Gesicht einer jungen Frau, links und rechts davon je eine Gesichtshälfte einer älteren Frau.
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Bis 2040 fehlen uns zusätzlich 51.000 Beschäftigte

Bis 2040 wechselt ein Drittel der Steirer in die Pension, der Personalmangel dramatisiert sich. Bund und Land dürfte das viele Milliarden Euro kosten. 

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Aktualisiert am 05.08.2023

Das Thema Arbeit ist aktuell in aller Munde, ganz unabhängig vom anstehenden 1. Mai: Zuletzt aufgekommene Diskussionen rund um eine mögliche Arbeitszeitverkürzung (Stichwort 32-Stunden-Woche) stehen dabei einer zunehmenden Personalnot in praktisch allen Branchen gegenüber – zahlreiche Unternehmen suchen teils verzweifelt nach Mitarbeitern. Und die Problematik dürfte sich noch weiter zuspitzen, wie eine aktuelle Analyse von Synthesis Forschung auf Basis von WIFO-Daten zeigt: Demnach werden in der Steiermark bis 2040 bei konstanter, gleichbleibender wirtschaftlicher Entwicklung ganze 50.610 Arbeitskräfte fehlen – zusätzlich zum schon jetzt massiven Bedarf. Noch dramatischer lesen sich die österreichweiten Zahlen: 363.000 Stellen werden laut Prognose bis 2040 zusätzlich nicht besetzt werden können. „Das wäre nicht nur ein Wachstumsdämpfer, sondern vielmehr ein echter Wachstumskahlschlag, der auch massive Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte hätte“, betont WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk angesichts dieser Zahlen. „Die Prognose zeigt, dass die aktuelle Arbeitszeitdebatte an der Realität komplett vorbeigeht. Ziel muss es vielmehr sein, die Menschen wieder zu mehr Vollzeitarbeit zu motivieren und darüber hinaus neue Zielgruppen für den Arbeitsmarkt zu erschließen“.

„Mehr Leistung muss sich lohnen, daher braucht es dringend verstärkte Anreize, um die Menschen zu mehr Vollzeitarbeit zu motivieren.“

Josef Herk
© Oliver Wolf Josef Herk


Massive Wirkung

Tatsächlich zeigen die Daten, dass sich diese fast 51.000 zusätzlich gesuchten Mitarbeiter wirtschaftlich massiv auswirken würden. Betroffen wären die unterschiedlichsten Branchen (siehe Tabelle) – beispielsweise die Warenproduktion, wo man von 10.542 zusätzlich benötigten Beschäftigten bis 2040 ausgeht, sowie das Bildungs- (+1.483) oder Gesundheitswesen (+3.998).


Ganz abgesehen von diesen unmittelbaren Auswirkungen am Arbeitsmarkt würde der Staat österreichweit bis 2040 laut WKO-Berechnungen ohne Gegenmaßnahmen rund 150 Milliarden Euro an Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträgen verlieren. 66 Milliarden davon sind allein kumulierte Mindereinnahmen der Sozialversicherungsbeiträge – was sich auch im Gesundheitssystem oder dem Pensionsbereich niederschlagen würde. Für die Steiermark errechnet Synthesis Forschung, dass das BIP im Jahr 2040 um 6,3 Milliarden Euro geringer ausfallen würde als ohne diesen zusätzlichen Mangel an Beschäftigten. Dieser hätte auch darüber hinaus massive Auswirkungen auf den Landeshaushalt – aus den Ertragsanteilen ergäben sich 3,5 Milliarden Euro an Mindereinnahmen für die Grüne Mark. Österreichweit würde das BIP zu aktuellen Preisen um neun Prozent oder rund 50 Milliarden Euro geringer ausfallen als in einer Situation mit ausreichend Arbeitskräften.

Immer mehr in Pension

Zentraler Grund dieser dramatischen Entwicklung ist der demographische Wandel. Während die Bevölkerung der Steiermark laut Landesstatistik bis 2048 aufgrund einer positiven Wanderungsbilanz trotz geringer Geburtenrate noch auf mehr als 1,275 Millionen Menschen anwachsen dürfte, ändert sich ihre Struktur aber massiv. Stellte sich diese früher in einer sogenannten Bevölkerungspyramide dar, gleicht sie heute eher einer Bevölkerungs-Venus-von-Willendorf – und der Trend weist sogar mehr und mehr in die Richtung einer am Kopf stehenden Pyramide. Heißt: Immer mehr Menschen finden sich in höheren Altersgruppen wieder. Österreichweit wird die Zahl der Menschen im Alter  von über 65 Jahren laut Synthesis Forschung im Jahr 2040 um 48,1 Prozent größer sein als 2021. Für die Steiermark errechnet die Statistik Austria (siehe auch Grafik oben), dass der Anteil der Personen im Pensionsalter an der Gesamtbevölkerung bis 2048 auf 30,3 Prozent ansteigen wird – das ist fast jeder Dritte. Von derzeit knapp über 3,9 Millionen unselbständig Beschäftigten wird in Österreich bis 2040 mehr als ein Drittel, über 1,3 Millionen Personen, in die Pension wechseln.


Auf Spurensuche

Die Gründe des Wandels sind vielfältig: „Die Entwicklung liegt zum einen an der massiv gesunkenen Geburtenrate, zum anderen kann die qualifizierte Zuwanderung diesen Rückgang nicht kompensieren. Lange Ausbildungszeit und frühe Pensionsantrittsalter verschärfen die Lage“, erklärt Ewald Verhounig, Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung. 2022 gingen Männer im Schnitt mit 61,9 Jahren in Pension, Frauen mit 60 – der Trend zeigt hier immerhin nach oben (2018: 61,3 bzw. 59,0 Jahre). Die Geburtenbilanz in der Steiermark ist schon seit 1997 negativ, ein Trend, der sich laut Landesstatistik bis 2050 noch verschärfen wird. Lag die Gesamtfertilitätsrate in Österreich in den 60ern noch bei mehr als 2,8 Kindern pro Frau, verzeichnete man 2021 nur 1,48 (immerhin ein leichtes Plus von 0,04 im Vergleich zum Jahr 2020).


Was es laut Verhounig braucht, um eine weitere Verschärfung des Arbeitskräftemangels zu verhindern: „Eine Forcierung von qualifizierter Zuwanderung, eine Intensivierung der Berufsorientierung – und konkrete Maßnahmen, um die Geburtenrate langfristig wieder zu heben.“ Ein zentraler Faktor: der Ausbau der Kinderbetreuung.

6,3

Milliarden Euro würden knapp 51.000 fehlende Arbeitskräfte das BIP der Steiermark 2040 kosten.

3,5

Milliarden dürften die Mindereinnahmen aus den Ertragsanteilen für die Steiermark bis 2040 betragen.

150

Milliarden Euro verliert der Staat laut WKÖ-Berechnungen bis 2040 durch den Arbeitskräftemangel.

51.610

Beschäftigte werden in der Steiermark laut Synthesis Forschung bis 2040 zusätzlich gebraucht.