Gewerbe will mehr Netto vom Brutto
Für eine nachhaltige Erholung der Gewerbekonjunktur mahnen Branchenvertreter Augenmaß bei den KV-Verhandlungen ein.

Langsam nimmt sie wieder Fahrt auf, die Konjunktur im Gewerbe. Wie aktuelle Daten der KMU Forschung Austria belegen, nähert sich die Wirtschaftsentwicklung im Gewerbe und Handwerk wieder dem Vorkrisenniveau an. Konkret sind die Auftragseingänge bzw. Umsätze in den Gewerbe-Branchen im ersten Halbjahr 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres wertmäßig um 5,5 Prozent gestiegen. Jeder dritte Betrieb meldete Steigerungen um durchschnittlich 19,6 Prozent, während jeder Fünfte Rückgänge um rund 20 Prozent beklagte. Und die Unternehmer blicken auch wieder zuversichtlicher in die Zukunft, das schlägt sich in der Erwartungshaltung für das vierte Quartal nieder: So rechnen 22 Prozent der Betriebe mit einer weiteren Steigerung bei Aufträgen und Umsätzen.
Auch wenn die Zeichen jetzt auf Entspannung hinweisen, ist eine nachhaltige Konjunkturerholung nicht in Stein gemeißelt, warnen Branchenvertreter. Das unterstreicht auch Ewald Verhounig, Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) in der WKO Steiermark: „Die Konjunktur ist auf Konsolidierungskurs. Es gibt aber noch eine Vielzahl an Risikobereichen, die einen nachhaltigen Aufschwung verhindern könnten.“
Rohstoffpreise und Lieferengpässe
Sorgenkinder seien etwa die enormen Rohstoffpreise, Lieferengpässe und die entstehende Kostendynamik, so Verhounig: „Diese Dynamik darf, auch in Zeiten des Fachkräftemangels, nicht durch überzogene KV-Abschlüsse zusätzlich angeheizt werden.“ Angesichts dieser fragilen Situation mahnt auch Spartenobmann Hermann Talowski zu Besonnenheit bei den KV-Verhandlungen. Große Sprünge sehen die Gewerbe- und Handwerksbetriebe bei den KV-Verhandlungen nicht, sagt er.
Einer IWS-Analyse zufolge wären die Auswirkungen der von Arbeitnehmerseite deponierten Erhöhungswünsche massiv: So würde ein Abschluss von drei Prozent die Brutto-Lohn- und Gehaltssumme in Österreich im nächsten Jahr um rund fünf Milliarden Euro in die Höhe treiben, allein in der Steiermark wären es 700 Millionen Euro.
Ein Szenario, das auch die Inflationsgefahr weiter anheizen würde, warnen Experten. Stattdessen schlägt die Sparte Gewerbe und Handwerk nun ein neues Modell vor: Der Staat soll auf Teile der Lohnnebenkosten beim 13. und 14. Monatsgehalt verzichten. „Mit diesem Modell stellen wir sicher, dass die KV-Erhöhungen auch bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen. So bleibt mehr Netto vom Brutto.“
Dass eine Entlastung bei den Sonderzahlungen dieselben Effekte hätte wie ein entsprechender Tarifabschluss, bestätigt auch Peter Meiregger, Studiengangsleiter an der FH Campus02. Konkret plädiert er dafür, die Kranken- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge von derzeit 6,87 Prozent in Richtung vier Prozent für Sonderzahlungen zu senken.