastruktur in Österreich bis 2030 Investitionen von mehr als 70 Milliarden Euro nötig. Allein der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung und –netze wird rund 43 Milliarden Euro kosten. Mit den derzeitigen Parametern im UVP-Gesetz kann die Wende nicht gelingen, sind Experten überzeugt.
2500 Fußballfelder Photovoltaik
Die Ausbauziele sind nämlich höchst ambitioniert, wie Martin Heidinger, Energieexperte im Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung, berechnet hat: „Will man die Photovoltaik in der Steiermark bis 2030 auf 2 TWh ausbauen, braucht es 1.700 Hektar zusätzliche Photovoltaik – das entspricht einer Fläche von rund 2.500 Fussballfeldern. Um die Stromerzeugung aber zu 100 Prozent auf erneuerbare Energieträger umzustellen würde es weiters rund 140 zusätzliche Windkraftanlagen und sechs durchschnittliche Murkraftwerke brauchen. „Speziell für die Photovoltaik warten wir leider seit langem auf eine konkrete Ausbaustrategie. Das dafür vorgesehene Sachprogramm erneuerbare Energie wird seit Jahren verhandelt, hier braucht es mehr Tempo“, fordern Ritter und Dernoscheg.