Temesvar, einst Teil der österreichisch-ungarischen  Monarchie, ist heuer Europäische Kulturhauptstadt.
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Der Wachstumsmarkt Rumänien

Trotz politischer Irritationen rund um Österreichs Veto gegen einen Schengen-Beitritt gilt Rumänien als Wachstumsmarkt.

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Aktualisiert am 13.03.2023

Schmilzt das Eis? Zumindest war vor wenigen Tagen eine hochkarätige Delegation aus Rumänien in Wien. Ihr Ziel: Das bilateral frostige Klima zwischen den beiden Staaten wieder aufzutauen. Grund der Abkühlung ist Österreichs Veto gegen den Beitritt von Rumänien (und Bulgarien) zum EU-Schengen-Raum. Die Blockade sorgt in Rumänien für massive Aufregung. So warnt der ehemalige rumänische Außenminister Titus Corlatean mit Blick auf die vier 2024 anstehenden Wahlen (EU, Parlament, Präsident, Gemeinden) vor einem „Auftrieb für antieuropäische Kräfte“.

Bürgermeister ist "not amused"

Im Alltag sorgt der Ausschluss vom barrierefreien Schengen-Raum schon jetzt für Ärger. „Dieses stundenlange Warten an der Grenze zwischen Rumänien und Ungarn wird als Erniedrigung wahrgenommen“, schimpft Dominic Fritz. Als Bürgermeister von Temesvar steht er in diesem Jahr besonders im Fokus. Denn Rumäniens mit 300.000 Einwohnern drittgrößte Stadt – 1989 Ausgangspunkt der Revolution gegen den kommunistischen Ex-Diktator Nicolae Ceausescu – ist heuer Europäische Kulturhauptstadt. Durchschnittlich 30 Veranstaltungen pro Woche stehen am Programm. Der Bürgermeister selbst ist aufgrund seiner Vita eine politische Ausnahmefigur. Denn Dominic Fritz, einst Redenschreiber für den deutschen Bundespräsidenten, nutzt das Wahlrecht, das es EU-Staatsbürgern ermöglicht, auf kommunaler Ebene auch im Ausland zu kandidieren. Seit 2020 regiert er in Temesvar – noch dazu mit absoluter Mehrheit. Der Deutsche berichtet von „sich mehrenden Boykott-Aufrufen gegen österreichische Firmen, Produkte und Dienstleistungen“. Auch Österreichs Wirtschaftsdelegierter Gerd Bommer weiß von „Kontenschließungen bei österreichischen Banken, Vertragsstornierungen und Buchungsabsagen des Skiurlaubs“.

Österreich als zweitgrößter Investor

Ins allgemeine Geschäftsfeld hätten diese politischen Verwerfungen aber nur wenig durchgeschlagen. Viele der zurückgestellten Investitionen würden weniger mit dem Schengen-Veto als mit den stark steigenden Energiepreisen zusammenhängen, relativiert Bommer. Österreich hätte jedenfalls viel zu verlieren, ist es mit einem Volumen von zehn Milliarden Euro doch hinter Deutschland zweitgrößter Investor in Rumänien. Vor allem in den Bereichen Banken, Versicherungen, Stahl und Energie ist man stark vertreten. Und das Land gilt weiterhin als chancenreicher Wachstumsmarkt, unterstreicht Bommer. Potenzial für heimische Unternehmen sieht er vor allem in den Bereichen erneuerbare Energie, Tourismus und IT sowie Maschinen- und Anlagenbau.

Gerd Bommer
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Aber auch im Dienstleistungsbereich sind die Verflechtungen zwischen Österreich und Rumänien sehr dicht. Rumänische Pflegekräfte sind mit ca. 30.000 die größte Nationalität aller rund 61.500 ausländischen Pflegekräfte in Österreich. Man könne davon ausgehen, dass der allergrößte Teil der dabei erzielten Einkünfte nach Rumänien repatriiert wird, sagt Bommer. Er rechnet mit einem „unteren bis mittleren dreistelligen Millionenbetrag“.