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"Es war ein großer Schock"

Historikerin Barbara Stelzl-Marx, Wissenschafterin des Jahres 2019, über Auslöser und Folgen des Ukraine-Kriegs: „Es ist eine Zeitenwende.“

Barbara Stelzl-Marx
© Sabine Hoffmann Barbara Stelzl-Marx: "Tatsächlich hat der Krieg in der Ukraine schon 2014 begonnen. Das hatten wir viel zu wenig am Radar."

Am 24. Februar jährt sich der Beginn des Ukraine-Kriegs. Wie haben Sie den Tag in Erinnerung?

Barbara Stelzl-Marx: Im Nachhinein muss man sagen: Es gab deutliche Anzeichen dafür, dass es zu diesem Krieg kommen würde. Aber als es tatsächlich zu dieser Invasion und zu den Angriffen kam, war es doch auch für mich ein ganz großer Schock. Das Datum wird sicherlich als Zeitenwende in die Geschichte eingehen.

Hätte man es im Westen nach der Eroberung der Krim durch Russland 2014 nicht besser wissen müssen? Hat man da etwas übersehen – oder bewusst weggesehen?

Tatsächlich hat der Krieg in der Ukraine schon 2014 begonnen. Nur war diese Situation im Donbass und auf der Krim etwas, das bei uns gefühlsmäßig weit weg war. Diese Vorgeschichte hatten wir viel zu wenig am Radar.

Es gab damals schon Sanktionen des Westens – ohne spürbare Folgen.

Ich glaube, 2014 war ein Testballon von Putin. Nachdem die Reaktionen eher verhalten waren, hat er weiter auf Eskalation gesetzt. Im Nachhinein lässt sich sagen: Hätte der Westen 2014 so vehement reagiert wie letztes Jahr, gehe ich davon aus, dass sich der Krieg anders entwickelt hätte.

Aber die Sanktionen seit 2022 haben auch nicht das gebracht, was man im Westen erwartet hatte.

Ja, man hat sich eine stärkere Wirkung erwartet. Wenn man sich aber anschaut, wie es aktuell dem Mittelstand in Russland geht, dann merkt man schon, dass es direkte Auswirkungen auf den Wohlstand in der Gesellschaft und auf den Alltag gibt. Das hat – neben anderen Gründen – auch dazu geführt, dass es in der russischen Gesellschaft zunehmend latent Kritik an diesem Krieg gibt.

Reicht das für einen politischen Widerstand?

Von außen ist das schwer einzuschätzen. Was man aber schon sieht und in persönlichen Kontakten hört, ist, dass insbesondere die Teilmobilmachung den Krieg in die Familien und Wohnzimmer hineingetragen hat und das auch zu einer größeren Ablehnung in der Bevölkerung beigetragen hat. Ob das reicht, dass es auch zu einem zivilgesellschaftlichen Umsturz kommt, traue ich mich nicht mit „Ja“ zu beantworten. Weil auch ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es für einen Putsch eine ganz kleine, gut organisierte Gruppe braucht, die an den entsprechenden Hebeln der Macht sitzt.

Viele junge Menschen haben fluchtartig das Land verlassen. Wieso hat Putin das nicht gestoppt?

Ja, es gibt diesen „Brain Drain“, aber Putin ist dadurch recht „elegant“ kritische Stimmen im eigenen Land losgeworden. 

Welche Rolle spielt Putins eigene Geschichte für sein aktuelles Handeln?

Gerade der Zerfall der Sowjetunion 1991 hat eine ganz große Wirkung auf das, was jetzt passiert. Weil es die Grundidee von Putin ist, das Trauma des Zerfalls des Imperiums zu überwinden und die „russkij mir“, also die „russische Welt“, wiederzuerrichten. Dazu gehört neben Russland und Belarus auch die Ukraine.

Ist die Ukraine also zur Zerrissenheit verdammt?

Die Ukraine hatte aufgrund ihrer Geschichte lange eine Art schwebende Identität. Jetzt – durch den Krieg – ist der Zusammenhalt gestärkt worden. Es ist also das Gegenteil von dem passiert, was Putin wollte. Der Feind von außen hat die Menschen sehr zusammengeschweißt.

Man könnte auch sagen: nationalistischer gemacht.

Das ist „nation building“. Es geht da um das schiere Überleben des Landes als eigene Nation.

Ist der Mensch fähig, aus der Geschichte zu lernen?

Der Blick zurück ist ganz wichtig und wesentlich, um die Gegenwart durch die Einordnung in vergangene Ereignisse besser verstehen und die Zukunft hoffentlich positiv gestalten zu können.

Aber kann man etwas daraus lernen? Taugen historische Vergleiche oder ist das naiv?

Vergleichen kann man schon, aber gleichsetzen lässt sich nichts. Es sind immer andere Menschen und Rahmenbedingungen.

Die EU, die Ukraine und Russland werden nach dem Krieg Nachbarn bleiben. Wie kann da wieder Frieden gelingen?

Das Vertrauen zwischen Europa und Russland ist zerrüttet, die Folgen dieses Krieges werden in allen Bereichen über Jahrzehnte spürbar sein. Auch hier erfolgte also eine Zeitenwende. 


Zur Person:

Barbara Stelzl-Marx leitet das Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung in Graz. Die Historikerin war 2019 Wissenschaftlerin des Jahres. Zu ihren Forschungsschwerpunkten  zählt Russland.


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